Große Pharmakonzerne bedienen die finanzkräftigsten Kunden zuerst – ohne Rücksicht auf Pandemieverlauf und Weltgesundheit. Das kritisiert die People’s Vaccine Alliance (PVA) im Vorfeld des Stata-Gipfels in Boston – eines wichtigen Branchentreffens der Pharmaindustrie. Pfizer, BioNTech und Moderna machen mit ihren Impfstoffen jede Sekunde etwa 1.000 US-Dollar Gewinn – fast 100 Millionen pro Tag. Gleichzeitig geht nur ein verschwindend geringer Teil der Impflieferungen in Länder mit niedrigem Bruttonationaleinkommen. Oxfam und die anderen Organisationen der PVA fordern die Aussetzung des Patentschutzes für COVID-19-Impfstoffe, -Tests und -Behandlungen.

Während die Impfraten in den bisherigen Empfängerländern vergleichsweise hoch sind und zum Teil Probleme bestehen, die Drittimpfungen überhaupt loszuwerden, sind in Ländern mit niedrigem Bruttonationaleinkommen (BNE) nur zwei Prozent der Menschen vollständig geimpft. Das bedeutet auch ein höheres Risiko für Mutationen, die sich weltweit verbreiten können. Zu den Ursachen der niedrigen Impfraten gehört, dass Moderna nur 0,2 Prozent seines gesamten Impfstoffangebots an einkommensschwache Länder geliefert hat. Pfizer/BioNTech stehen mit unter einem Prozent nicht wesentlich besser da.

„Pfizer/BioNTech und Moderna haben ihre Monopole genutzt, um den profitabelsten Verträgen mit den reichsten Regierungen den Vorzug zu geben. Dafür lassen sie einen ganzen Kontinent im Regen stehen. Diese Unternehmen sind mit der Verantwortung, die sich aus Forschungserkenntnissen ergibt, überfordert“, kommentiert Maaza Seyoum von der Afrikanischen Allianz und der People’s Vaccine Alliance Africa.

Öffentliche Förderung…

Hinzu kommt: Die drei Konzerne haben für ihre Forschung öffentliche Mittel in Höhe von über acht Mrd. US-Dollar erhalten. Dennoch haben sie sich gegen Empfehlungen der US-Regierung und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geweigert, mit Impfstofftechnologie und Know-how die Früchte der geförderten Forschung an alle fähigen Hersteller weiterzugeben – ein Schritt, der das weltweite Angebot erhöhen, die Preise senken und Millionen Leben retten könnte.

Anna Marriott, Oxfams Expertin für Gesundheitspolitik, erläutert: „Es ist völliger Unsinn zu behaupten, dass die Erfahrung und das Fachwissen zur Entwicklung und Herstellung lebensrettender Medikamente und Impfstoffe in Ländern mit geringerem Pro-Kopf-Einkommen nicht vorhanden sind. Dies ist nur eine faule Ausrede, hinter der sich die Pharmaunternehmen verstecken, um ihre astronomischen Gewinne zu schützen.“

…private Gewinne

Auf der Grundlage der Jahresabschlüsse der Unternehmen schätzt die People‘s Vaccine Alliance, dass Pfizer, BioNTech und Moderna in diesem Jahr mit ihren Impfstoffen insgesamt einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 34 Milliarden Dollar erzielen werden, was 93,3 Millionen Dollar pro Tag entspricht. Die Unternehmen haben während der Pandemie fünf neue Milliardäre hervorgebracht, die zusammen derzeit über ein Nettovermögen von 35,1 Milliarden Dollar verfügen.

Die People’s Vaccine Alliance, der 80 Organisationen angehören, darunter die African Alliance, Global Justice Now, Oxfam und UNAIDS, fordert  die Regierungen auf, alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Pharmaunternehmen zu bewegen, dass sie COVID-19-Daten, -Know-how und -Technologie mit dem COVID-19 Technology Access Pool der WHO und dem South Africa mRNA Technology Transfer Hub teilen.

Redaktionelle Hinweise

  • Einem Bericht der People’s Vaccine Alliance vom 12. Oktober zufolge hat Moderna nur 0,2 Prozent seines gesamten Impfstoffangebots an einkommensschwache Länder geliefert und Pfizer/BioNTech nur 0,4 Prozent.
  • In seinem Finanzbericht für das 3. Quartal prognostiziert Pfizer für das Jahr 2021 Impfstoffeinnahmen in Höhe von 36 Milliarden Dollar. Der Bruttogewinn aus diesen Einnahmen wird 50/50 mit BioNTech geteilt. Die Prognose von Pfizer für das Ergebnis vor Steuern (nach der Aufteilung des Gewinns mit BioNTech) liegt einer Pressemitteilung zufolge “prozentual im oberen Zwanzigerbereich“ (https://investors.pfizer.com/investor-news/press-release-details/2021/PFIZER-REPORTS-THIRD-QUARTER-2021-RESULTS/default.aspx) Bei einer konservativen Gewinnspanne von 25 Prozent würde Pfizer im Jahr 2021 mit dem Impfstoff Comirnaty Covid ein Einkommen vor Steuern von neun Milliarden US-Dollar erzielen.
  • In seinem Finanzbericht für das zweite Quartal prognostiziert BioNTech einen Umsatz von 15,9 Milliarden Euro mit dem Impfstoff. In den sechs Monaten bis zum 30. Juni erzielte das Unternehmen einen Gewinn vor Steuern von 5,7 Milliarden Euro bei einem Umsatz von 7,4 Milliarden Euro, was einer Marge von 77 Prozent entspricht (https://investors.biontech.de/news-releases/news-release-details/biontech-announces-second-quarter-2021-financial-results-and). Wir schätzen daher, dass BioNTech einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 12,2 Milliarden Euro erzielen wird – oder 14,6 Milliarden US-Dollar, wenn man den durchschnittlichen Wechselkurs von 2021 zugrunde legt.
  • Modernas Q3-Gewinn vor Steuern für die am 30. September endenden 9 Monate beläuft sich auf 7,9 Milliarden US-Dollar bei einem Umsatz von 11,3 Milliarden US-Dollar, was einer Vorsteuermarge von 70 Prozent entspricht. Das Unternehmen rechnet für das Gesamtjahr 2021 mit einem Umsatz „zwischen 15 und 18 Mrd. $“ (https://investors.modernatx.com/news-releases/news-release-details/moderna-reports-third-quarter-fiscal-year-2021-financial-results). Legt man das untere Ende der Schätzung zugrunde beläuft sich der Gewinn auf mindestens 10,5 Mrd. US-Dollar. Der Impfstoff ist das einzige kommerzielle Produkt von Moderna.
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