2010 hatte sich die Weltgemeinschaft 20 Ziele gesteckt, um das ungebremste Artensterben bis 2020 weltweit zu stoppen. Keines dieser Ziele wurde erreicht. Ab dem 14. März wird nun in Genf eine neue 10-Jahres-Strategie vorbereitet. Pro Natura ist mit dabei.

«In den nächsten zwei Wochen werden in der Schweiz wichtige Weichen gestellt», betont Friedrich Wulf. Der Leiter internationale Biodiversitätspolitik bei Pro Natura ist mit Vertreterinnen und Vertretern der 195 Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention (CBD), von Umweltorganisationen und Unternehmen in Genf dabei, um neue Ziele, deren Umsetzung und die Erfolgsindikatoren im Kampf gegen die Biodiversitätskrise zu definieren. Das neue globale Rahmenwerk soll bis 2030 gelten und Ende Sommer an der 15. Vertragsstaatenkonferenz (COP15) der Biodiversitätskonvention im chinesischen Kunming verabschiedet werden. In vielerlei Hinsicht sind sich die Vertragsparteien aber noch uneinig. Hier die wichtigsten Knackpunkte, die vom 14. – 29. März diskutiert werden:

1. Die Umsetzung
Keines der 20 Ziele der COP10 von 2010 wurde vollständig erreicht. «Das liegt unter anderem daran, dass die Umsetzung schlecht ausgestatteten Umweltämtern überlassen wurde, während Wirtschafts-, Verkehrs- und Landwirtschaftsämter der Artenvielfalt weiter schadeten», erklärt Wulf. Deshalb müssen verbindliche Umsetzungsmechanismen vereinbart und alle Ämter in die Pflicht genommen werden. Zur Umsetzung der neuen Ziele besteht derzeit eine Finanzierungslücke von mindestens 700 Milliarden Franken. «Einen Grossteil davon könnte man gewinnen, indem man alle biodiversitätsschädigenden Subventionen abschafft oder umwandelt und die Treiber des Biodiversitätsverlustes verringert», fordert der Biodiversitätsexperte.

2. Die Artenvielfalt
Eine «Koalition der hohen Ambitionen», der auch die Schweiz angehört, will erreichen, dass bis 2030 insgesamt 30 Prozent des Planeten unter Schutz gestellt werden. «Derzeit geniessen schweizweit nur 6 Prozent und weltweit gut 16 Prozent der Fläche einen rechtlich umfassenden Schutz. Mit der Fläche allein ist es aber nicht getan: Die Gebiete müssen repräsentativ, gut vernetzt und vor allem wirksam gepflegt werden», betont Wulf. Zudem müssten beim Schaffen von Schutzgebieten auch die Rechte der Bevölkerung umfassend geachtet werden.

3. Der Überkonsum
Die Rettung der Artenvielfalt kann nicht allein den Konsumierenden und Unternehmen überlassen werden, wie es im Entwurf steht. «Die Staaten sind gefordert, Regeln und Anreize einzuführen, um die Wirtschaft in nachhaltige Bahnen zu lenken und den Überkonsum und dessen schädigende Auswirkungen auf Ökosysteme zu reduzieren», so der Pro Natura Vertreter.

4. Die genetischen Ressourcen
Für den Austausch von Pflanzen und Tieren mit Heilwirkungen wurden indigene Hüter und Hüterinnen der Biodiversität bislang entlohnt. Dank gentechnischer Methoden ist es nicht mehr nötig, auf dieses Material physisch zuzugreifen. «Wir fordern, dass auch die digitale Weitergabe genetischer Informationen der Pflicht unterliegt, die Profite daraus zu teilen und dass die Schweiz als wichtigen Pharmastandort sich dafür engagiert», bekräftigt Wulf.

5. Erhaltung muss Vorrang haben
Das neue Rahmenwerk will 20 Prozent der degradierten Ökosysteme wieder herstellen. Der Erhalt von über Jahrhunderte gewachsener Moore und Wälder muss aber unbedingt Vorrang haben. «Die eigentlichen Probleme wie der Verbrauch fossiler Brennstoffe oder der Verlust wertvoller Naturflächen müssen gestoppt werden und können nicht mit dem Aufforsten neuer Wälder wiedergutgemacht werden», erläutert Wulf.

Biodiversitätskrise kurz erklärt
Mit unserem Lebenswandel haben wir Menschen drei Viertel der Landfläche und zwei Drittel der Meere stark beeinträchtigt und dabei unzählige Lebensräume zerstört und Arten ausgerottet. Wenn sich nichts ändert, werden rund eine Million Tier- und Pflanzenarten in den nächsten Jahrzehnten von der Erde verschwinden. Das hat drastische Folgen für die Ökosysteme, von denen wir Menschen abhängig sind. Moore und Wälder speichern CO2, Insekten bestäuben die Pflanzen, die unser Essen produzieren und Würmer halten unsere Böden fruchtbar. Um diese Kreisläufe zu erhalten, müssen wir jetzt Gegensteuer geben: www.biodiversitaetsinitiative.ch

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