„Der rasende Stillstand in der deutschen Verkehrspolitik ist atemberaubend. Der Verkehrssektor tritt bei der Minderung der Treibhausgasemissionen auf der Stelle. Die bisher angedachten politischen Maßnahmen greifen viel zu kurz. Daran ändert auch das Sofortprogramm nichts. Im Gegenteil: Es ist kein gutes Zeichen, dass die Bundesregierung sich nicht wie angekündigt auf ein komplettes Sommerpaket – das heißt ein sektorübergreifendes Klimaschutz-Sofortprogramm – einigen konnte. Mit dem heute für den Verkehrssektor vorgelegten Sofortprogramm soll offensichtlich erst einmal nur die CO2-Zielverfehlung aus dem Jahr 2021 ausgeglichen werden – und das auch noch über Jahre verteilt. Eine Minimallösung also. Anreize für Ladeinfrastruktur, Radverkehr und ÖPNV sollen gestärkt werden, aber die Fehlanreize für den fossilen Autoverkehr bleiben unangetastet. Gerade im Verkehrssektor haben wir nicht die Zeit, weiter auf ein umfassendes Gesamtpaket zu warten. Die Klimaziele stehen fest und die Klimakrise drängt.
Die Bundesregierung hat mittlerweile mehrfach gezeigt, dass sie noch nicht für die Verkehrswende bereit ist: Es gibt einen Tankrabatt, der viel Geld kostet, kaum Entlastung bringt und die Abhängigkeit von Ölimporten zementiert; es gibt zwar ein europäisches Verbrenner-Aus, aber die notwendige deutliche Verschärfung der EU-Flottengrenzwerte auch in den Jahren vor 2030 bleibt aus; und es gibt weiterhin kein Tempolimit auf deutschen Autobahnen, obwohl es sofort wirken, kaum etwas kosten und obendrein auch noch schwere Unfälle reduzieren würde.
Wer solche Entscheidungen trifft, muss an anderer Stelle umso mehr klotzen. Erforderlich sind insbesondere grundlegende Reformen von nationalen Fiskalinstrumenten wie Kfz-Steuer, Kaufprämie, Dienstwagenbesteuerung, Pendlerpauschale, Pkw-Maut und CO2-Preis in Kombination mit einer Klimaprämie. An all diesen Stellen geht es darum, systematisch klimaschädliche Privilegien und Subventionen abzubauen und für mehr Klimaschutz und soziale Ausgewogenheit zu sorgen. Zusammen mit Fördermaßnahmen für klimafreundliche Verkehrsmittel und einem Rechtsrahmen, der die Kommunen als Gestalterinnen der Verkehrswende stärkt, ergäbe das ein wirkliches Gesamtpaket für den Klimaschutz.
Wir hatten schon vor der Bundestagswahl empfohlen, dass die neue Bundesregierung in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit ein Gesamtkonzept für den Kurs auf Klimaneutralität im Verkehrssektor vorlegt. Denn es mangelt nicht an Vorschlägen, sondern an politischen Entscheidungen. Jetzt ist mehr als ein halbes Jahr vergangen und ein Gesamtkonzept ist noch immer nicht in Sicht. 2022 wird also, wenn es so weitergeht, ein weiteres verlorenes Jahr für die Verkehrswende sein.“
Wiebke Zimmer ist Mitglied im Expertenbeirat Klimaschutz in der Mobilität des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Einen Vorschlag für ein Gesamtkonzept zum Erreichen der Klimaziele im Verkehrssektor hat Agora Verkehrswende im Politikpapier „Vier Jahre für die Fairkehrswende“ vorgelegt (online unter: https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/vier-jahre-fuer-die-fairkehrswende/).
Agora Verkehrswende ist ein Thinktank für klimaneutrale Mobilität. Im Dialog mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft setzt sich die gemeinnützige Organisation dafür ein, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor auf null zu senken. Dafür entwickelt das Team wissenschaftlich fundierte Strategien und Lösungsvorschläge. Initiiert wurde Agora Verkehrswende Mitte 2016 mit Sitz in Berlin von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation. www.agora-verkehrswende.de
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