Ein anderthalbjähriger Junge verschluckt eine Knopfbatterie, seine Speiseröhre beginnt zu schmoren. Der Vater hat den richtigen Instinkt und bringt das Kind in die Notaufnahme der Helios St. Johannes Klinik. Dort verhindert ein Notfalleingriff Schlimmeres, denn nicht die Batterie selbst ist das Problem, sondern das, was sie auslöst. Es soll ein entspannter Besuch im Autohaus werden, doch nur wenige Stunden später liegt der anderthalbjährige Sohn von Thomas Schürer* auf der Kinderintensivstation. Anton* findet an der Verkaufstheke auf einem Schreibtisch des Autohauses eine Knopfbatterie aus einem Schlüssel, steckt sie blitzschnell in den Mund und schluckt. „Plötzlich fing er an zu weinen und ich brauchte einen Moment, bis ich verstand, was passiert war“, erzählt Thomas Schürer, der bei der Erinnerung immer noch eine Gänsehaut bekommt. Der zweifache Vater sieht den Schlüssel und erinnerte sich, aus dem Augenwinkel noch etwas dort liegen gesehen zu haben. Sofort bricht ihm der Schweiß aus, sein Sohn weint immer lauter, fasst sich an den Hals und ist kaum mehr zu beruhigen. Thomas Schürer bricht den Besuch ab und fährt mit Anton in die Kindernotaufnahme in der Helios St. Johannes Klinik. „Ich dachte mir, dass die Batterie irgendwo in seinem Hals feststeckte und nur rausgeholt werden musste, ähnlich wie eine Münze. Dass es aber so schlimm wird, hätte ich im Leben nicht erwartet.“ Was der 36Jährige – wie wohl die meisten Menschen – nicht weiß, ist, dass nicht unbedingt die Batterie selbst das große Problem ist, sondern ihre Wirkweise. Denn steckt die Knopfzelle im feuchten Gewebe der Speiseröhre fest, entsteht ein Stromfluss von sogenannten Hydroxidionen, also negativ aufgeladenen Ionen, die zu schweren Verbrennungen und Verätzungen führen können. Auch bei Anton. In der Kindernotaufnahme empfängt sie der diensthabende Arzt, lässt gleich Röntgenbilder anfertigen und hält Rücksprache mit Dr. Rüdiger Kardorff. Der 60-Jährige leitet die Sektion Kindergastroenterologie des Klinikums und ist Spezialist für alle Verdauungsorgane vom Hals abwärts. Sofort macht er sich auf den Weg in die Klinik. Für Thomas Schürer und seine mittlerweile hinzugekommene Frau beginnt eine emotionale Achterbahnfahrt. Nach einem ersten Blick auf die Röntgenbilder sind sie zunächst erleichtert: „Man konnte die Batterie als leuchtend weißen Fleck gut erkennen, weit oben direkt unterhalb des Kiefers. Die bekommen sie bestimmt schnell raus und dann ist alles gut. Haben wir gedacht.“ Doch dann teilen ihnen die Ärzte mit, was das eigentliche Problem ist: der Stromfluss, der das Gewebe schon angegriffen hatte. „Und bei Anton tickte die Uhr. Es galt zu verhindern, dass der Strom Löcher in die Speiseröhre und womöglich in die umgebenden Gewebe brannte“, erklärt Dr. Kardorff. Denn dann könnten Blutungen entstehen – im schlimmsten Fall sogar aus einer der großen Körperschlagadern – oder Bakterien zum Herzen, der Lunge oder den Blutgefäßen gelangen, die dort nichts zu suchen haben und eine tödliche Sepsis verursachen könnten. Das Team bereitet in Windeseile alles für einen Eingriff vor und schon wenige Minuten später schlummert Anton unter Narkose auf dem Tisch. Dr. Kardorff entfernt die Batterie problemlos und binnen weniger Augenblicke mit Hilfe eines Endoskops, doch die Schäden an der Speiseröhre sind immens, sie ist besonders im oberen Bereich stark geschwollen und Teile des Gewebes sind verbrannt. Da zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher zu beurteilen ist, wie tief die Schäden gehen oder ob noch Komplikationen auftreten, muss der Pädiater am nächsten Tag erneut spiegeln.  Deshalb versetzen die Ärzte den kleinen Jungen in ein künstliches Koma, um ihm zum einen die Aufregung und deine zweite Narkoseeinleitung zu ersparen und ihn zum anderen genauer überwachen zu können. Anton bekommt zudem Medikamente, die der Schleimhautschwellung entgegenwirken und eine Infektion verhindern sollen. Für seine Eltern beginnen bange Stunden, denn noch ist nicht ganz klar, wie stark die Speiseröhre beeinträchtigt ist und ob es Durchbrüche gibt. „Unseren Sohn im Koma an all den Schläuchen zu sehen, das war wirklich schlimm. Wenige Stunden vorher war noch alles in Ordnung und dann bricht einem plötzlich der Boden weg.“ Thomas Schürers Stimme hört man die Betroffenheit noch immer an. Auch wenn er weiß, dass es nahezu unmöglich ist, Kleinkinder vor allem zu schützen, macht der Gleisbauer sich Vorwürfe, nicht besser aufgepasst zu haben. „Das werde ich noch lange mit mir tragen, auch wenn wir jetzt Glück im Unglück hatten.“ Denn nach dem zweiten Eingriff am nächsten Tag hat Dr. Kardorff gute Nachrichten. Anton Speiseröhre ist zwar innen stark geschädigt, außen aber intakt. Das heißt, keine Öffnungen Richtung Herz oder Lunge. Vier Tage muss der kleine Kämpfer im Anschluss noch zur Überwachung auf der Intensivstation bleiben, wird über eine Sonde ernährt, da er noch nicht gut schlucken kann. Aber der Anderthalbjährige erträgt an Mamas Seite alles mehr als tapfer und sein Zustand verbessert sich von Tag zu Tag. Die Schwellungen im Halsbereich gehen zurück und er kann langsam aber sicher wieder weiche Nahrung zu sich nehmen. Nach dem Wechsel auf die Normalstation dauert es nicht lange, und die beiden können nach Hause entlassen werden. In den folgenden Wochen muss Anton noch mehrmals zur Kontrolle in die Klinik, aber bisher verläuft alles gut, auch wenn er noch leichte Probleme beim Schlucken hat. Für Papa Thomas Schürer ist das alles eine große Erleichterung: „Manchmal zeigt er noch auf seinen Hals und sagt ‚Aua’, aber das ist vermutlich eher die Erinnerung als ein akuter Schmerz. Ansonsten ist er fröhlich und ein Sonnenschein wie eh und je.“Und auch Dr. Kardorff ist optimistisch: „Im Moment sieht es so aus, dass wir wohl gerade noch rechtzeitig gekommen sind, um die ganz schweren Schäden zu verhindern. Man muss nur wissen, dass sich auch nach Wochen und sogar Monaten im Bereich so schwerer Schleimhautverletzungen manchmal noch Narbengewebe bildet, das beim Schlucken hinderlich sein kann.“ Bei manchen Betroffenen ist das dann so ausgeprägt, dass weitere operative Eingriffe notwendig sind, um die Speiseröhre aufzudehnen. „Ich vermute und hoffe allerdings, dass dem kleinen Anton das erspart bleibt.“ *Namen geändert Zusatzinformationen: Was tun, wenn das Kind einen Gegenstand verschlucktSo gut Eltern auch aufpassen, Babys und Kleinkinder sind wahre Meister darin, sich harmlose wie unheilbringende Dinge in Sekundenschnelle in den Mund zu stecken, denn sie erschließen sich die Welt auch über den Geschmack und das Tasten mit der Zunge. Im schlimmsten Fall verschlucken sie die Gegenstände dann sogar oder atmen sie ein. Welche Dinge meist harmlos sind und wann Eltern schnell handeln müssen:

  • Münzen
    Beim Spitzenreiter unter den verschluckten Gegenständen, den Münzen, geht es in den meisten Fällen gut aus. Sie wandern in der Regel problemlos durch die Verdauungsorgane und werden am Ende wieder ausgeschieden. Größere Münzen können allerdings, wie die Batterie im beschriebenen Fall, in der Speiseröhre stecken bleiben. Dann müssen sie ebenfalls rasch im Rahmen einer Speiseröhrenspiegelung entfernt werden, die Komplikationsgefahr ist aber geringer als bei einer Batterie. Münzen im Magen machen zunächst fast nie Probleme; sie werden ohne notfallmäßige Eile bei einer Magenspiegelung entfernt, wenn sie für mehr als einige Tage im Magen liegen bleiben.
  • Batterien
    Gefährlich wird es, wie oben beschrieben, wenn Batterien den Hals hinunterwandern. Vor allem die großen, flachen Knopfzellen mit einem Durchmesser von rund zwei Zentimetern oder mehr sind tückisch. Sie stecken oft in Uhren, Thermometern oder Fernbedienungen. Meist haben die Knopfzellen eine Spannung von 3 Volt und sind aus Lithium hergestellt. Bleibt die Knopfzelle in der Speiseröhre stecken, entsteht ein Stromfluss und dadurch kann es sehr schnell zu schweren Schäden kommen, die sich gefährlich rasch in die Umgebung ausdehnen – ein echter Notfall.

Einmal im Magen gelandet, ist weniger der Strom das Problem: Durch die ätzende Magensäure können Batterien undicht werden und Quecksilber oder ähnliche gefährliche Stoffe verlieren. Wenn Eltern also bemerken, dass ihr Kind eine Batterie verschluckt hat, ist allerhöchste Eile geboten. Das Kind muss sofort ins Krankenhaus.

Tierversuche zeigen übrigens, dass ein Esslöffel Honig alle 10 Minuten als Erste-Hilfe-Maßnahme auf dem Weg zum Krankenhaus zumindest den Stromfluss abschwächen kann. Diese Maßnahme aber nur bei Kindern über einem Jahr anwenden, jüngere Kinder dürfen noch keinen Honig zu sich nehmen.

  • Magnete
    Wegen der zunehmenden Verbreitung von Magnetspielzeug, insbesondere in Form von Kugeln, haben Notfälle durch deren Verschlucken in jüngster Zeit stark zugenommen. Eine einzelne Magnetkugel ist meist nicht gefährlich, aber wenn das Kind mehrere Magnete verschluckt, ziehen sich diese an, auch über Darmwände hinweg. Das kann zu Durchbrüchen oder Entzündungen führen. Eine Entfernung mittels Magenspiegelung sollte daher so schnell wie möglich erfolgen, bevor die Magnete in den Darm weiterrutschen und dort womöglich nur noch durch eine Operation entfernbar sind.
  • Metallische (oder andere) Gegenstände

Hier kommt es auf die Form und Größe an, etwa, ob ein Gegenstand Spitzen, scharfe Kanten oder ähnliches aufweist, was den Verdauungstrakt verletzen kann. Nach einem Röntgenbild müssen Ärzte im Krankenhaus entscheiden, ob man abwarten kann oder versucht werden muss, den Fremdkörper zu entfernen.

WICHTIG

Gut gemeinte Versuche, verschluckte Fremdkörper selbst aus dem Kind zu entfernen (z.B. durch Nachfassen im Rachen, Auslösen von Erbrechen, Zusammendrücken von Brustkorb oder Oberbauch) können gefährlich sein. Mediziner raten, auf solche Maßnahmen grundsätzlich zu verzichten.

Für die Behandler im Krankenhaus ist es zudem hilfreich, den verschluckten Gegenstand möglichst genau beurteilen zu können. Daher sollte man einen entsprechenden Vergleichsgegenstand, sofern vorhanden, immer mit in die Klinik bringen.

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