„Der Krieg gegen die Ukraine muss zu einer deutlichen Neujustierung der Agrarpolitik führen. Ernährungssicherung sehe ich ab sofort in einem geostrategischen Dreiklang mit Sicherheitspolitik und Energieversorgung.“ Dies betont der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, im Rahmen der heutigen Bilanz-Pressekonferenz in Berlin: „Fakten statt Hörensagen, konkrete Hilfe statt unverbindliche Versprechen, Handeln statt Zögern. Das sind die Gebote der Stunde. Denn: Auch die Agrar- und Ernährungswirtschaft erlebt eine Zeitenwende.“

In Deutschland und der Europäischen Union sei die Sicherheit bei der Versorgung mit Lebensmitteln keine Selbstverständlichkeit, stellt Holzenkamp klar: „Der hohe Selbstversorgungsgrad mit pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln ist nur auf den ersten Blick beruhigend. Die explodierenden Preise bei Energie, Dünger, Pflanzenschutz und Futtermitteln belasten unsere Agrar- und Ernährungswirtschaft derart stark, dass sie die Aufrechterhaltung von Produktion und Logistik gefährden.“

Holzenkamp richtet seinen Blick auch auf die ärmeren Schwellen- und Entwicklungsländer. „Durch die starken Preisanstiege bei Agrarprodukten und insbesondere Weizen steigt die Gefahr einer Hungersnot in Afrika und dem Nahen Osten signifikant. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen die afrikanischen und arabischen Länder unterstützen. Keinesfalls dürfen wir durch Extensivierung unserer Gunststandorte und den Verzicht auf freie Warenströme im europäischen Binnenmarkt die verfügbaren Nahrungsmittel zusätzlich verknappen und verteuern. Andernfalls laufen wir Gefahr, dass sich der russische Krieg gegen die Ukraine zu einem globalen Krieg um Brot und Energie ausweitet“, so der DRV-Präsident.

Holzenkamp ruft die Politik dazu auf, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Agrar- und Ernährungswirtschaft in Deutschland zu stützen: „Gefordert sind Maßnahmen, die schnell und spürbar die Versorgungssicherheit stärken. Die Formel muss lauten: Effiziente Erzeugung fördern, unnötige Kosten senken.“

Sinnvolle Flächennutzung

Der DRV-Präsident fordert, die verpflichtenden Flächenstilllegungen im Zuge der Umsetzung der europäischen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in Höhe von vier Prozent auszusetzen. Holzenkamp: „Flächen in der jetzigen Zeit brach liegen zu lassen, wäre ebenso verantwortungslos wie der Verzicht auf züchterischen Fortschritt, Pflanzenschutz und -düngung. Eine auf die knappen Ressourcen ausgerichtete, effektive Agrarerzeugung ist dringend gefordert. Die Farm-to-Fork-Strategie muss sich daran orientieren.“

Er weist auf die stark eingeschränkte Frühjahrsaussaat in der Ukraine und die im Zuge der Sanktionen erwarteten Vermarktungsschwierigkeiten Russlands hin. Infolgedessen seien globale Engpässe bei Brotweizen, Futtergetreide wie Mais oder Sonnenblumenöl ab der nächsten Ernteperiode vorprogrammiert. „Dies wird im ungünstigsten Fall noch Jahre anhalten. Die Politik muss jetzt zeigen, ob es ihr ernst ist mit Ernährungssicherheit“, so der DRV-Präsident.

Engpässe gibt es schon heute bei der Versorgung mit Düngemitteln. Die Produktion darf nicht zusätzlich durch Beschränkungen beim Pflanzenschutz und beim Einsatz neuer Züchtungstechniken behindert werden. „In Deutschland ist Boden knapp. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Flächen optimal zu nutzen“, erklärt Holzenkamp. Er stellt heraus, dass dies mit den Zielen des Klimaschutzes und der Biodiversität vereinbart werden kann. „Nachhaltigkeit und Produktivität stehen nicht zwingend im Widerspruch. Die Vereinbarkeit kann maßgeblich durch den Einsatz moderner Technologien und das Ausschöpfen des Digitalisierungspotenzials erreicht werden.

Staat profitiert von hohen Energiepreisen

Eine klare Meinung hat Holzenkamp zur Frage, wie kurzfristig die hohen Energiepreise für Unternehmen abgefedert werden können: „Die Beschaffungskosten für Öl und Gas können wir nicht ändern. Dafür können wir aber den hohen Preisanteil staatlicher Steuern und Abgaben reduzieren.“ Das Vorziehen der Abschaffung der EEG-Umlage sei der erste wichtige Schritt gewesen, der jedoch nicht ausreiche. „Netzentgelte, CO2-Preis, Energiesteuer, Mehrwertsteuer – alle von der Politik beeinflussbaren Preisbestandteile müssen auf den Prüfstand“, fordert Holzenkamp.

Er macht klar: „Durch die prozentuale Beteiligung über die Steuern profitiert der Staat unmittelbar von den hohen Preisen. Das ist den Unternehmen angesichts von Dieselpreisen jenseits von 2,30 Euro pro Liter nicht zu erklären.“ Die Genossenschaften der Agrar- und Ernährungswirtschaft leiden massiv unter den explodierenden Energie- und Betriebskosten. „Produktion, Verarbeitung, Logistik – betroffen sind Unternehmen entlang der Wertschöpfungsketten aller Branchen“, so Holzenkamp. Mit Blick auf Deutschlands hohe Abhängigkeit von russischem Öl und Gas macht er deutlich: „Die Land- und Ernährungswirtschaft gehört zur Kritischen Infrastruktur und muss hohe Priorität bei der Versorgung mit Energie erhalten.“

Keine Abkehr vom Transformationsprozess

Eine klare Absage erteilt Holzenkamp all denjenigen, die nun eine grundsätzliche Abkehr von den Zielen hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft und zu mehr Tierwohl fordern. „Niemand sollte die Notwendigkeit der Transformation der Landwirtschaft anzweifeln. Eine Abkehr des gestarteten Prozesses darf es nicht geben.“ Der DRV stehe hinter den Ergebnissen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) und den Empfehlungen der Borchert-Kommission. Holzenkamp: „Wir müssen den Rückfall in alte Zeiten mit verhärteten Fronten und dem altbekannten Muster von reflexhaften Forderungen und Abwehrmechanismen vermeiden. Zusammenhalt und Gemeinschaft sind gefragt – heute mehr denn je.“

Über den Deutscher Raiffeisenverband e.V.

Der DRV vertritt die Interessen der genossenschaftlich orientierten Unter-nehmen der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft. Als wichtiges Glied der Wertschöpfungskette Lebensmittel erzielen die 1.729 DRV-Mitgliedsun-ternehmen in der Erzeugung, im Handel und in der Verarbeitung von pflanz-lichen und tierischen Erzeugnissen mit rund 92.000 Mitarbeitern einen Um-satz von 68 Mrd. Euro. Landwirte, Gärtner und Winzer sind die Mitglieder und damit Eigentümer der Genossenschaften.

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