Ali Esmaili aus Emden hat es geschafft. Stolz hält der gebürtige Afghane seinen Gesellenbrief in den Händen. Er hat gerade seine Ausbildung zum Friseur im Salon „Coiffeur Pasquale“ in Emden erfolgreich abgeschlossen. „Ich freue mich sehr, dass ich das durchgehalten habe. Bis hierhin war es kein leichter Weg“, so der 21-Jährige. Und das kann man in seinem Falle tatsächlich wortwörtlich nehmen. Denn bis es so weit war, musste der junge Mann in den vergangenen sieben Jahren viele Hürden nehmen. Angefangen bei seiner Flucht aus dem Iran.

Aber zurück an den Anfang. Ali Esmaili wird 1999 in Herat (Afghanistan) als eines von drei Kindern geboren. Aufgrund der Kriegsgeschehnisse flüchten seine Eltern kurze Zeit später mit ihm und seinen beiden Schwestern in den Iran. Dort wächst Ali auf, besucht aber weder die Schule noch macht er eine Ausbildung. „Mit zehn habe ich angefangen zu arbeiten und Geld zu verdienen, um meine Familie zu unterstützen“, erinnert er sich. Überwiegend ist er im handwerklichen Bereich tätig. Führt Maler-, Tischler- und Maurerarbeiten aus. Das macht er gut sechs Jahre lang. Bis er sich 2015 dazu entschließt nach Deutschland zu flüchten. „Für mich gab es im Iran einfach keine Perspektive mehr“, erzählt der Emder. Und so startet er zunächst zu Fuß durch die Berge in Richtung Türkei. Dort angekommen setzt er seine Reise, wie viele andere Flüchtlinge, in einem Schlauchboot nach Griechenland fort. Anschließend geht es weiter nach Mazedonien. Im Herbst 2015 erreicht er schließlich Deutschland und kommt in einer Flüchtlingsunterkunft in Emden unter.

Weil er noch keine 18 ist, wird er kurz darauf von einer Pflegefamilie aufgenommen. Diese schickt ihn Anfang 2017 zur Berufsschule BBS I in Emden, wo man ihm zunächst das Alphabet beibringt. „Das klingt eigentlich so einfach, aber mir ist das sehr schwer gefallen, weil ich nichts verstanden habe und ich mich mit Händen und Füßen verständigen musste.“ Trotzdem ermutigt ihn seine Lehrerin ein Praktikum zu absolvieren. Und so landet Ali 2017 im Friseursalon von Pasquale Avino, der ihm schon nach kurzer Zeit einen Ausbildungsplatz anbietet. Der 18-jährige Ali freut sich so sehr darüber, dass er, obwohl er vorher keinerlei Berührung mit dem Friseurhandwerk hatte, ein Einstiegsqualifizierungsjahr (EQJ) beginnt und im Sommer 2018 offiziell in seine Lehre startet. „Am Anfang war er noch sehr zurückhaltend und schüchtern. Das hat sich im Laufe seiner Ausbildungszeit aber allmählich gelegt“, erklärt sein Chef und Ausbilder Pasquale Avino stolz.

Dennoch ist die Lehrzeit nicht leicht für den jungen Afghanen. Neben der sprachlichen Hürde kommt 2020 noch die Corona-Pandemie hinzu, von der auch die Friseure hart getroffen werden. Sie müssen ihre Betriebe zwischenzeitlich für mehrere Wochen schließen. Wie für viele andere Azubis auch bedeutet das für Ali: Online-Unterricht und weniger praktische Erfahrung. „Das war eine schwere Zeit. Ich habe mehrfach zu meinem Chef gesagt ‚ich glaube ich schaffe das nicht‘ und wollte schon aufgeben“, so der Friseurgeselle. Aber dieser habe ihn immer wieder aufgebaut und ihm Mut gemacht. Selbst nachdem sie gemeinsam beschließen, dass es aufgrund des Lernrückstandes ratsam wäre, Alis Ausbildung um ein Jahr zu verlängern. „Ich wollte unbedingt, dass er das packt. Und das hat ihm ein wenig mehr Zeit verschafft“, so Friseurmeister Avino.

Zusätzlich organisiert ihm sein Chef einen Nachhilfelehrer. Ein ehemaliger Berufsschullehrer und Bekannter von Avino, trifft sich ein Jahr lang jeden Montag nach der Berufsschule mit Ali, um den Lernstoff noch einmal zu wiederholen. Und es hat funktioniert. Vor wenigen Wochen hat er seine Gesellenprüfung bestanden. „Vor dem praktischen Teil war ich sehr aufgeregt, weil dazu auch eine Hochsteckfrisur gehörte. Letztendlich hat dann aber alles perfekt geklappt“, sagt er schmunzelnd. Den Lohn für sein Durchhaltevermögen konnte er kürzlich während einer kleinen Freisprechungsfeier der Friseur Innung Aurich-Norden entgegennehmen. Dort erhielt er seinen lang ersehnten Gesellenbrief. „Ohne die viele Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Ali.

Wie es für ihn weiter geht, ist indessen noch unklar. Zwar hat Pasqual Avino den jungen Handwerker übernommen, momentan hat Ali aber noch kein dauerhaftes Bleiberecht. Neben der Hoffnung weiter in Deutschland leben zu können, hat er aber einen viel größeren Herzenswunsch. „Sobald es möglich ist, möchte ich meine Eltern im Iran besuchen. Die habe ich seit meiner Flucht nicht mehr gesehen“, sagt er hoffnungsvoll.

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