Nachhaltigkeit mit ihren Facetten Environmental, Social und Governance (ESG), hat den Alltag börsennotierter Unternehmen erreicht. Der Wandel zum nachhaltigen Wirtschaften hat die strategische Ebene verlassen und beeinflusst die konkrete Geschäftspolitik. Die Bereitschaft der Unternehmen zur Veränderung geht jedoch einher mit dem Wunsch nach stärkerer internationaler Abstimmung und Augenmaß, so die heute veröffentlichte Studie „Unternehmen im Transformationsprozess – Herausforderungen und Chancen von Nachhaltigkeit“ des Deutschen Aktieninstituts und der Rechtsanwaltskanzlei Hengeler Mueller.

„Die Unternehmen haben die Notwendigkeit erkannt, ihre Strategie und ihr Handeln auf das Megathema Nachhaltigkeit auszurichten. Die heute vorgelegte Studie zeigt, dass börsennotierte Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit aktiv aufgreifen und vielfältige Steuerungs- und Prozesselemente verankern, um die Transformation hin zu nachhaltigerem Wirtschaften voranzutreiben“, unterstreicht Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts.

„Das Bekenntnis der deutschen Unternehmenslandschaft zur nachhaltigen Transformation unserer Gesellschaft ist da. Es trifft aber auf eine regulatorische Realität, die zu erheblichen Reibungsverlusten bei der Umsetzung führen könnte. Gefragt sind nun vor allem pragmatische und zielorientierte Lösungen, um gemeinsam die ambitionierten wie notwendigen internationalen Nachhaltigkeitsziele zu verwirklichen“, sagt Dr. Daniela Favoccia, Partnerin bei Hengeler Mueller.

Die Studie gibt Auskunft darüber, wo deutsche börsennotierte Unternehmen in dem Transformationsprozess zu einer nachhaltigen Wirtschaft stehen. Grundlage ist eine Umfrage unter Finanzvorständen und Aufsichtsratsvorsitzenden von DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen. Diese wurden befragt, was sie bei der Transformation antreibt und wie sich die Berücksichtigung von ESG-Themen auf Unternehmen auswirkt. Darüber hinaus war Gegenstand der Umfrage, wie sie die Regulierungsvorhaben Taxonomie, Corporate Sustainability Reporting Directive und Sustainable Corporate Governance einschätzen.

Die Umfrageergebnisse werden durch Einblicke in die Unternehmenspraxis in Form von Interviews ergänzt. Dafür standen Dr. Simone Bagel-Trah, Aufsichtsratsvorsitzende der Henkel AG und Co KGaA, Maria Ferraro, Chief Financial Officer der Siemens Energy AG, und Stefan Schnell, Senior Vice President, Group Reporting & Performance, der BASF SE zur Verfügung.

Unternehmen befinden sich tief in der Nachhaltigkeitstransformation
Die Unternehmen haben die Herausforderungen, die mit dem Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft verbunden sind, erkannt und angenommen. Die Untersuchung zeigt, dass sie Nachhaltigkeit als Querschnittsthema begreifen. Aspekte wie Reputation, Verantwortungsbewusstsein und Mitarbeitermotivation treiben den Transformationsprozess intern an. Aber auch Forderungen der Investoren und Anforderungen von Politik und Gesellschaft spielen eine Rolle.

Mehr als drei Viertel der befragten Unternehmen haben ihre strategische Ausrichtung mit Blick auf die Nachhaltigkeit angepasst. Der Trend geht auch ganz deutlich zur Aufnahme definierter ESG-Leistungskennzahlen in die Unternehmenssteuerung.

Licht und Schatten bei den Berichtspflichten 
Der Erweiterung der Berichtspflichten, den der Entwurf der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive vorsieht, stehen die Befragten grundsätzlich positiv gegenüber. Die Unternehmen wünschen sich allerdings international einheitliche Standards.

Kritischer wird die EU-Taxonomie gesehen, die aufgrund ihrer Komplexität und der Granularität ihrer Berichtsanforderungen die Unternehmen vor große Herausforderungen stellt. Vor allem die mittelbaren Auswirkungen der Transparenzpflichten auf Strategie und Unternehmenssteuerung sind aus Sicht der Umfrageteilnehmer problematisch. So ist unklar, ob die Taxonomie-Verordnung faktisch dazu zwingt, über eine Anpassung der Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung nachzudenken oder darüber, künftig Investitionsentscheidungen an ihr zu orientieren.

Corporate Sustainable Governance
Die Vorschläge der EU-Kommission zu Sustainable Corporate Governance werden teilweise mit großer Skepsis betrachtet. Der Vorschlag, Nachhaltigkeitsexpertise mittels eines ESG-Experten im Aufsichtsrat zu etablieren, findet ein geteiltes Echo, weil in den Organen bereits Wissen ausgebaut wurde.

Überlegungen, dass Stakeholder Vorstand und Aufsichtsrat direkt verklagen können, werden am kritischsten beurteilt. Das überrascht nicht, zeichnet sich aufgrund der großen Komplexität und der Unklarheit hinsichtlich der Umsetzung der Vorgaben im Unternehmen ein hohes Prozessrisiko ab.

„Die Verankerung von Nachhaltigkeitsthemen in den Unternehmen ist auf einem guten Weg. Bei Strategie, Organisation, Berichterstattung und interner Überwachung hat die Führungsebene ESG-Kriterien im Blick. Angesichts der Fülle neuer Pflichten, die auf Unternehmen zukommen, ist die EU-Kommission dringend aufgefordert, Augenmaß zu wahren“, fordert Bortenlänger und Favoccia ergänzt: „Um Berichtsanforderungen zu vereinheitlichen und den Aufwand für die Unternehmen zu reduzieren, sind zudem international abgestimmte Nachhaltigkeitsvorgaben sinnvoll.“

Studie „Unternehmen im Transformationsprozess – Herausforderungen und Chancen von Nachhaltigkeit“

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