Der Auftakt des Star Boy Collectiv mit Reverse Colonialism! entwarf einen Staat nach afroeuropäischen Ideen, um das Migrations-Integrations-Debakel endgültig zu lösen. In der musikalischen Performance Sinfonie des Fortschritts von Nicoleta Esinencu zeigten die moldawischen Performer_innen, wie durch das kapitalistische System unablässig neue Formen der Ausbeutung und Kolonisation entstehen, und in Mount Average suchte der Künstler Julian Hetzel einen konstruktiven Umgang mit den stummen Zeugen und Symbolen überkommener Herrschaftsverhältnisse: mit Denkmälern, Statuen und Monumenten. Das Performer*innen-Duo Huysmans und Dereere gab in Pleasant Island all jenen eine Stimme, die sonst nicht gehört werden: sowohl den Geflüchteten, die von der australischen Regierung nach Nauru abgeschobenen wurden, als auch den Inselbewohner*innen, deren Lebensgrundlage durch die Ausbeutung des Phosphatvorkommens auf der Insel zerstört wurde. In UNTITLED [2020] setzten Henrike Iglesias und das Junge Theater Basel ein Ausrufezeichen hinter die Frage, ob es sich lohnt, aufzustehen und seine Stimme zu erheben, während sich Isabelle Schads Choreografie Reflection auf die Kräfte konzentrierte, die uns bewegen: Stimmlos, aber dafür die Vielstimmigkeit von Körpern in Einklang bringend, entwarf sie eine Metapher des gesellschaftlichen Zusammenlebens, in der Individuen um Existenz und Koexistenz ringen. Abgeschlossen wurde das diesjährige Festival mit dem Performancekollektiv She She Pop, das in Oratorium gemeinsam mit dem Publikum aus der Vielstimmigkeit, der Uneinigkeit und dem immer nur für Momente zu erreichenden Einklang einen kollektiven Monolog komponierten, der die Eigentumsfrage in der deutschen Demokratie eindrucksvoll und spielerisch stellte.
Ein besonderer Abend war Radio Ukraïna. Ein Live-Radio-Format zwischen Kunst und Musik, Kulturaustausch und politischem Diskurs, Literatur und bewegten Bildern. „Radio Ukraïna“ bot eine Plattform für Stimmen aus einem Land und über ein Land, in dem gerade die Grundwerte der Demokratie auf Leben und Tod verteidigt werden – und über das wir erschreckend wenig Kenntnis haben. Mit Tanja Maljartschuk, Ingo Petz, Oleksandra Bienert, Prof. Dr. Juliane Besters-Dilger, Prof. Heinrich Kirschbaum, Yuriy Gurzhy und Ganna Gryniva haben ukrainische und deutsche Kulturschaffende, Journalist*innen, Aktivist*innen, Musiker*innen und Autor*innen einen berührenden Einblick in die (künstlerische) Situation und Seele der Ukraine gegeben.
Begleitet wurden die Festival-Gastspiele und Beiträge durch ein umfangreiches Rahmenprogramm, Künstler*innen-Gespäche und weitere Kooperationspartner im Festival. So zeigte das Kommunale Kino im Festivalprogramm die Filme System K von Renaud Barret und Das neue Evangelium von Milo Rau. Im Theater im Marienbad wurde mit Die wärmsten Jahre eine wichtige Stückentwicklung und Klassenzimmerproduktion zum Thema „Klimawandel“ gezeigt. In der Bildhauerhalle des E-WERK Freiburg performte Jasmine Tutum mit Voice is Vision zur afro-europäischen Perspektive. Mit der Traumfabrik installierte die Geheimagentur vor dem Theater Freiburg eine „Traumannahmestelle“, die Träume der Freiburger*innen sammelte, um sie dann später in einem Traumfilm zu zeigen. Dr. Claudia Gatzka rundete das Festivalprogramm mit einem wichtigen Vortrag Performing Democracy seit 1918 ab.
Das Kuratorinnenteam – jeweils aus den drei Häusern – 2022 bestehend aus Sonja Karadza und Anna Fritsch (Theater im Marienbad), Tamina Theiß und Anna Gojer (Theater Freiburg) sowie Laila Koller (E-WERK Freiburg), konnte damit den Anspruch einlösen, ein sehr aktuell zeitgenössisch ausgerichtetes Demokratiefestival zu kuratieren, das das Freiburger Publikum erreichte und mit seinem Aktualitätsbezug qualitativ zu begeistern verstand.
„Performing democracy“ war seit langem wieder ein Freiburger Festival mit einem breiten Publikumszuspruch und inhaltlichem Anspruch vor Live-Publikum, dem die Inszenierungen, Gastspiele und Beiträge mehr als gerecht wurden.
Nicht zuletzt konnten mit den zum Teil preisgekrönten Inszenierungen wesentliche Gastspiele nach Freiburg geholt werden, die für aktuelle ästhetische Entwicklungen in der internationalen Performance beispielhaft waren. Der internationale Anspruch wurde mit Gruppen und Kollektiven aus Moldawien, der Ukraine, Belgien, der Schweiz und afrikanischen Solokünstler*innen eindrucksvoll unterstrichen.
Insgesamt wurden die 29 Veranstaltungen des Freiburg Festivals 2022 von 1.875 Zuschauer*innen besucht. Gefördert wurde das Festival durch die Stadt Freiburg, das Nationale Performance-Netzwerk und die Sparkasse Freiburg.
Hier finden Sie einige Festivalimpressionen: https://www.dropbox.com/sh/3wg83ubi0nbf5mr/AAANIdtFQ_DLRL0JI12-tL6Qa?dl=0
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