Um das Verhalten von Trichoplax in der Schwerelosigkeit beobachten zu können, installierten die Forschenden in einem der Modultöpfe, aus denen die Rakete unter anderem zusammengesetzt ist, ein Mikroskop. „Wir waren sehr gespannt, wie sich das Tierchen in der Schwerelosigkeit verhalten wird“, sagt Professor Dr. Bernd Schierwater, der das Institut für Tierökologie an der TiHo leitet und bereits seit 30 Jahren mit Trichoplax arbeitet. „Welche Effekte hat die Gravitation auf den Organismus oder speziell, wie gerichtet wachsen die Zellen, wenn der Richtungsgeber Schwerkraft entfällt?“ In Schweden vor Ort sind Dr. Jens Hauslage vom DLR und Moritz Schmidt und Pia Reimann, die beide ihre Doktorarbeit im Institut für Tierökologie anfertigen. Um das Verhalten von Trichoplax auf der Erde und in der Schwerelosigkeit miteinander vergleichen zu können, zeichnete eine Kamera am Mikroskop auf, wie sich der einfache Vielzeller in der Schwerelosigkeit bewegt.
Trichoplax adhaerens spielt in der Evolutionsforschung eine wichtige Rolle. Die Tiere haben die primitivste Struktur unter den Vielzellern und gelten als Ursprungsorganismen aller Tiere. Es ist nur wenige Millimeter groß und weltweit in allen warmen Meeren zu Hause. Die Tiere besitzen keine Körperachse, also weder Kopf noch Rumpf. In ihrem abgeflachten, scheibenförmigen Körper finden sich auch keine Gewebe oder Organe. Sie bewegen sich im seichten Wasser amöbenartig über Steine oder Korallen fort, dabei verändern sie fortlaufend ihre Form.
Das Genom von Trichoplax adhaerens ist mit nur 97 Millionen Basenpaaren das kleinste Genom, das bei vielzelligen Tieren (Metazoa) bekannt ist. Das sind nur etwa ein Zehntel so viel Gene wie der Mensch besitzt. Schierwater veröffentlichte die Sequenz des Genoms im Jahr 2008 gemeinsam mit amerikanischen Forschenden. Es weist einige Überraschungen auf: Obwohl Trichoplax weder Sinnes- noch Nervenzellen oder sogar Augen, besitzt, finden sich beispielsweise im Genom ein ganzes Dutzend Opsingene. Diese Gene spielen eine Rolle bei der Lichtwahrnehmung. Vorhanden sind auch eine Vielzahl von sogenannten Achsen- und Symmetrie-Genen, die bei höheren Tieren die Kopf-Schwanz- und Bauch-Rücken-Achse festlegen. Und das obwohl Trichoplax weder Symmetrien noch Körperachsen besitzt. Da Trichoplax alle prinzipiellen Gene besitzt, die auch beim Menschen vorkommen, eignet es sich gut als Modellorganismus, um grundlegende Mechanismen zu untersuchen. Schierwater und Kollegen interessiert speziell die Entstehung von Krebs. Genetische Studien im All können beispielsweise helfen, die Gene zu finden, die unkontrolliertes Krebswachstum auslösen.
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