Lisbeth Schröder schreibt am liebsten zu psychologischen Themen, aber auch zu Medizin, Klima und Gesellschaft. Sie studierte Biologie und arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin. Dabei fühlt sie sich nicht nur schreibend wohl, sondern filmt, konzipiert und experimentiert – beispielsweise für den Spiegel, die ZEIT und arte. Ihre Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule (DJS) absolvierte sie von Oktober 2017 bis März 2020 in der Klasse 56A.
Frau Schröder, wollten Sie schon immer Journalistin werden?
Am Anfang meines Biologie-Studiums standen noch ganz andere Dinge im Raum, wie beispielsweise Zoo-Kuratorin oder Forscherin. Als studentische Hilfskraft im Labor habe ich gemerkt, wie spannend diese Themen zwar sind, dass ich aber lieber etwas abwechslungsreicher arbeiten möchte.
Wie haben Sie sich während der DJS-Ausbildung verändert?
Ich habe angefangen, ein neues Netzwerk aufzubauen, da ich vorher ja nur in den Wissenschaftskreisen unterwegs war. In der DJS habe ich viele Journalist:innen kennengelernt und das Selbstbewusstsein entwickelt, den Schritt in den Wissenschaftsjournalismus zu wagen.
Wie war das Miteinander unter den Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften in Ihrem Jahrgang?
Ich war die einzige „reine“ Naturwissenschaftlerin und habe immer versucht, wissenschaftliche Themen und die wissenschaftliche Perspektive einzubringen. Hier und da habe ich auch versucht, Kontakte in die Naturwissenschaften zu vermitteln. Die Anderen waren viel vernetzter und kenntnisreicher in der Journalismus-Welt. Da habe ich viel gelernt.
Erzählen Sie oder erklären Sie lieber?
Ich war lange dem Erzähl-Journalismus sehr nah, versuche mittlerweile aber beides: Einerseits wissenschaftlich gut zu erklären und andererseits eine spannende Geschichte zu erzählen. Wie man beim Erzählen lernt, den Aufbau einer Geschichte zu gestalten, kann man auch gut auf andere Textsorten anwenden. Dadurch fällt es mir leichter, Struktur in meinen Texten zu finden.
Arbeiten Sie lieber allein oder im Team?
Ich arbeite auf jeden Fall lieber im Team. Sehr gern mit Menschen, die einen ganz anderen Hintergrund haben, wie im letzten Jahr in einem Atelier, in dem ich gemeinsam mit Illustrator:innen und Kommunikationsdesigner:innen gearbeitet habe. Jetzt gerade bin ich in einer Orientierungsphase und arbeite seit etwa zwei Jahren als freie Journalistin, möchte aber wieder mehr im Team arbeiten.
Welche Formate möchten Sie denn gern einmal ausprobieren?
Im letzten Jahr habe ich das Instagram-Format Into-Therapy zum Thema Psychotherapie gemacht, so etwas Ähnliches würde ich gern weiterführen und dabei selbst noch mehr vor der Kamera stehen.
Sie haben schon in Rumänien journalistisch gearbeitet. Wie haben Sie das erlebt?
Ich habe im Rahmen der Internationalen Journalisten Programme (IJP) in Bukarest gewohnt und für die in Rumänien erscheinende Allgemeine Deutsche Zeitung (ADZ) berichtet. Ende Oktober 2021 begann diese intensive, durch Corona geprägte Zeit, in der es zunächst schwierig war, Anschluss zu finden. Später konnte ich aber investigative Recherchen in Bergdörfern und auf illegalen Müllkippen machen. Dabei habe ich viel gelernt: Politiker:innen erreicht man dort am besten per Telefon oder Social Media, nicht per Mail. Die Behörden arbeiten langsamer und die Bedeutung von Presse scheint niedriger zu sein.
Sind Sie dort auf Widerstände gestoßen, die Ihre Arbeit erschwert haben?
Die Müllrecherche war sehr herausfordernd, weil es bei einem Unternehmen ein laufendes Verfahren wegen illegalen Mülls gab. Da benötigten wir auch juristische Beratung.
Sie möchten Menschen berühren mit Ihren Texten. Wie machen Sie das im Wissenschaftsbereich?
Es ist gut, Wissenschaftsthemen mit gesellschaftlichen Fragen zu verbinden. Bei Pränatal-Diagnostik ist das zum Beispiel sehr offensichtlich. Ein anderes Mal schrieb ich über einen Walretter, da stand neben dem Thema Artenschutz beispielsweise das Motiv des Helfens im Fokus. Ich versuche, Menschen mit ihren Grundbedürfnissen oder Emotionen zu zeigen, die jeder von sich selbst kennt, und damit gleichzeitig wissenschaftliche Themen interessant zu machen.
Sie schreiben also sehr viel über die Forschenden selbst? Inwieweit personalisieren Sie da?
Ich schreibe eher über spannende, engagierte Menschen aus der Zivilbevölkerung. Diese Protagonist:innen verknüpfe ich dann mit Forschenden.
Hat die Wissenschaft mehr oder weniger solcher spannenden Geschichten parat als andere Bereiche wie Politik oder Wirtschaft?
Ich finde, das Erzählen könnte in den wissenschaftlichen Themen noch stärker eingesetzt werden, wie es in anderen Ressorts schon gemacht wird. Das kann zum Beispiel genutzt werden, um den Alltagsbezug von Forschung herauszuarbeiten.
Was machen Sie, wenn Sie gerade nicht am Schreibtisch sitzen?
Ich hatte einen Tag vor diesem Interview eine Tanzaufführung, ich tanze sehr gern. Ansonsten schaue ich gerne Filme, treffe mich mit Freunden und habe während Corona auch Acrylgießen entdeckt.
Was waren Ihre ersten Erfolge als Journalistin?
Artikel bei der Zeit, die oft unter den „Meistgelesenen“ waren, die Nominierung zum Holtzbrinck-Preis für Wissenschaftsjournalismus und das Into-Therapy-Projekt mit meiner Kollegin Corinna Hartmann. Bei Letzterem hatten wir das Gefühl, wirklich etwas zu bewegen. Zum Beispiel hat mir ein Besucher erst vor ein paar Tagen erzählt, dass ihm die Tipps, die er dort bekommen hat, durch eine schwierige Phase geholfen haben.
Welche Vision haben Sie für den Wissenschaftsjournalismus? Was muss in den nächsten zehn Jahren passieren?
Der Wissenschaftsjournalismus sollte die Folgen der Berichterstattung noch mehr im Blick haben. Es kann nicht sein, dass ein Boulevard-Blatt etwa Forschende an den Pranger stellt und so tut, als würden sie die Bevölkerung manipulieren. Wir müssen schauen, welche Folgen gewisse Formulierungen oder ein gewisses Framing haben, damit wir nicht die Hetze gegen die Wissenschaft verstärken oder Gruppen wie Menschen mit psychischen Krankheiten noch zusätzlich stigmatisieren. Außerdem sollte der Wissenschaftsjournalismus emotionaler und lockerer werden, damit er auch für jüngeres Publikum spannend ist. Es lohnt sich, wissenschaftliche Themen mit anderen gesellschaftlichen Bereichen zu verknüpfen. Der Wissenschaftsjournalismus kann auch noch investigativer werden – mit mehr Mut, Menschen zu konfrontieren.
Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de
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