Enttäuschend ist hingegen, dass der Gerichtshof keinen Verstoß gegen das Folterverbot festgestellt hat – trotz der Isolationshaft, der Yücel neun Monate lang gehalten wurde und trotz seiner Berichte über die körperlichen und seelischen Misshandlungen, denen er im Hochsicherheitsgefängnis Silivri Nr. 9 einige Tage lange ausgesetzt war.
Enttäuschend ist zudem der Umstand, dass der Gerichtshof gemäß Artikel 18 der Europäischen Menschenrechtskonvention kein politisch motiviertes Verfahren festgestellt hat. Wenn nicht einmal die wiederholten öffentlichen Anschuldigungen gegen Yücel durch den türkischen Staatspräsidenten ausreichen, müssen sich die Straßburger Richter die Frage gefallen lassen, was in ihren Augen noch alles passieren muss, damit sie die politische Motivation eines Strafverfahrens feststellen.
Jenseits aller Details kommt dieses Urteil – fünf Jahre nach Yücels Haftbeschwerde – viel zu spät. Zum Glück ist er inzwischen in Freiheit. Bei Osman Kavala und PEN-Ehrenmitglied Selahattin Demirtas hingegen weigert sich die Türkei, die einschlägigen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in die Tat umzusetzen.
Das deutsche PEN-Zentrum befürwortet darum das Vertragsverletzungsverfahren des Europarates gegen die Türkei. Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wären wertlos, wenn die Mitgliedstaaten des Europarates sie ungeahndet missachten könnten.
Um die Glaubwürdigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu wahren, fordert das deutsche PEN-Zentrum, die Mitgliedschaft der Türkei im Europarat zu suspendieren, und die türkische Regierung einmal mehr dazu auf, ihren vertraglichen Verpflichtungen und der türkischen Verfassung nachzukommen und Osman Kavala und Selahattin Demirtas umgehend freizulassen. Zudem fordert der deutsche PEN als Konsequenz dieses Urteils, alle in der Türkei anhängigen Verfahren gegen seinen Präsidenten Deniz Yücel einzustellen.
P.E.N.-Zentrum Deutschland
Kasinostr. 3
64293 Darmstadt
Telefon: +49 (6151) 23120
Telefax: +49 (6151) 293414
http://www.pen-deutschland.de/
Telefon: +49 (6151) 23120
Fax: +49 (6151) 293414
E-Mail: presse@pen-deutschland.de