Der Bundestag wird heute das Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen beschließen. Der Regierungsentwurf wurde in einigen Punkten weiterentwickelt. Die nächste Hauptversammlungssaison wird zeigen, ob das Gesetz den Praxistest besteht. Das Deutsche Aktieninstitut fordert, in einem zweiten Schritt das Beschlussmängelrecht zu reformieren, um dem Ziel einer echten Debattenkultur während der Hauptversammlung näher zu kommen.

„Wir begrüßen die Einführung der virtuellen Hauptversammlung, mit der die Politik einen wichtigen Schritt in Richtung Digitalisierung der Aktionärstreffen von Unternehmen macht. Ob damit allerdings der von der Regierung angestrebte große Wurf gelungen ist, wird erst die nächste Hauptversammlungssaison zeigen. Angesichts der weiterbestehenden Rechtsunsicherheiten zum Beispiel beim Fragerecht bleiben Zweifel“, betont Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts. 

Regelungen zur Versammlungsleitung verbessert

Während nach der bisherigen Regelung im Regierungsentwurf der Versammlungsleiter nur das Frage- und Rederecht des Aktionärs zeitlich angemessen beschränken konnte, ist nun klargestellt, dass sich diese Befugnis auf alle Arten von Fragen und die Redezeit bezieht.

Die im Regierungsentwurf vorgesehene Möglichkeit, bei verbleibender Versammlungszeit nach allen Redebeiträgen weitere Fragen zuzulassen, hat der Bundestag gestrichen. Damit wird die Komplexität der Durchführung der Hauptversammlung etwas gesenkt und die Entscheidung letztlich wie bei der Präsenz-Hauptversammlung auch dem Versammlungsleiter überlassen.

Zu begrüßen ist auch, dass Unternehmen die Stellungnahmen der Aktionäre zum Bericht des Vorstands, zur Tagesordnung oder zu anderen Aspekten nicht der Allgemeinheit zur Verfügung stellen müssen, sondern lediglich den zur Hauptversammlung angemeldeten Aktionären.

Ein wichtiger Beitrag für die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptversammlung ist die jetzt aufgenommene Regelung, die es Unternehmen erlaubt, die Funktionsfähigkeit der Videokommunikation mit den Aktionären zu testen, die Redebeiträge angemeldet haben. Auf diese Weise kann technischen Problemen vorgebeugt werden.

Doppeltes Fragerecht bleibt bestehen

Geblieben ist das von den Unternehmen kritisierte doppelte Fragerecht – vor und während der Hauptversammlung. Auch wenn der Vorstand das Einreichen von Fragen vor den Versammlungstag legt und alle Fragen vorab beantwortet, verbleibt das nahezu uneingeschränkte Fragerecht während der Versammlung. Die Vorabeinreichung von Fragen wird damit als Mittel zur besseren Strukturierung der Hauptversammlung untauglich. Das ist bedauerlich, haben doch die letzten Jahre gezeigt, dass die Qualität der Antworten der Unternehmen durch das Mehr an Zeit und die Möglichkeit zur Strukturierung der Antworten weiter verbessert wurden.

„Die von vielen Seiten gewünschte lebendige und offene Debatte bleibt weiterhin auf der Strecke und zwar sowohl in der Präsenz- wie in der virtuellen Hauptversammlung“, kritisiert Bortenlänger. „Eine solche kann nur entstehen, wenn Unternehmensvertreter nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen müssen. Genau das aber verhindert das geltende Beschlussmängelrecht. Hier besteht erheblicher Reformbedarf. Die Politik muss das Thema deshalb noch in dieser Legislaturperiode angehen“, fordert sie.

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