Schlaf gilt als Risikofaktor für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Wissenschaft und Forschung beschreiben zunehmend die Wichtigkeit von Schlaf und zirkadianer Rhythmik für deren Entwicklung und unterstreichen die Notwendigkeit der Berücksichtigung dieser Phänomene in Diagnostik und Behandlung entwicklungsneurologischer und psychischer Störungen. Ein Symposium der AG Pädiatrie der DGSM beleuchtet auf der Jahrestagung der Gesellschaft vom 28.-30. Oktober 2021 das Thema „Schlafmedizin an der Schnittstelle zwischen Pädiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie“.

Schlafstörungen sowie psychische Störungen beginnen häufig in der Jugend. Mit einsetzender Pubertät nimmt die Inzidenz zu, besonders bei Mädchen mit Einsetzen der Menstruation. Einhergehend mit den hormonellen und körperlichen Veränderungen setzen auch soziale Veränderungen, wie z.B. Autonomiebestrebungen, ein, welche ein vermehrtes Stresserleben in dieser Zeit bedingen können. Jugendliche, die mehr Stress in ihrem Alltag erleben, berichten auch häufiger über Schlafprobleme und psychische Auffälligkeiten. Die Arbeitsgruppe Entwicklungspsychologie und Entwicklungspathologie an der Universität Bielefeld hat Hinweise darauf gefunden, dass Jugendliche mit viel Stress schlechter schlafen und dass dies wiederum mit mehr emotionalen und Verhaltensproblematiken einhergeht.

„Ein zugrundeliegender Mechanismus zwischen diesen Problematiken stellt die hormonelle Reaktion der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse dar, kurz HPA-Achse genannt. Durch Ausschüttung von Glukokortikoid wie Cortisol reagiert der Körper auf akute Stressoren. Im Normalfall sinkt das Cortisollevel zeitnah nach dem Anstieg wieder. Bei häufigem oder langanhaltendem Stress kann es aber zu einer Dysfunktionalität der HPA-Achse kommen. Dabei steigt der Cortisolspiegel über das normale Maß an (Hyperreaktivität) oder es kommt zu einer besonders geringen Cortisolaktivität (Hyporeaktivität). Beides konnte bereits im Zusammenhang mit Depressionen, verschiedenen Angststörungen oder auch Traumaerfahrungen festgestellt werden“, erklärt Maren-Jo Kater von der Bielefelder Forschungsgruppe.

Diese ist in einem experimentellen Stresstest der Frage nachgegangen, ob Jugendlichen mit Hyporeaktivität belasteter sind als die mit normaler Stressreaktion. Dabei konnten sie feststellen, dass tatsächlich die Jugendlichen mit einer reduzierten Cortisolreaktion auf akuten Stress auch im Alltag häufiger Stress erleben und von mehr Schlafproblemen berichten. Zudem haben sie mehr internalisierende Probleme, wie Depressivitäts- und Angstsymptomatik, und eine geringere Lebensqualität. Dies sind Hinweise auf hormonale Veränderungen durch verstärkte Belastungen in der Jugend, welche wiederum zu einem aktuellen oder zukünftigen Problemgeschehen beitragen können. Sowohl Schlafstörungen als auch psychische Störungen chronifizieren häufig vom Jugendalter bis in das Erwachsenenalter. „Es stellt sich die Frage, ob die hormonale Veränderung ein Maß für das Chronifizierungsrisiko ist. Dies muss in weiteren Studien untersucht werden. Unabhängig davon sollten Schlafprobleme in der Jugend in therapeutischen und präventiven Maßnahmen angegangen werden, besonders, wenn über längere Zeit Stress erlebt wird, um eine Chronifizierung und komorbide psychische Störungen zu verhindern“, betont Maren-Jo Kater.

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