Die armenische Bevölkerung und ihr kulturelles Erbe sind gefährdet“, ist Professor Thomas Schwartz, der Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis, besorgt. Dies gelte seit der jüngsten Eskalation des Konfliktes mit Aserbaidschan nicht mehr nur für die Region Bergkarabach, sondern immer mehr auch für das Kernland. „Wir müssen aufpassen, dass Armenien mit den dort lebenden Christin­nen und Christen in ihrer bis auf das dritte Jahrhundert zurückreichen­den Apostolischen Kirche und deren kostbaren Kulturzeugnissen nicht zwischen der Türkei und Aserbaidschan aufgerieben werden,“ mahnt der Renovabis-Chef mit Blick auf die schwierige Position des Landes.

„Es schmerzt mich, dass Waffengewalt über Diplomatie und Dialog zu siegen scheint“, zeigt sich der Geistliche resigniert angesichts des ständigen Bruches des von Russland vermittelten Waffenruhe zwischen Armenien und Aserbaid­schan und des enormen Eskalationspotentials im Kaukasus. Er sieht in dieser Weltgegend am Rande Europas die Armenier in einer besonders schwierigen Situation: „Sie werden aus Bergkarabach vertrieben, armenisches Kulturgut wird zerstört und nun müssen sie angesichts der militärischen Eskalation um Leib und Leben fürchten.“ Nach Schwartz verliert die Menschheit mit der systematischen Zerstörung von Erinnerungsstätten und von Kirchen der unwiederbringlich bedeutende und einmalige Kulturdenkmäler.

Nach Ansicht von Renovabis braucht es in dieser Region dringend ein Engagement der Weltgemeinschaft, von den Vereinten Nationen, der OSZE und der EU. Die Europäische Union warnt Schwartz jedoch angesichts des Gas-Deals mit Baku vor einer Doppelmoral. „Eine zunehmende Energie­abhängigkeit der EU von Aserbaidschan darf nicht dazu führen, dass die aktuelle Aggression, die Menschenrechte und drohende Zerstörung von armenischen Kulturgütern ohne Kritik bleiben.“ Vielmehr müsse der Einfluss der EU und die wirtschaftlichen Verbindungen zum Land am Kaspischen Meer genutzt werden, um zu Deeskalation und Befriedung beizutragen. „OSZE-Friedenstruppen könnten ein gutes Instrument sein“, so Schwartz. Dem dürfte sich auch die EU nicht verschließen.

Das Osteuropa-Hilfswerk sieht sich auch selber gefordert, macht Schwartz, der am Mittwoch zu einer Projektreise ins benachbarte Georgien aufbrechen wird, deutlich. Renovabis sei bereit den mehreren Tausend armenischen Binnenflüchtlingen zu helfen, wie zuletzt auch 2020 durch Nothilfe in Kooperation mit Caritas International und deren kirchlichen armenischen Einrichtungen. Dies sei mit Blick auf den bevorstehenden Winter und die schwierige wirtschaftliche wie soziale Situation im Land dringlich. „In den umkämpften Gebieten ist die beißende Kälte eine weitere unbarmherzige Kriegspartei“, so Schwartz.

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