Der Tag, an dem wir aufhören zu shoppen –
Wie ein Ende der Konsumkultur uns selbst und die Welt rettet
Verlag: Penguin, München; 2021
480 Seiten
Gebundene Ausgabe 20,00 €
Kindle 12,99 €
ISBN-10: 3328600906
ISBN-13: 978-3328600909
Die Sachlage ist so einfach wie bestechend: Konsum ist notwendig, Überkonsum schädlich. Auf knapp 450 Seiten taucht der kanadische Autor James B. MacKinnon in die globalen Einkaufswelten ein und veranstaltet ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn wir aufhörten zu shoppen? Was passierte dann mit unserer Welt, die doch bekanntlich auf Wirtschaftswachstum und Konsumsteigerung aufgebaut ist?
Um Antworten darauf zu finden, führt der Autor Expertengespräche und führt den Lesenden in konsumarme Welten in Afrika und Japan. Ebenso werden geschichtliche Zäsuren als Beispiel für eine konsumarme Welt genannt, wie die Ölkrise, die Bankenkrise oder der Zerfall der UDSSR – und natürlich die Corona-Krise. Aktuell könnte man auch den Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Energiekrise und Inflation anführen, die zu einem Rückgang des Konsums führen dürfte.
Der Autor stellt schonungslos fest: „Wir können nicht aufhören einzukaufen; wir müssen aufhören einzukaufen. Der Konsum verändert nicht nur das Klima, vernichtet die Wälder, überlädt unser Leben, füllt unsere Köpfe mit einer Wegwerfeinstellung und stiehlt die Sterne vom Nachthimmel … Egal welchen Weg wir einschlagen, wir sind zum Untergang verurteilt … wir konsumieren andere und uns selbst“ (S. 412). Seine These: Nur mit bewusstem Konsumverzicht können wir unsere Welt noch retten: „Ein einfaches Leben mündet in ein noch einfacheres, und dieses führt seinerseits zu größerer Einfachheit, bis wir schließlich wieder gelernt haben, so zu leben, … dass wir nicht jedes Ding konsumieren wollen“ (S. 428).
Zum Inhalt
Ganz konkret geht MacKinnon der Frage nach: Was würde mit unserer Welt passieren, wenn sich der Konsum um 25 Prozent reduzieren würde? In vier Teilen beschreibt er die Reaktion der Welt nach einer abrupten Konsumreduktion. Teil eins widmet sich den Folgen der ersten Tage nach der Katastrophe. Wie geht es dem Menschen ohne Konsum? Leidet er und wie findet er neue Orientierung? Wie geht es der Umwelt mit Flora und Fauna? Als kleines Beispiel führt er den Rückgang der Lichtverschmutzung in Ballungszentren an. Teil zwei beschreibt den tatsächlichen Zusammenbruch der Wirtschaft. Das „Konsumdesaster“ wird allerdings nicht als Weltuntergang dargestellt, sondern als Anpassungsleistung der Menschheit mit großen Chancen für alle Bewohner des Planeten.
Teil drei zeigt die nötige Anpassung auf. Die Lebensart der Menschen würde sich vom Konsum von Waren zur Produktion hin verschieben. Neue Prioritäten und Geschäftsmodelle würden entstehen. Die Lebensdauer unserer Besitzgüter würde steigen und somit die Wertschätzung ihnen gegenüber. Gesellschaftliche Trends wie Fast Fashion und Fast Food würden ihre Bedeutung verlieren. Stattdessen würde das allgemeine Bewusstsein für verdeckten Konsum steigen und eine Transformation in Gang setzen. Teil vier trägt utopische Anklänge der konsumarmen Welt: Flora und Fauna erholen sich sichtbar, das persönliche Glück kehrt wieder ein, die Menschheit konsumiert ressourcenschonend digital und lebt in freiwilliger Einfachheit ein Selbstversorgerleben. Die Weltbevölkerung stagniert.
Zum Punkt
Der Autor schreibt unterhaltsam, jedoch etwas sprunghaft und lässt einen durchgängigen Stil vermissen. Dabei legt er jedoch schonungslos moderne Fehlentwicklungen offen und gibt sich durchaus selbstkritisch. Die geschichtlichen Darstellungen lesen sich durchaus flüssig und regen zum Nachdenken an. Die Interviews geben nuancierte Einblicke in die Welt des (De-)Konsums. Die charmanten Ausflüge in die Gegenbewegungen zur Konsumkultur werden dagegen nicht romantisch verklärt, sondern durchweg realistisch dargestellt. Klar wird: Es geht jeden etwas an. Wir müssen als Gesellschaft handeln und einen Gang rückwärts schalten, um unseren Planeten nicht überzustrapazieren. Und doch scheint die Steigerung des Konsums unsere Wirtschafts- und Wohlstandsgrundlage zu sein, ganz nach dem Motto: Geiz ist geil.
Die Lösung des „Konsumdilemmas“ liegt tatsächlich im Verzicht. Jeder ist aufgerufen, sein Konsumverhalten zu reflektieren und sich einmal selbstkritisch zu fragen, wo das Shopping mehr der Selbstwert-Therapie als dem Selbsterhalt dient. Eine einfache Lösung gibt es jedoch nicht, denn der Fehler liegt bereits im (Wirtschafts-)System. Es ist eben nicht einfach damit getan, ein Selbstversorgerleben auf dem Land, fernab von Ballungsräumen zu starten, so verführerisch dies für manch stadtmüden und Burn-out gefährdeten Manager klingt. Stattdessen benötigen wir ein breitflächiges Bewusstsein für den Schaden des Überkonsums, damit politisch gehandelt werden kann. Nur so wird sich langfristig das Umdenken einstellen: Weniger ist mehr.
Claudia Mohr
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