Seit 20 Jahren gilt Prostitution in Deutschland als „sexuelle Dienstleistung“ und das Betreiben eines Bordells als Gewerbe. Was auf dem Papier anfänglich wie eine gute Lösung für die Probleme im Rotlichtmilieu aussah, erweist sich seit Jahren als absolut unzureichend. Auch die Reform zum Prostituiertenschutzgesetz 2017 konnte der Gewalt und den ausbeuterischen Bedingungen in der Prostitution kein Ende setzen. „Die Prostitutionsgesetzgebung in Deutschland ist gescheitert“, sagt Simone Kleinert vom Bündnis Nordisches Modell anlässlich des Internationalen Tags gegen Prostitution am 5. Oktober. „Die Lebensbedingungen der Prostituierten haben sich unter den Prostitutionsgesetzen nicht verbessert. Vielmehr hat die liberale Gesetzgebung die Nachfrage nach Prostitution angekurbelt und Deutschland zu einem der attraktivsten Zielländer für Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung gemacht“, so Kleinert weiter.
Dies belegen auch Einschätzungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die in einem jüngst veröffentlichten Bericht unterstreicht, dass die Reduzierung der Nachfrage nach käuflichem Sex das wirkungsvollste Instrument im Kampf gegen Menschenhandel sei. Deutschland hat sich mit der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels 2013 verpflichtet, die Nachfrage als eine der Hauptursachen für Menschenhandel anzuerkennen und dieser folglich entgegenzuwirken. Dass hierzulande so wenig dafür getan wird, sieht das Bündnis Nordisches Modell in dem deutschen Sonderweg begründet. Deutschland unterscheidet zwischen der freiwilligen Prostitution und den sauberen Bordellen auf der einen Seite und der Zwangsprostitution und dem Menschenhandel auf der anderen Seite. In der Praxis ist diese Unterscheidung jedoch nicht haltbar. Menschenhandel findet in legalen Bordellen und die Zwangsprostitution auf dem Straßenstrich in der Mitte deutscher Städte statt. Bereits 2011 hatten Forscher der Universitäten Göttingen und Heidelberg in einer Studie belegt, dass eine liberale Gesetzgebung zu mehr Menschenhandel führt. Eine hohe Nachfrage vergrößert den Prostitutionsmarkt, der nur noch durch den Menschenhandel bedient werden kann. Prostitution und Menschenhandel sind somit untrennbar miteinander verbunden. Diese Trennung will das Bündnis Nordisches Modell überwinden und fordert daher einen ganz anderen Ansatz.
Das Bündnis Nordisches Modell will die Einführung des Nordisches Modells, auch Gleichstellungsmodell oder international Equality Model, genannt. Dieses wird bereits in Schweden, Frankreich, Irland und weiteren Ländern umgesetzt. „Gegen Prostitution zu sein, heißt sich gegen ein System der Gewalt zu richten und dabei mit den Betroffenen solidarisch zu sein, statt Prostitution weiter als Beruf zu verklären“, betont Kleinert. Das Gleichstellungsmodell sieht die Entkriminalisierung der Prostituierten und flächendeckende Ausstiegsprogramme für Betroffene vor. Außerdem ist der Sexkauf strafbar. Denn nur wenn die Nachfrage als Motor des ausbeuterischen Systems Prostitution adressiert wird, kann die Gewalt und Menschenhandel nachhaltig bekämpft werden. 20 Jahre experimentieren sind genug. Jetzt ist Zeit umzudenken – das ist Deutschland den Betroffenen schuldig.
Das Bündnis Nordisches Modell ist ein Bündnis von über 45 bundesweit zivilgesellschaftlich engagierten Vereinen, Netz-werken und Initiativen sowie engagierten Einzelpersonen, das sich gemeinsam für ein Umdenken in der Prostitutionspolitik in Deutschland einsetzt.
Das Bündnis Nordisches Modell fordert die Einführung des Nordischen Modells, auch Gleichstellungsmodell oder international Equality Model genannt: Entkriminalisierung der prostituierten Menschen, Auf- und Ausbau bundesweiter und flächendeckender Ausstiegshilfen, Schutz und Unterstützung für Betroffene, Aufklärung- und Präventionsarbeit über das System Prostitution und die generelle Kriminalisierung von Profiteuren wie Freiern sowie Zuhältern, Bordellbetreibenden und Menschenhändlern, völlig unabhängig von Opferaussagen.
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