WAS
7. Philharmonisches Konzert der Bremer Philharmoniker
„Von Frauen und Männern“
WANN
Montag, 7. März 2022, 19:30 Uhr
Dienstag, 8. März 2022, 19:30 Uhr
WO
Konzerthaus Glocke
Domsheide 4/5
28195 Bremen
Die eine versteckte ihren Namen hinter einem Synonym, die andere die Partitur eines der letzten Werke ihres Mannes vor der Öffentlichkeit. Während Mel Bonis sich durch einen weder als weiblich noch als männlich identifizierbaren Vornamen eine Chance als Komponistin im Klassikbetrieb des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts erhoffte, versuchte Clara Schumann, den Ruf ihres Mannes Robert nicht durch die von seiner schweren Krankheit beeinflussten späten Werke überschatten zu lassen. Beide sind sich nie begegnet, im nächsten Philharmonischen Konzert der Bremer Philharmoniker „Von Männern und Frauen“ treffen sie am 7. und 8. März unter dem Dirigat von Jessica Cottis jedoch indirekt aufeinander.
Mel Bonis war eine der vielversprechendsten Komponistinnen ihrer Generation, dennoch rangierte sie lange nur in der Kategorie „Geheimtipp“. Mit ihrer einnehmenden „Suite en forme de valses“ eröffnet die australische Dirigentin Jessica Cottis den Konzertabend. Das Werk atmet den Charakter der leichten Muse, geht mit ihrer Originalität und Eleganz jedoch weit über seichte Salonmusik hinaus. „Elegant, oft lässig und wie viele ihrer Werke von einer gewissen Melancholie und Nostalgie durchdrungen“, beschreibt Jessica Cottis das Stück, „Es erinnert mich an verregnete Nachmittage meiner Jugend, die ich mit dem Durchblättern eines Buches verbracht habe.“ Im Anschluss steht Frank Peter Zimmermann mit dem Violinkonzert von Robert Schumann auf dem Programm, ein Werk, das heute seinen festen Platz im Geigenrepertoire besitzt, zu Lebzeiten Schumanns jedoch nicht zur Uraufführung kam und nahezu 80 Jahre unter Verschluss gehalten wurde.
Cottis beschließt das Konzert mit der Symphonie Nr. 6 von Ludwig van Beethoven. In dem als „Pastorale“ bekannt gewordenen Werk zeigt sich der Komponist als Naturliebhaber. „Beethoven beschreibt die Natur hier auf eine Art und Weise, die für mich mehr Ausdruck besitzt als ein Gemälde – er erkundet unsere Gefühle in der Natur“, schwärmt Jessica Cottis und hofft, „dass die Musik besonders für diejenigen, die gern in Bremens zahlreichen Parks und Naturschutzgebieten verweilen, einen starken Widerhall findet.“
Die Bremer Philharmoniker freuen sich auf eine intensive Probenwoche und ihr erstes gemeinsames Konzert mit Jessica Cottis, die international einen ausgezeichneten Ruf genießt und am Pult für ihre fesselnde Dynamik und Klarheit bekannt ist.
Das Programm
Mel Bonis (1858-1937)
Suite en forme de valses op. 35-39
Ballabile
Interlude et Valse lente
Scherzo-Valse
Uraufführung nach 1898; Ort nicht bekannt
Robert Schumann (1810-1856)
Konzert für Violine und Orchester d-Moll WoO 1
Im kräftigen, nicht zu schnellen Tempo
Langsam
Lebhaft, doch nicht schnell
Uraufführung am 26. November 1937 in Berlin
Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Symphonie Nr. 6 F-Dur op. 68
Angenehme, heitere Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen (Allegro ma non troppo)
Szene am Bach (Andante molto moto)
Lustiges Zusammensein der Landleute (Allegro)
Donner, Sturm (Allegro)
Hirtengesang. Wohltätige, mit Dank an die Gottheit verbundene Gefühle nach dem Sturm (Allegretto)
Uraufführung am 22. Dezember 1808 in Wien
Jessica Cottis, Dirigat
Frank Peter Zimmermann, Violine
Die Saalkapazität der Glocke bleibt entsprechend der aktuell geltenden Corona-Verordnung auf 50% der Plätze reduziert. Es gilt die 2G+Regel und FFP2-Maskenpflicht. Nähere Informationen zum Hygienekonzert der Glocke unter www.glocke.de/de/Hygieneregeln.
Informationen zu Künstlern und Programm / Auszüge aus dem Programmheft
Jessica Cottis
Dirigat
Durch ihren Intellekt, ihre angeborene Musikalität, ihre charismatische Figur auf dem Podium und die Dynamik und Klarheit, durch die sich ihre Aufführungen auszeichnen, hat die australische Dirigentin Jessica Cottis bereits vielfach internationale Aufmerksamkeit erregt. 2019 wurde sie zum „Classical Face to Watch“ (The Times) ernannt. Cottis ist eine gefragte Konzertdirigentin, die regelmäßig mit führenden Orchestern wie dem London Symphony Orchestra, dem Philharmonia Orchestra, dem Singapore Symphony Orchestra, dem Los Angeles Philharmonic, dem National Arts Centre Orchestra (Ottawa), dem Danish Radio Symphony Orchestra, dem Royal Philharmonic Orchestra, dem Royal Opera House, Covent Garden sowie mit zahlreichen jährlichen Wiedereinladungen zu den prestigeträchtigen BBC Proms arbeitet. Cottis ist bekannt für ihre fesselnde, breit gefächerte, zum Nachdenken anregende und aufgeklärte Programmgestaltung. Ihr Spezialgebiet ist die Musik des 19. bis 21. Jahrhunderts. Die britisch-australische Doppelbürgerin erwarb einen Abschluss in Orgel, Klavier und Musikwissenschaft an der Australian National University und setzte ihre Studien als Organistin bei Marie-Claire Alain in Paris fort, wofür sie von der Royal Philharmonic Society und dem Royal College of Organists ausgezeichnet wurde. Eine Handgelenksverletzung unterbrach jedoch ihre Karriere als Organistin. Nachdem sie Jura studiert hatte, begann sie 2006 ein Dirigierstudium bei Colin Metters und Sir Colin Davis im Rahmen des Postgraduiertenstudiengangs für Dirigieren an der Royal Academy of Music. Cottis wurde mit den höchsten Dirigierpreisen der Royal Academy ausgezeichnet und schloss ihr Studium im Juli 2009 mit „Distinction“ ab. Ihre internationale Karriere wurde durch die enge Zusammenarbeit mit Mentoren wie Vladimir Ashkenazy und Donald Runnicles begleitet. Als begnadete Kommunikatorin wirkt Cottis auch als Inspiration für die jüngere Generation. Sie hat u.a. Projekte für Play School (ABC Australia), CBeebies (BBC) und das Royal Opera House gedreht, Projekte mit Organisationen wie dem National Youth Orchestra of Great Britain, Aldeburgh Young Musicians und Sistema Europe geleitet und Kurse für Dirigentinnen mit der Royal Philharmonic Society in London durchgeführt.
Jessica Cottis lebt im Norden Londons. Sie ist eine begeisterte Schmetterlingskundlerin und lernt in ihrer Freizeit das Fliegen von Hubschraubern.
Frank Peter Zimmermann
Violine
Frank Peter Zimmermann zählt zu den führenden Geigern unserer Zeit. Für seinen unverwechselbaren Ton, seine tiefe Musikalität und seinen scharfen Intellekt gepriesen, arbeitet er seit mehr als drei Jahrzehnten mit allen bedeutenden Orchestern und renommierten Dirigenten der Welt zusammen. Er ist regelmäßig in allen bedeutenden Konzertsälen und bei den internationalen Festivals in Europa, Amerika, Asien und Australien als Solist zu Gast. Im Laufe der Jahre hat Frank Peter Zimmermann eine beeindruckende Diskografie aufgebaut. Seine Aufnahmen erschienen bei EMI Classics, Sony Classical, BIS, hänssler CLASSIC, Ondine, Decca, Teldec und ECM Records. Er hat das nahezu vollständige Konzertrepertoire für Violine von Bach bis Ligeti eingespielt. Viele seiner Aufnahmen wurden mit internationalen Auszeichnungen überhäuft. Zu den jüngsten Einspielungen zählen die Violinkonzerte von Martinů mit den Bamberger Symphonikern und Jakub Hrůša, kombiniert mit der Solo-Sonate von Bela Bartók, die zwei Violinkonzerte von Schostakowitsch mit dem NDR Elbphilharmonie unter Alan Gilbert (für BIS, nominiert für einen Grammy Award) sowie die Violinkonzerte von Johann Sebastian Bach mit den Berliner Barock Solisten (hänssler CLASSIC). Zimmermann erhielt eine Reihe von bedeutenden Preisen und Ehrungen, darunter den „Premio del Accademia Musicale Chigiana, Siena” (1990), den „Rheinischen Kulturpreis” (1994), den „Musikpreis” der Stadt Duisburg (2002), das „Bundesverdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland” (2008) und den „Paul-Hindemith-Preis der Stadt Hanau” (2010).
1965 in Duisburg geboren, begann Zimmermann als Fünfjähriger mit dem Geigenspiel und gab sein erstes Konzert mit Orchester bereits im Alter von zehn Jahren. Er studierte bei Valery Gradow, Saschko Gawriloff and Herman Krebbers.
Zimmermann spielt auf der Violine „Lady Inchiquin” von Antonio Stradivari (1711), die ihm freundlicherweise von der Kunstsammlung des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt wird.
Mel Bonis (1858-1937)
Suite en forme du valse op. 35-39
Mel Bonis wuchs in bescheidenen kleinbürgerlichen Verhältnissen in Paris auf. Nichts schien sie für eine musikalische Laufbahn zu prädestinieren. In einem wenig kunstsinnigen Umfeld brachte sie sich dennoch selbst das Klavierspielen bei und fing an zu komponieren. Im Alter von 16 Jahren wurde sie dem berühmten Komponisten César Franck vorgestellt, der ihr Klavierunterricht gab und großes Interesse an ihren ersten Kompositionen zeigte. Ein Jahr später holte er sie an das renommierte Pariser Conservatoire. Dort besucht sie – zeitgleich mit Claude Debussy – unter anderem Klassen für Begleitung, Harmonielehre und Komposition. Damals herrschte allerdings die Meinung vor, dass Komposition kein Beruf für eine Frau wäre, dass eine Frau nichts von Wert komponieren könne. Um jede weibliche Konnotation in ihrem Namen zu vermeiden, gab Mélanie sich deshalb das Pseudonym Mel Bonis. Trotz mehreren langjährigen Schaffenspausen war sie bis zu ihrem Tod eine produktive und inspirierte Komponistin, die insgesamt rund dreihundert Werke schuf. Die 1898 entstandene „Suite en forme de valses“ zeichnet sich, seinem „Saloncharakter“ entsprechend, durch eine Atmosphäre eleganter, stellenweise durchaus orientalisch nuancierter Leichtigkeit aus. Das Ballabile hat einen sehr ausgeprägten Tanzcharakter, Interlude et Valse lent hat eine melancholische Einleitung, auf die ein charmanter Walzer folgt. Scherzo-Valse verbindet zwei originelle und anmutig entwickelte Themen mit Leichtigkeit und Eleganz. In Leben und Werk von Mel Bonis zeigt sich exemplarisch der Konflikt zwischen Ambition und Konvention, zwischen musikalischer Neigung und konservativer Gesellschaft. Allen Widrigkeiten zum Trotz gehörte Bonis zusammen mit ihren Zeitgenossinnen Marie Jaëll, Augusta Holmès und Cécile Chaminade zu einer Gruppe von Musikerinnen, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts am Pariser Konservatorium ausgebildet wurden und als Komponistinnen das französische Musikleben bis weit in das 20. Jahrhundert hinein mitgestaltet haben.
Robert Schumann (1810-1856)
Konzert für Violine und Orchester d-Moll WoO 1
Im Sommer 1853 entstand während seiner letzten Monate in Düsseldorf das einzige originäre Violinkonzert von Robert Schumann. Es wurde allerdings nie zu Schumanns Lebzeiten aufgeführt. Seine Nachlassverwalter – seine Witwe Clara, Johannes Brahms und Joseph Joachim – wurden oft dafür kritisiert, dass sie späte Werke Schumanns unterdrückten, taten dies jedoch in dem Glauben, seinen Ruf zu schützen. Uraufgeführt wurde es in einer von Paul Hindemith überarbeiteten Fassung gegen den Willen seiner Erben erst am 26. November 1937 vor den Nazigrößen Robert Ley und Joseph Goebbels, gespielt von Georg Kulenkampff und den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Karl Böhm. Heutzutage wird zum Glück wieder die Originalgestalt des Werkes mit dem majestätischen Hauptthema des des ersten Satzes gespielt, das Bruckner vorwegzunehmen scheint. Gegenpart ist das liedhaft-lyrischen Seitenthema, das sich als heimliches Zentralthema des ganzen Konzerts erweist.
Zarte Sanglichkeit prägt den zweiten Satz, in dem Melodieführung und Begleitfiguren zwischen Orchester und Violine immer wieder ausgetauscht werden. Nur vier kurze Takte bilden den Übergang zum sich unmittelbar anschließenden Finale. Bis zum strahlenden Schluss setzt sich ein geistvolles Spiel mit Themen, Motiven und deren Ableitungen und Varianten fort, das mit zahlreichen thematischen Bezügen innerhalb des Satzes wie auch des ganzen Konzertes aufwarten kann.
Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Symphonie Nr. 6 F-Dur op. 68
„Erinnerungen an das Landleben, mehr Ausdruck von Gefühlen als Malerei“, so lautete Beethovens Bemerkung auf dem Titelblatt seiner sechsten Symphonie, die 1808 uraufgeführte wurde. Es war Beethovens bahnbrechender Versuch, die Klänge und Stimmungen der Natur mit einem großen symphonischen Entwurf zu verbinden. Im breit angelegten Eröffnungssatz leitet sich fast alles von den anfänglichen stockenden Violinphrasen ab, die über einer rustikalen, dröhnenden bloßen Quinte der Violinen und Celli gespielt werden. Nur das zweite Hauptthema, das mit einem allmählichen Crescendo einhergeht, bietet einen wirklichen thematischen Kontrast. So konsequent wie der Kopfsatz weitgehend frei von dramatischen Ereignissen ist, so zieht sich das sanft wogende Rauschen des Baches fast ununterbrochen durch den langsamen Satz. Gegen Ende hält das Glucksen des Wassers für einen Moment inne, während Beethoven die Klänge von Nachtigall, Wachtel und Kuckuck vorstellt, die von Flöte, Oboe bzw. Klarinetten wiedergegeben werden. Der 3. Satz ist mit „Lustige Zusammensein der Landleute“ als Scherzo konzipiert. Oberflächlich kommt es als eine Art Bauerntanz daher. Beethoven spielt hier durch raffinierte rhythmische Verschiebungen, plötzliche Harmoniewechsel und eine scheinbar falsch einsetzende Oboenmelodie mit den Hörerwartungen. Nach einer vollständigen Wiederholung erklingt im 4. Satz erneut der erste Teil, der aber bereits nach acht Takten seinen Charakter verändert: Die aufkeimende Nervosität deutet auf das kommende Unwetter hin. Das beginnt ganz harmlos im Pianissimo, mit einem dumpfen Gefühl aufgestauter Spannung, bevor der Donner plötzlich seine ganze Gewalt entfesselt. Als das Donnergrollen endlich verklingt, verwandelt sich das „Regentropfen“-Geträller der Anfangstakte der zweiten Violinen in einen breiten choralartigen Dankgesang bevor eine sanft ansteigende Tonleiter der Flöte direkt in das Finale führt, in dem die Klarinette eine vorläufige Version des Hauptthemas des Finales spielt. Während die Klarinettenmelodie vom Horn übernommen wird, setzen die Celli ein und erzeugen einen Effekt, der das Finale in eine Atmosphäre von ländlichem Charme versetzt.
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