Etwa 100 Fachleute aus Bildung, Beratung, Wissenschaft und Verwaltung nahmen an der digitalen GeNIAL-Fachtagung Ende April zur Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel sowie zum dafür nötigen Wissenstransfer teil. „Dürren und Hitzewellen sowie Extremniederschläge nehmen durch den Klimawandel zu. Die Landwirtschaft muss sich anpassen, um existenz-gefährdende Ertrags- und Qualitätseinbußen zu vermeiden und auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag für die Ernährung der Bevölkerung leisten zu können“, so Andreas Ziermann, Projektleiter der Bodensee-Stiftung, die das GeNIAL-Projekt initiierte. Das Bewusstsein und das Wissen dazu zu fördern, war Gegenstand des Projektes bei dem die Bodensee-Stiftung mit den Partnern Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH), Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum (LEL) und Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) zusammenarbeitet. „Um angehende sowie bereits ausgebildete Personen in Landwirtschaft, Garten-, Obst- und Weinbau zu erreichen wurden Bildungsunterlagen für landwirtschaftliche Fachschulen, aber auch Beratungsmodule erarbeitet und Online- sowie Praxisseminare durchgeführt“, erklärt Sabine Sommer, Projektmanagerin im GeNIAL-Projekt.

Anpassung der Landwirtschaft in Bildung & Beratung in Baden-Württemberg – Grußwort Ernst Berg (LEL)

Ernst Berg, Direktor der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum (LEL), der im Namen des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg das Grußwort sprach, verwies auf die Notwendigkeit zur Anpassung: „Im vergangenen Jahrzehnt haben sich infolge der Erderwärmung auch in Baden-Württemberg immer häufiger Wetterextreme wie Starkregen, Hagel und Trockenheit, v.a. auch während der Vegetationsperioden gezeigt.“ Mit Verweis auf den kürzlich erschienenen 2. Teil des 6. Sachstandsberichts des UNO-Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) mahnte er zur schnellen Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen, die auch den Klimaschutz berücksichtigen. „Aus diesem Grund bin ich dankbar für das von der Bodensee-Stiftung angeregte und durchgeführte, vom Bundesumweltministerium geförderte, Projekt GeNIAL, in dem außer dem Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) zwei Landesanstalten aus Baden-Württemberg als ideelle Projektpartner beteiligt sind. Neben der LEL ist auch das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) mit an Bord,“ führte er aus. Dem Ziel des Projektes, „…den notwendigen Wissenstransfer sicherzustellen…“ hat sich auch die LEL verschrieben und „in Baden-Württemberg beispielsweise die in GeNIAL erarbeiteten Unterrichtsmaterialien über Moodle an die hiesigen Fachschulen für Landwirtschaft weitergegeben.“

Anpassung der Landwirtschaft in Bildung & Beratung in Hessen – Grußwort Andreas Sandhäger (LLH)

Andreas Sandhäger, Direktor des Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH), hob die Bedeutung landwirtschaftlicher Fachschulen für die Anpassung an den Klimawandel hervor und betonte auch die nötige Anpassung der Bildungsunterlagen: „Die Lerninhalte in den Fachschulen werden sich zukünftig davon unterscheiden, wie wir Landwirtschaft bisher gelernt haben. Ein fester Bestandteil in den Fachschulen wird die Bedeutung von Anpassungsmaßnahmen wie beispielsweise wasserschonende Bodenbearbeitung, die Sortenwahl und Fruchtfolgegestaltung sein. Auch in der Tierhaltung sollten unsere zukünftigen Betriebsleiter auf die klimatischen Herausforderungen bestmöglich vorbereitet werden.“ Andreas Sandhäger sieht das GeNIAL-Projekt als ein Puzzleteil in der zukünftigen Ausrichtung der Landwirtschaft: „Um Antworten auf die zentralen Fragen der Landwirtschaft im Spannungsfeld Klimawandel und politischen Entwicklungen wie Klimaschutz, -anpassung, Schutz der Biodiversität und vieles mehr zu finden, ist es wichtig, dass wir uns vernetzen, voneinander lernen und gegenseitig unterstützen.“ So hat die Zusammenarbeit des LLH mit der Bodensee-Stiftung bereits Geschichte: „Seit 2018 unterstützt die LLH-Klimaberatung Hessische Betriebe bei der Erarbeitung und Umsetzung von geeigneten Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung. Dabei kommt ein Tool zum Einsatz, das uns von der Bodensee-Stiftung zur Verfügung gestellt wurde.“

Bodenfruchtbarkeit spielt wichtige Schlüsselrolle bei der Anpassung an den Klimawandel

Wie Bianca Plückhahn vom Deutschen Wetterdienst in ihrem Vortrag über die klimatischen Entwicklungen und Dr. Holger Flaig vom LTZ zu Böden im Klimawandel zeigten, werden viele Effekte des Klimawandels zunehmen und sich negativ auf den Boden auswirken: Starkniederschläge fördern die Erosionsgefahr sowie die Gefahr von Verschlämmung und oberflächlichem Abfluss von Wasser. Extreme Trockenheiten bedrohen die Kulturpflanzen, aber auch das Bodenleben und können somit die Bodenfruchtbarkeit auf längere Zeit negativ beeinträchtigen.

Holger Flaig betonte die Bedeutung der Bodenfruchtbarkeit: „Der Humus im Boden trägt zur Verbesserung von Luft- und Wasserhaushalt im Boden, der Aggregatsstabilität und einer Stabilisierung der Erträge bei und spielt damit eine wichtige Rolle bei der Anpassung an den Klimawandel. Durch die organische Bindung von Kohlenstoff leistet Humus zudem einen Beitrag zum Klimaschutz.“ Deshalb müsse man in der Landwirtschaft mit Schutzmaßnahmen den Bodenabtrag durch Erosion verhindern und den Humuserhalt bzw. -aufbau fördern durch umfangreiche Bodenbedeckung sowie Anreicherung der Organik im Boden durch beispielsweise Erntereste, humusaufbauende Fruchtfolgen, wurzelstarke Zwischenfrüchte, Wirtschaftsdünger und Agroforst (Bäume und Hecken).

Mehr Diversität für höhere Resilienz

Auch eine höhere Vielfalt trägt zur Anpassung an Wetterextreme bei. Durch eine weite Fruchtfolge mit verschiedenen Feldfrüchten, die jeweils unterschiedliche sensible Entwicklungsphasen haben, steigt die Widerstandsfähigkeit gegenüber Extremwetterphasen wie Hitze oder Starkniederschläge. Auch mit Blick auf die Bedrohung durch Schaderreger kann Vielfalt helfen. Einige Pflanzenschutzmittel verlieren bei Hitze ihre Wirksamkeit. Und vor dem Hintergrund weiterer drängender Zukunftsfragen, wie der Bedrohung der Biodiversität braucht es systemische Ansätze zur Reduzierung des Schaderregerdrucks, wobei eine höhere Sorten- und Artenvielfalt eine wichtige Rolle spielen. Die Praktiker Lucas Kohl und Dominik Schreiber, die bei der Fachtagung ihre Erfahrungen schilderten, setzen auf Biodiversität auf und in dem Boden und erzielen damit gute Erfolge in Bezug auf eine Förderung der Bodenfruchtbarkeit und der höheren Ertragsstabilität.

Bildung und Beratung

Um angehende und ausgebildete Betriebsleiter*innen gleichermaßen dafür zu sensibilisieren und zu Anpassungsmaßnahmen zu informieren, wurden im GeNIAL-Projekt Bildungs- und Beratungs-materialien erarbeitet. Dazu Lisa Fröhlich, GeNIAL-Projektmanagerin und Klimaschutzmanagerin beim LLH: „Mit Bildungsunterlagen zu 18 verschiedenen Themengebieten wie Boden, Pflanzenphysiologie, Anbauplanung, Düngung, Bewässerung, Grünland, Stallbau, Gemüsebau, Obstbau, Weinbau, Agroforst sowie einer einführenden Lehreinheit Klimawandel haben wir ein Angebot für Lehrkräfte an landwirtschaftlichen Fachschulen geschaffen.“ Bei der Fachtagung berichteten Jürgen Luft und Lukas Henke, Lehrer der Fachschulen Alsfeld und Fritzlar in Hessen von ihren Erfahrungen und hoben dabei das breite Spektrum an Themenfeldern hervor. Herr Henke führte weiter aus: „Sehr gut für die Umsetzung im Unterricht ist, dass die angebotenen Materialien im Word- und Powerpoint-Format gut angepasst werden können. So kann man die Präsentation ergänzen oder auch einzelne Folien in bereits bestehende Unterrichtseinheiten einbinden.“

Digitale Konzepte, wie Farminare (Wortschöpfung aus Farm=Bauernhof und Seminar), bei denen live von einem Bauernhof gesendet wird, haben durch die Corona-Pandemie starken Aufwind bekommen. Viktoria Lindner, Projektmitarbeiterin bei der LEL, stellte das Konzept bei der GeNIAL-Fachtagung vor: „Die Vorteile wie der Wegfall der Anreise für Teilnehmende und die immer gute Sicht auf das Geschehen machen dieses Konzept auch für die Zukunft attraktiv.“ Und auch für Veranstalter bieten sich Vorteile: „Mit Farminaren können wir eine größere Gruppe von Teilnehmenden ansprechen und haben zudem die Möglichkeit, das Farminar aufzuzeichnen und so auch nach der eigentlichen Veranstaltung zur Verfügung zu stellen,“ so Viktoria Lindner weiter.

Auch Beratungskräfte wurden adressiert. Auf diesem Weg kann auch ausgebildeten Landwirt*innen ein Bildungsangebot gemacht werden. Neben Vorschlägen, wie Anpassungsmaßnahmen in Beratungs-konzepten umgesetzt werden können, wurden auch ausgearbeitete Module erstellt, die komplett so übernommen werden können. „Wir haben einige der durchgeführten Praxisveranstaltungen und Feldtage wie der Kichererbsentag oder ein Feldtag zum Grünlandmanagement so dokumentiert und aufbereitet, dass angehende aber auch erfahrene Beratungskräfte die Veranstaltungen wiederholen können,“ erklärt Lisa Fröhlich. Parallel dazu wurden KlimaCheck-Broschüren für den Ackerbau und die Tierhaltung erarbeitet, mit Hilfe derer Betriebsleiter*innen die Anfälligkeit ihres Betriebes beleuchten können und erste Empfehlungen zur nachhaltigen Anpassung erhalten.

Seminare online nachsehen

Die direkte Ansprache von Praktiker*innen ist eine weitere Säule im Projekt. Pandemiebedingt musste ein Großteil der Veranstaltungen digital abgehalten werden. Ein Vorteil neben den höheren Teilnahmezahlen ist der, dass einige Seminare aufgezeichnet wurden und neben anderen Videoempfehlungen auf der Projektwebsite zur Verfügung stehen.

Die Grußworte sowie die Präsentationen der GeNIAL-Fachtagung werden auf der Projekt-Website www.genial-klima.de veröffentlicht. Dort finden sich auch die im Projekt erarbeiteten Bildungs- und Beratungsunterlagen sowie die Klimawandelcheck-Broschüren und Videos.

Das zweijährige Projekt „GeNIAL – Bildung zur nachhaltigen Anpassung der Landwirtschaft in Deutschland an den Klimawandel – Sensibilisieren, Informieren, Qualifizieren“ wird im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie (DAS) durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördert. Projektpartner sind die Bodensee-Stiftung, der LLH (Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen), das LTZ (Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg) und die LEL (Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum, Schwäbisch Gmünd).

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