Dringenden Korrekturbedarf sieht das Deutsche Energieberater Netzwerk DEN e.V. an den individuellen Sanierungsfahrplänen (iSFP) im Gebäudebereich und der damit verknüpften Förderungsmechanik. Hier bestehe ein Missverhältnis zwischen fachlich seriösen Zielen der Energieeffizienz bei Gebäudesanierungen und den Möglichkeiten, hohe Fördersummen zu beziehen, selbst wenn die letztlich umgesetzten Sanierungsziele diese gar nicht rechtfertigten. So würden die geltenden Vorschriften zu Mitnahmeeffekten führen. Zudem weisen Mitglieder des Netzwerks nach immer wieder gemachten Erfahrungen darauf hin, dass Interessenskonflikte zwischen Fördergebern und Energieberatern entstehen, sobald diese nicht mehr wirtschaftlich unabhängig agieren, sondern Technologien und Produkte etwa auf Provisionsbasis vertreten.

Mit der seit Anfang/Mitte 2021 geltenden „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) wurden alle Fördermaßnahmen für den Neubau und die Sanierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden in einem Programm gebündelt. Die Zuständigkeiten wurden neu aufgeteilt zwischen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und Bundesamt für Ausfuhr und Wirtschaftskontrolle (BAFA). Wer als Immobilieneigentümer eine Vollsanierung nicht in einem Zug realisieren will, kann von einem Energieberater einen iSFP erarbeiten lassen. Dies bedeutet für den Kunden eine weitere Förderung in Höhe von fünf Prozent, wenn die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, zusätzlich zu den 80 Prozent der Beratungsleistung, welche der Fördergeber übernimmt.

„Gut gemeint ist nicht gut gemacht“, sagt dazu die Vorständin des DEN, Dipl.-Ing. Marita Klempnow. „Dieses System lädt dazu ein, individuelle Sanierungsfahrpläne zu erstellen, auch wenn sie gar nicht nötig sind. Es ist völlig unverständlich, weshalb die frühere Bundesregierung trotz zahlreicher Warnungen, die unter anderem von Seiten des DEN kamen, ein solches System implementiert hat.“

Zahlreiche Energieberaterinnen und Energieberater des DEN beklagten aus ihrer Praxis die durch das Bonus-System gesetzten falschen Anreize. So würden oftmals ohne Not Sanierungsfahrpläne erstellt, nur um in den Genuss der zusätzlichen Förderung zu gelangen. Dies binde unnötig Beratungskapazitäten. Der dadurch ausgelöste bürokratische Aufwand bis hin zu geplanten Kontrollen erhöhe die Belastung der Büros zusätzlich, so Marita Klempnow.

Die Landesvorsitzende des DEN in Sachsen, Dipl.-Ing. Stefanie Koepsell, stimmt ihrer Kollegin zu: „Fast alle unsere Mitgliederbüros sind inzwischen statt mit ihrer eigentlichen Aufgabe der Energieberatung und Begleitung von energieeffizienten Neubauten und Sanierungen mit der bürokratischen Anwendung und Auslegung der neuen Förderrichtlinien beschäftigt. Die grundsätzlich sehr gute Idee einer kurzen und prägnanten Richtlinie zur Förderung von Energieeffizienz in Sanierung und Neubau führt durch kleinteilige, praxisferne Auslegungen und fehlende Vereinheitlichung und Bürokratisierung zu einem unnötig hohen Aufwand bei allen Energieberatern.“

Ziel der individuellen Sanierungsfahrpläne sei es, gebäudespezifisch sinnvoll aufeinander abgestimmte Sanierungsvorschläge für ein Objekt zu erstellen. Durch die gegenwärtigen Bonusregelungen werde dieses ursprüngliche Ziel der Sanierungsfahrpläne jedoch konterkariert. Statt einer bauphysikalisch und energetisch sinnvollen Reihenfolge von Maßnahmen stehe stattdessen oftmals die Optimierung der Förderung im Vordergrund. Koepsell: „Dies muss dringend zeitnah korrigiert werden.“

Für den DEN-Vorsitzenden Dipl.-Ing. Hermann Dannecker zeigt sich am Beispiel der individuellen Sanierungsfahrpläne und des möglichen Missbrauchs von Steuermitteln sehr deutlich, wie dringend es ist, die Energieberatung zu einem eigenen Berufsbild aufzuwerten und entsprechende Ausbildungen anzubieten: „Es kann nicht sein, dass Handwerker mit überschaubarem Weiterbildungsaufwand als Energieberater und Energieeffizienzexperten auftreten dürfen und ihre Leistungen gleichwertig zu unabhängigen Büros anbieten können. Hier wird möglichem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.“

Der Vorstand des DEN plädiert deshalb dafür, die bisherigen Regelungen schnellstens zu überarbeiten. Dannecker: „Die neue Bundesregierung sollte frühere Fehlentscheidungen baldmöglichst korrigieren. Es wird hier ganz offensichtlich Steuergeld verpulvert, welches dem eigentlichen Ziel der Energieeffizienz und des Klimaschutzes dann nicht mehr zur Verfügung steht. Die gesamte Förderung gehört auf den Prüfstand gestellt und überarbeitet, nötigenfalls sogar gestoppt. Hier könnte ein Fachbeirat helfen, welcher die Förderregeln auf ihre Praxistauglichkeit prüft und den Gesetzgeber berät.“

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