Wie können die Regeln und Praktiken von Plattformen auf öffentliche Werte ausgerichtet werden? Sind Formen wie "Plattformräte" dazu geeignet? Ein neues Kooperationsprojekt, gefördert durch die Stiftung Mercator, begibt sich weltweit auf die Suche nach Best-Practice-Modellen. Neben dem Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI) sind das Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) und das Institut für Theorie und Zukunft des Rechts an der Universität Innsbruck beteiligt.

Wie ist es heute um unsere Teilhabe an kommunikationsbezogenen Entscheidungen auf digitalen Plattformen bestellt, in die sich signifikante Teile unserer öffentlichen Diskurse verlagert haben? Erprobte demokratische Prinzipien lassen sich nicht ohne Weiteres übertragen, um die Teilhabe der Nutzer*innen an der Gestaltung der Plattformregeln, der Selektions- und Empfehlungsalgorithmen und der Moderationspraktiken zu ermöglichen.

Die Mitbestimmung der Bürger*innen an den Regeln darüber, was gesagt werden darf, ist zentrale Forderung und große Errungenschaft vieler demokratischer Revolutionen gewesen. Doch wie ist es heute um unsere Teilhabe an kommunikationsbezogenen Entscheidungen auf digitalen Plattformen bestellt, in die sich signifikante Teile unserer öffentlichen Diskurse verlagert haben?

Prof. Dr. Matthias C. Kettemann, Leiter des Forschungsprogramms 2 am HBI und Leiter des Projekts, meint: „Plattformen selbst sind zum Regelsetzer, Regeldurchsetzer und zur Richterin über ihre Entscheidungen geworden. Das führt zu Spannungen im gesellschaftlichen Diskursgewebe. Hier möchten wir ansetzen.“

David Alders, Projektmanager im Bereich Digitalisierte Gesellschaft der Stiftung Mercator, ergänzt: „Wie wir demokratisch mit der Macht der Plattformen umgehen, ist eine zentrale Frage unserer Zeit. Die Ampel-Koalition hat angekündigt, den Aufbau von Plattformräten voranzubringen. Bislang liegen aber keine ausgereiften Konzepte vor, wie genau solche Gremien aussehen könnten. Daran will das Projekt etwas ändern.“

Das Projekt zielt darauf ab, die Analyse und Synthese der institutionellen Rahmenbedingungen erfolgreicher gesellschaftlicher Reaktionen auf hybride Governance-Regime zu untersuchen. Dies geschieht durch eine globale Sichtung von Best Practice-Modellen der Rückbindung öffentlicher Interessen in private (und öffentliche) Regime, wie sie etwa im Bereich des öffentlichen Rundfunks oder des Jugendschutzes in verschiedenen Ländern in unterschiedlicher Ausprägung bestehen oder bestanden.

Dazu werden durch insgesamt vier regionale Research Clinics in den Regionen Asien/Australien, Amerikas, Afrika und Europa die Möglichkeitsräume institutionalisierter gesellschaftlicher Rückkopplungsmechanismen privater Machtausübung interdisziplinär erforscht und normativ bewertet.

Ein abschließendes, hochkarätig besetztes Abschlussevent nimmt eine vergleichende Sichtung der regionalen Best Practices vor; ein Synthesepapier fasst die Projektergebnisse zusammen.

Während der europäische Digital Service Act (DSA) wichtige neue Rechte für Nutzer*innen und Pflichten für (sehr große Online-)Plattformen enthält, einschließlich Transparenzregeln für algorithmische Empfehlungssysteme und Bewertungspflichten hinsichtlich der Auswirkungen der Plattformen auf u. a. den demokratischen Diskurs und die öffentliche Gesundheit, bieten die neuen europäischen Regeln keine überzeugende Perspektive für die Einbeziehung öffentlicher Werte in die plattforminternen Normsetzungs- und Durchsetzungsprozesse. Diese Lücke soll durch das Projekt geschlossen werden.

Die Ergebnisse werden im Dialog mit Vertretern aus Politik und Verwaltung in Vorschläge für die Zukunft der Plattformräte umgesetzt.

Eine Podiumsdiskussion zum Projekt findet am Dienstag, 7. Juni, 18.00 Uhr, statt. Sie wird live gestreamt.
Mehr zum ProjektHier finden Sie weitere Informationen zum Projekt und dem Team: https://leibniz-hbi.de/de/projekte/plattformraete-als-instrument-der-demokratischen-rueckbindung-hybrider-online-ordnungen

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