Tumoroperationen sind Millimeterarbeit. Ziel ist es, den Tumor und mögliche Metastasen vollständig zu entfernen. Zugleich gilt es, gesundes Gewebe sowie umliegende Risikostrukturen wie Nerven und Gefäße soweit wie möglich zu schonen. Die Fluoreszenzbildgebung mit kurzwelligem Infrarotlicht (auch „SWIR“ von englisch short-wave-infrared) mit Wellenlängen größer 1.000 Nanometern soll Chirurginnen und Chirurgen künftig bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützen. Mittels SWIR lassen sich deutlich schärfere Bilder und Einblicke in tiefere Gewebeschichten erzielen als mit der herkömmlichen Fluoreszenzbildgebung, die mit Infrarotlicht im Wellenlängenbereich von 700 bis 900 Nanometern funktioniert. Zudem bietet die innovative Methode das Potential, zeitgleich ausgewählte Gewebe, Gefäße und Körperflüssigkeiten gezielt zum Leuchten zu bringen. Nachdem die Preise für geeignete Kameras durch die rasante Entwicklung in der Industrie deutlich gesunken sind, sind geeignete Farbstoffe das entscheidende Nadelöhr für die medizinische Anwendung. „Die nun erzielten Fortschritte bei der Farbstoff- und Technologieentwicklung schaffen erstmals die nötigen Voraussetzungen, um verschiedene Strukturen wie den Tumor, ableitende Lymphgefäße und Wächterlymphknoten in einem sehr dynamischen Prozess wie der fluoreszenzgeführten Chirurgie sichtbar zu machen“, sagt Prof. Oliver Bruns, der im Februar in einer gemeinsamen Berufung der TU Dresden und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) zum Professor für Funktionelle Bildgebung in der Operativen Onkologie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ernannt wurde und zudem Gruppenleiter am Helmholtz Zentrum München ist. Die in seiner Zeit am Helmholtz Zentrum München erzielten Forschungsergebnisse zur Fluoreszenzbildgebung sind eine wichtige Grundlage für die künftige Forschung in Dresden.
Bei der Farbstoffentwicklung setzten die Forschenden auf Cyanin-Farbstoffe, die zu den gängigsten Farbstoffen für die Mehrfarben-Fluoreszenzmikroskopie gehören. Nur wenige von ihnen sind allerdings für die Bildgebung in lebenden Organismen und im SWIR-Bereich geeignet. Fluoreszenzfarbstoffe werden in der Regel intravenös verabreicht und lassen sich teilweise mit Antikörpern verknüpfen, die sie spezifisch an Tumore binden lassen. Durch die gezielte computergestützte Weiterentwicklung einer klinisch zugelassenen Molekül-Klasse gelang es, zwei neue Farbstoffe (FNIR-872, FNIR-1072) zu entwickeln, die nach der optischen Anregung einen Großteil des Lichts im SWIR-Bereich emittieren. „Weitere wesentliche Eigenschaften der neu entwickelten Farbstoffe sind, dass sie ungiftig sind, sich gut in Wasser lösen und sich mit Biomolekülen koppeln lassen, die die Farbstoffe zu den gewünschten Zielstrukturen im Organismus transportieren“, erklärt Dr. Martin Schnermann vom National Cancer Institute.
Parallel zu den Farbstoffen entwickelten die Forschenden ein Bildgebungssystem mit drei Lasern und einer LED-Quelle. Damit ist es möglich, einen bereits zugelassenen, für die SWIR-Bildgebung geeigneten Farbstoff (Indocyaningrün, ICG) sowie die beiden neu entwickelten Farbstoffe gleichzeitig mit den jeweils geeigneten Wellenlängen anzuregen. Die verschiedenen Bildinformationen lassen sich in einer gemeinsamen Ansicht bündeln und mit einer Rate von acht Bildern pro Sekunde in ein flüssiges Videobild überführen. Dieses eröffnet die Möglichkeit, Chirurginnen und Chirurgen während einer Operation einen kontinuierlichen Einblick in alle wichtigen Ziel- und Risikostrukturen zu geben. Mit der bisherigen Fluoreszenzbildgebung lassen sich hingegen jeweils nur einzelne Strukturen in geringerer Qualität hervorheben. Das neu entwickelte Bildgebungssystem hat darüber hinaus den Vorteil, dass es nicht empfindlich für sichtbares Licht ist und Operationen bei normaler Raumbeleuchtung ermöglicht.
In vorklinischen Experimenten wurden die neuen Farbstoffe und das Bildgebungssystem bereits erfolgreich getestet. Künftig sollen die Eigenschaften der Farbstoffe weiter optimiert werden, damit sie sich beispielsweise leichter herstellen und noch besser mit verschiedenen Biomolekülen koppeln lassen. „Unser Ziel ist es, dass die neuen Farbstoffe und das Bildgebungssystem in wenigen Jahren klinisch verfügbar sind“, sagt Prof. Bruns.
Publikation:
Bandi, V.G., Luciano, M.P., Saccomano, M. et al. Targeted multicolor in vivo imaging over 1,000 nm enabled by nonamethine cyanines. Nat Methods (2022). https://doi.org/10.1038/s41592-022-01394-6
Volltext: https://rdcu.be/cHVTz
NCT/UCC Dresden
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).Das NCT hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschung und Krankenversorgung so eng wie möglich zu verknüpfen. Damit können Krebspatienten an den NCT-Standorten auf dem jeweils neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse behandelt werden. Gleichzeitig erhalten die Wissenschaftler durch die Nähe von Labor und Klinik wichtige Impulse für ihre praxisnahe Forschung. Gemeinsamer Anspruch der NCT-Standorte ist es, das NCT zu einem internationalen Spitzenzentrum der patientennahen Krebsforschung zu entwickeln. Das Dresdner Zentrum baut auf den Strukturen des Universitäts KrebsCentrums Dresden (UCC) auf, das 2003 als eines der ersten Comprehensive Cancer Center (CCC) in Deutschland gegründet wurde. Seit 2007 wurde das UCC von der Deutschen Krebshilfe e.V. (DKH) kontinuierlich als „Onkologisches Spitzenzentrum“ ausgezeichnet.
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden bietet medizinische Betreuung auf höchstem Versorgungsniveau. Als Krankenhaus der Maximalversorgung deckt es das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. Das Universitätsklinikum vereint 20 Kliniken und Polikliniken, vier Institute und zehn interdisziplinäre Zentren, die eng mit den klinischen und theoretischen Instituten der Medizinischen Fakultät zusammenarbeiten.Mit 1.295 Betten und 160 Plätzen für die tagesklinische Behandlung von Patienten ist das Dresdner Uniklinikum das größte Krankenhaus der Stadt und zugleich das einzige Krankenhaus der Maximalversorgung in Ostsachsen. Rund 860 Ärzte decken das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. 1.860 Schwestern und Pfleger kümmern sich um das Wohl der Patienten. Wichtige Behandlungsschwerpunkte des Uniklinikums sind die Versorgung von Patienten, die an Krebs, an Stoffwechsel- und an neurodegenerativen Erkrankungen.
Deutschlands größter Krankenhausvergleich des Nachrichtenmagazins „Focus“ bescheinigt dem Universitätsklinikum Carl Gustav Dresden eine hervorragende Behandlungsqualität. Die Dresdner Hochschulmedizin belegt deshalb Platz zwei im deutschlandweiten Ranking.
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
Die Hochschulmedizin Dresden, bestehend aus der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus und dem gleichnamigen Universitätsklinikum, hat sich in der Forschung auf die Bereiche Onkologie, metabolische sowie neurologische und psychiatrische Erkrankungen spezialisiert. Bei diesen Schwerpunkten sind übergreifend die Themenkomplexe Degeneration und Regeneration, Imaging und Technologieentwicklung, Immunologie und Inflammation sowie Prävention und Versorgungsforschung von besonderem Interesse. Internationaler Austausch ist Voraussetzung für Spitzenforschung – die Hochschulmedizin Dresden lebt diesen Gedanken mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 73 Nationen sowie zahlreichen Kooperationen mit Forschern und Teams in aller Welt.
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
- Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
- Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
- Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen betreibt das HZDR große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Das HZDR ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 170 Doktoranden.
Das DKFZ ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
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