Lena Puttfarcken hat Wissenschaftskommunikation in Karlsruhe und Journalismus in München studiert und war 2018 bis 2019 auf der Deutschen Journalistenschule (DJS). Sie arbeitet für die Umweltredaktion des SWR, die digitale Redaktion von Quarks und als akademische Mitarbeiterin am Karlsruher Institut für Technologie. 2020 erhielt sie als Teil der Abschlussklasse 56B für „Der erste Tag der AfD“, ein dreiteiliges Podcast-Projekt, den Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus.
Frau Puttfarcken – wollten Sie schon immer Journalistin werden?
Ich wollte schon sehr lange Journalistin werden, seit ich 12 oder 13 war, weil ich immer gern geschrieben habe. Außerdem lerne ich gern Neues dazu und bin schlecht darin, mich für ein Thema zu entscheiden. Im Journalismus kann man sich ja immer wieder verschiedenen Bereichen widmen, was ich sehr schön finde. Mein Biologielehrer hat mich damals auf den Wissenschaftsjournalismus gebracht. Das war das erste Mal, dass ich dachte: Stimmt, man kann das ja kombinieren.
Empfinden Sie heute Schwierigkeiten beim Wechsel von der Wissenschaftlerin zur Journalistin?
Ich habe diesen Wechsel ja jeden Tag und es ist schon herausfordernd. Als Journalistin muss ich meinen Anspruch oft zurückschrauben, wenn ich zu genau sein möchte. Aber natürlich ist es hilfreich, wenn man wissenschaftlich denken kann und weiter an den wissenschaftlichen Prinzipien festhält.
Welche ist Ihre intensivste Erinnerung an die DJS-Zeit?
Die gesamte Zeit war sehr, sehr intensiv. Ich fand es total spannend, dass sich unsere Klasse im Radio-Block für Umwelt und Klima entschieden hat. Ich war damals die einzige in meiner Klasse mit naturwissenschaftlichem Hintergrund und fand es schön, dass wir ein Thema gewählt haben, das mich schon immer interessiert hat.
Auch in besonderer Erinnerung ist mir unser Podcast „Der erste Tag der AfD“, in dem wir die Gründung und den Aufstieg der Partei beschrieben haben. Dafür saß ich mit einer Kommilitonin im Keller eines AfD-Gründers und wälzte Aktenordner über Aktenordner.
Wie konnten Sie Ihre Mitschülerinnen und -schüler im Radio-Block mit Ihrem naturwissenschaftlichen Hintergrund unterstützen?
Wir haben uns eigentlich immer gegenseitig unterstützt. Ich hatte beim Thema Klimawandel zwar vielleicht schon mehr Einblicke in die Forschung und konnte fachlich helfen. Dafür wussten andere deutlich mehr übers Radiomachen und Moderieren, sodass wir gegenseitig voneinander gelernt haben.
Wie war es für Sie, die einzige mit „naturwissenschaftlicher Brille“ in Ihrer DJS-Klasse zu sein?
Ich habe schon gemerkt, dass die anderen bis dahin einen anderen Fokus hatten. Mir fielen Inhalte wie Statistik und der Umgang mit wissenschaftlichen Daten leichter. Hingegen fielen mir die Meinungsbeiträge schwer, weil ich mich zu sehr auf die Fakten und das Abwägen konzentrierte. Insgesamt habe ich über den Wissenschaftsjournalismus hinaus einen neuen Blick auf Journalismus gewonnen, was mir sehr geholfen hat.
Hat die Zeit also eine Veränderung für Ihr Schreiben mit sich gebracht?
Auf jeden Fall, vorher habe ich mich mit learning by doing über Praktika durchgeschlagen. Nach der DJS hatte ich das Gefühl, dass ich jetzt die Formatvielfalt kenne und strukturierter recherchieren kann. Nach der Ausbildung habe ich mich viel mehr als professionelle Journalistin gefühlt.
Was war Ihr erster großer Erfolg als Wissenschaftsjournalistin? Worauf sind Sie besonders stolz?
Das war mein erstes 30-minütiges Radio-Feature bei SWR2 Wissen zu Politikerinnen und Politikern, die den Klimawandel leugnen. Ich absolvierte ein Praktikum in der multimedialen Redaktion SWR Wissen aktuell und stellte diese spannende Recherche im Anschluss als meinen ersten größeren freien Auftrag fertig.
Erklären Sie uns bitte in einem Satz, was Sie aktuell in Ihrem Forschungsprojekt am KIT erforschen!
Ich erforsche den Corona-Diskurs in Deutschland und wie in der öffentlichen Diskussion Argumente aus der Wissenschaft behandelt werden.
Was war bis jetzt der überraschendste Befund?
Ich bin noch in der Erhebung, aber ich kann bereits sagen, dass der Diskurs sehr männlich geprägt war. In der späteren Analyse erwarte ich, dass sich sehr viele Argumente des Corona-Diskurses sehr stark wiederholen werden. Dass bestimmte diskursive Schleifen immer wieder gedreht werden müssen und Forschende wenig an bereits vorher Kommuniziertes anknüpfen konnten. Hier stellt sich die Frage, ob es einen effektiveren Weg gibt, Wissenschaft zu kommunizieren.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen bei Markus Lanz und werden gefragt, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der nächsten Pandemie besser kommunizieren sollen. Was antworten Sie?
Ich glaube, Sie machen schon sehr viel richtig und haben sich aus der Komfortzone herausgewagt. In der Medienberichterstattung ist allerdings einiges schiefgelaufen, wie die Lockdown-Macher-Story der BILD zeigt. Da bin ich ratlos, warum etliches von dem verfügbaren Wissen von Journalistinnen und Journalisten nicht aufgegriffen wurde.
Was würden Sie Journalistinnen und Journalisten raten?
Es ist nach wie vor sinnvoll, sich mit wissenschaftlichen Methoden auseinanderzusetzen, auch wenn das bisher nicht der Fokus eurer Arbeit war. Wir leben in einer wissenszentrierten Gesellschaft, der es guttut, wenn die Medienschaffenden die Methoden wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns verstehen. Ansonsten würde ich raten: Immer versuchen, das Beste zu geben und transparent zu sein. Und Fehler passieren einfach.
Hat die Corona-Pandemie auch positive Konsequenzen?
Am Anfang hoffte ich, dass Wissenschaft mit der Pandemie stärker als Grundlage für politische Entscheidungen verstanden wurde. Mittlerweile glaube ich, dass die Corona-Kommunikation der Klimakommunikation stark geschadet hat. Es setzt eine Krisenmüdigkeit ein, die ich persönlich sogar nachvollziehen kann. Das Problem ist nur, dass uns in der Klimakrise die Zeit davonläuft. Vielleicht war die Pandemie aber auch ein Weckruf und wir schauen in fünf Jahren noch einmal anders auf diese Zeit.
Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Ich verlasse die Wissenschaft Ende September und konzentriere mich dann ganz auf den Wissenschaftsjournalismus. Dort bin ich momentan vor allem mit einem SWR-Projekt für Klimajournalismus beschäftigt.
Was möchten Sie noch einmal ausprobieren im Journalismus?
Investigative Projekte reizen mich, auch wenn man dafür sehr hart arbeiten muss. Dieses wochenlange Recherchieren und Eingraben in Themen finde ich super.
Was ist Ihre Vision für den Wissenschaftsjournalismus?
Es sollte mehr Austausch zwischen den journalistischen Ressorts geben, damit wissenschaftliche Expertise in alle Bereiche einfließen kann. Zum Beispiel Klima-Expertise, weil dieses Thema so übergeordnet ist. Natürlich müssen wir auch noch viel mehr Menschen erreichen, die der Wissenschaft nicht per se schon positiv gegenüberstehen. Es ist ja nicht immer alles Krisenberichterstattung, es gibt doch so viele spannende Themen!
Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de
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