Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP, Advanced Therapy Medicinal Products) kommen u.a. bei Erkrankungen zum Einsatz, für die es bisher keine oder nur unzureichende Behandlungsmöglichkeiten gibt. Bei ATMPs handelt es sich um Gentherapeutika, gentherapeutisch veränderte Zellen, z. B. Blutzellen, oder biotechnologisch verändertes Gewebe (z. B. Knorpel, sog. Tissue-Engineering-Produkte). Für diese Arzneimittel sind verbesserte und angepasste Versorgungsstrukturen notwendig. Diese Strukturen jetzt zu schaffen ist besonders wichtig, weil in den nächsten Jahren mit der Einführung einer Vielzahl neuer ATMPs zu rechnen ist. Die Erarbeitung und Vereinheitlichung solcher Strukturen ist Ziel des neuen Konsortialprojekts „INTEGRATE-ATMP", das in den kommenden vier Jahren mit insgesamt 13,6 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gefördert werden wird. INTEGRATE steht für Integrierte Versorgung Neuer Therapien durch Telemedizin, Empowerment (Wissenstransfer), Gentherapeutika, Register, Arzneimittelsicherheit, strukturierte Therapiepfade und Erstattung.

Die Konsortialführung des Projektes liegt bei der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie in Kooperation mit dem Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), Partner sind acht weitere deutsche Universitätsklinika (Charité, Dresden, Erlangen, Essen, Frankfurt, Hamburg, LMU Klinikum München und Tübingen), die Techniker Krankenkasse, Vertretungen von Patientinnen und Patienten, Fachgesellschaften, Registerbetreiber und Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und deren Vertretungen. „Mittels INTEGRATE-ATMP sollen deutschlandweit einheitliche und trotz der hohen Therapiekosten wirtschaftliche Versorgungsstrukturen geschaffen werden, um eine flächendeckend hohe Behandlungsqualität zu sichern", sagt Konsortialführer Professor Dr. Carsten Müller-Tidow, Ärztlicher Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie am UKHD.

Klare Versorgungsstrukturen verbessern Lebensqualität der Patienten

Das Projekt umfasst die Einführung verschiedener Instrumente zur Verbesserung der Versorgung von Patientinnen und Patienten: strukturierte und zwischen allen Zentren abgestimmte Behandlungspläne werden die ambulante Vor- und Nachsorge inklusive deren Erstattung standardisieren. Ein ATMP-Register soll die Therapieerfahrungen mit ATMPs krankheitsübergreifend und -unabhängig erfassen. Dabei soll es mit bereits bestehenden krankheitsspezifischen Registern verknüpft werden und in Zukunft auch auf neue ATMP-Zulassungen erweiterbar sein. Eine telemedizinische Kommunikationsplattform wird den direkten Austausch aller an der Behandlung Beteiligten sowie Institutionen erleichtern, Patientinnen und Patienten in ihrem Versorgungsalltag entlasten und den Austausch mit ihren Behandlerinnen und Behandlern flexibel gestalten. Zudem soll die telemedizinische Plattform mit dem Register zusammenwirken und ein strukturiertes Management möglicher unerwünschter Arzneimittelwirkungen von ATMPs ermöglichen.
Regelmäßige Befragungen der Teilnehmenden erheben, ob und in welcher Form sich ihre Lebensqualität bzw. ihre Zufriedenheit in der Behandlung durch die Einführung der Maßnahmen verbessert hat.

Vier Therapiestrategien bei Erwachsenen und Kindern im Fokus

An vier Therapiestrategien sollen die oben genannten Strukturmaßnahmen evaluiert werden: CAR-T-Zell-Therapie für Patientinnen und Patienten mit bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems, Gentherapie bei spinaler Muskelatrophie (SMA), bei schwerem kombiniertem Immundefekt (SCID) und bei der Metachromatischen Leukodystrophie (MLD), einer angeborenen, degenerativen Erkrankung des Gehirns.

Projektpartner Professor Dr. Georg F. Hoffmann, Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin, hat bereits weitere Anwendungen im Auge: „Gerade für die sich stetig erweiternden Diagnose- und Therapiemöglichkeiten seltener Erkrankungen sind bundesweite Standardstrukturen essentiell. Der sektoren- und abteilungsübergreifende Charakter macht INTEGRATE-ATMP zu einem zukunftsweisenden Projekt für kleine und große ATMP-Patientinnen und Patienten."

Das Projekt startet im August 2022. Nach Förderende sollen die erarbeiteten Strukturen in die allgemeine Versorgung überführt und später auf weitere Therapien übertragen werden. „Dieses Projekt wird die Versorgungssituation und Lebensqualität von Patientinnen und Patienten, die neuartige Therapien erhalten, in Deutschland wesentlich verbessern", so Prof. Müller-Tidow.

Weitere Informationen im Internet

Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie des UKHD

Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des UKHD

Zentrum für Seltene Erkrankungen am UKHD

Über Universitätsklinikum Heidelberg

Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich circa 84.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000 Patienten ambulant behandelt.

Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum-heidelberg.de

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