Menschen in Förderschulen und Psychiatrien, ihre Befindlichkeiten vor der Kamera sichtbar gemacht, würdevoll, überraschend: „Was bleibt – von den Menschen und ihren Orten? Fotografien von Heiko Tiemann“ ist vom 26. Juni bis zum 16. Oktober 2022 im Rundeindicker auf Zollverein zu sehen. Es ist die dritte Schau im Rahmen der Reihe „Aktuelle Fotografie im Ruhrgebiet. Pixelprojekt auf Zollverein“, präsentiert vom Pixelprojekt_Ruhrgebiet und der Stiftung Zollverein in Kooperation mit dem Ruhr Museum.

„Mein Interesse gilt vorrangig den Menschen“, sagt Heiko Tiemann. Es sind Menschen, die sich durch Geburt, Schicksal, Krankheit oder ihr Alter in einer besonderen Lebenssituation befinden. Für die Ausstellung auf Zollverein wurden drei Serien zusammengestellt, die Tiemanns Entwicklung als Vertreter einer aktuellen sozialen Fotografie zeigen.

Die Serie „Zufügung“ entstand in den Jahren 2012 bis 2015 an verschiedenen Förderschulen und Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf in Duisburg. „Eine Freundin von mir hatte an einer Förderschule gearbeitet und mir von ihrer Arbeit und den Kindern erzählt“, sagt Tiemann. Das interessierte ihn so sehr, dass er Kontakt zur Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrern sowie den Eltern der Kinder aufnahm. Schließlich zu den Schülerinnen und Schülern, die er einmal pro Woche besuchte, „zunächst ohne Kamera, zum Kennenlernen und dann zum Fotografieren“, erklärt Tiemann. „Am Tag fotografierte ich ein bis zwei Kinder/Jugendliche, ausschließlich mit natürlichem Licht situativ in den Räumen der Schulen oder in deren Außenbereichen. Der ganze Prozess ging über drei bis vier Jahre. Insgesamt habe ich bei diesem freien Projekt rund 70 bis 80 Portraits fotografiert.“ Diese poetische Arbeit bringt den Betrachterinnen und Betrachtern die portraitierten Kinder nicht nur optisch nah, sondern erlaubt auch einen mitfühlenden Blick, der versucht, die Seelenlage der Abgebildeten emotional nachvollziehbar zu machen. Die Menschen rücken aus dem Abseits ins Zentrum der Wahrnehmung.

Tiemanns Fotoserien „Geister“ und „Prolog“ entstanden 1994 in der geriatrischen Psychiatrie eines Seniorenstifts in Waltrop. In der Serie „Geister“ arbeitet er in Schwarzweiß mit Bildpaaren, die durch die teilweise abgedeckte Belichtung des analogen Filmmaterials sowie durch das Rückspulen und Neubelichten des Films gezielten Zufälligkeiten ausgesetzt sind. So entstehen überraschende Bilder, in welchen sich die Zeitebenen zu verschieben scheinen. In der Serie „Prolog“ wechselt der Fotograf erstmals zur Farbe und arbeitet mit ungewöhnlichen Ausschnitten und Perspektiven, mit Schärfe und Unschärfe. „Ich hatte immer den Ehrgeiz, tiefer ‚graben‘ zu wollen“, sagt Tiemann. „Daher auch die Hinwendung zur Psychologie. Aber im Herzen bin ich Künstler und möchte Bilder schaffen.“

Ausstellung:                Was bleibt – von den Menschen und ihren Orten? Fotografien von Heiko Tiemann

Öffnungszeiten:           26. Juni bis 16. Oktober 2022 täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr

Ort:                              Rundeindicker im Portal der Industriekultur, Kohlenwäsche, UNESCO-Welterbe Zollverein, Essen

Eintritt:                        2 Euro; Kinder, Jugendliche, Schülerinnen, Schüler und Studierende unter 25 Jahren frei. Enthalten in allen Kombitickets mit dem Portal der Industriekultur.

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