Kognitive Einschränkungen nach Corona-Infektion
Professor Dr. Mario Siebler, Chefarzt der Neurologie in der MEDICLIN Fachklinik Rhein/Ruhr, stellt die provokative Frage „Führt Corona zu Demenz?“.
Denn: „Post COVID-Betroffene und an Demenz erkrankte Menschen im Frühstadium berichten von sehr ähnlich ausgeprägten Symptomen“, sagt Siebler. „Die kognitiven Einschränkungen bei Post COVID-Erkrankten und dementen Personen sind auf den ersten Blick ähnlich, unterscheiden sich aber bei genauerem Hinsehen“, betont er. „Entscheidend ist: Sind die Einschränkungen bei Post COVID-Erkrankten dauerhaft oder können sie durch eine geeignete Therapie rückgängig gemacht werden?“
Um diese Frage zu beantworten, geht Siebler an den Anfang der Corona-Pandemie zurück: „Zu Beginn wurde Corona als Lungenkrankheit eingestuft, die häufigste Langzeitfolge waren Luftnot und Geruchsstörungen. Mittlerweile wissen wir, dass viele weitere Symptome dazugehören können und dass sich Symptome auch erst viel später einstellen können: Müdigkeit/Fatique, Muskelschmerzen, kognitive Störungen, Herzprobleme, Hauterscheinungen, Nierenerkrankungen, Diabetes oder psychische Erkrankungen wie Depressionen und Schlafstörungen.“
Brain Fogging: Wenn das Gehirn vernebelt ist
Ein Symptom, das sowohl bei Post COVID als auch bei Demenzen wie Alzheimer auftritt, ist das sogenannte „Brain Fogging“. „Brain Fogging kann man mit Gehirnvernebelung übersetzen“, erläutert der Neurologe. „Betroffene fühlen sich wie im Nebel und haben das Gefühl, nicht mehr klar denken zu können. Das äußert sich u. a. in Gedächtnisstörungen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Vergesslichkeit oder Wortfindungsproblemen.“
Er ergänzt: „Einschränkungen der Hirnleistung erleben auch einige depressive Menschen als ein Symptom ihrer Depression. In diesem Fall wissen wir, dass es sich um eine sogenannte Pseudodemenz handelt. Das bedeutet, dass die eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten mit der psychischen Erkrankung zusammenhängen und sich wieder verbessern, wenn die Depression erfolgreich behandelt wurde. Um eine Pseudodemenz zu erkennen, ist eine exakte Diagnostik wichtig.“
Welchen Effekt hat die Reha?
Da Post COVID neben den kognitiven Folgen viele verschiedene Symptome haben kann, ist es wichtig, verschiedene Fachbereiche in die Behandlung einzubinden und die geeigneten Untersuchungen durchzuführen. Bei MEDICLIN gibt es daher ein Expertenboard bestehend aus Mediziner*innen der Fachbereiche Neurologie, Pneumologie, Kardiologie, Innere Medizin, Diabetologie, Psychiatrie, Psychosomatik sowie optional Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Dermatologie. Diese werden je nach Fragestellung per (Tele-)Konsil eingebunden.
„Die Effekte der Reha sind messbar“, erklärt Siebler. „Die Ergebnisse unserer eigenen Patientenbefragungen und Messungen vor und nach der Rehabilitation zeigen, dass Kognitionsstörungen bei Post COVID verbessert werden können“, verrät er. „Bei einer Demenz hingegen sind die Schäden leider nicht rückgängig zu machen.
„Die Symptome nach einer Corona-Infektion, wie z. B. das Brain Fogging, können also den Symptomen einer Demenz ähneln, die Prognose ist aber deutlich besser“, fasst Siebler zusammen. „Corona führt deshalb sicher nicht zu einer Demenz, sondern eher zu einer Pseudodemenz.“
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