Im Wahlkampf behaupten Politiker gerne, die Armen würden immer ärmer, die Reichen immer reicher. Tatsächlich ist die Verteilung aber seit Jahren stabil, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW): In den Jahren vor der Corona-Pandemie haben ärmere Haushalte besonders stark vom Einkommenswachstum profitiert.

 

Ein großes Streitthema zwischen den Parteien kurz vor der Bundestagswahl ist die Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft. Auf ein sprachliches Bild greifen Politiker dabei sehr gerne zurück: Oft heißt es, die Einkommensschere zwischen Arm und Reich ginge immer weiter auseinander. Tatsächlich hat die Einkommensungleichheit in den zurückliegenden Jahren nicht weiter zugenommen, zeigt eine neue IW-Studie, für die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) – eine Langzeithaushaltsbefragung – ausgewertet wurden. Demnach haben sich alle Einkommensgruppen besserstellen können: Hatten die Deutschen im Jahr 2015 im Durchschnitt netto noch 24.853 Euro zur Verfügung, waren es 2018 inflationsbereinigt schon 26.335 Euro. Die einkommensärmeren 40 Prozent der Deutschen verbuchten ein Einkommensplus von 7,1 Prozent, die reicheren 60 Prozent ein Plus von 5,6 Prozent. Aktuellere Daten gibt es noch nicht. 

Relative Verteilung der Einkommen stabil 

Tatsächlich ist die relative Verteilung der Einkommen in Deutschland bereits seit 2005 bemerkenswert stabil. Dass die Einkommensungleichheit in wirtschaftlich starken Jahren nicht deutlich stärker gesunken ist, liegt im Wesentlichen an zwei gegenläufigen Entwicklungen. So hätte allein die positive Beschäftigungsentwicklung zwischen 2005 und 2016 eigentlich dazu geführt, dass die verfügbaren Haushaltseinkommen weniger ungleich verteilt sind. Dem wirkte allerdings die erhöhte Migration nach 2010 entgegen. Der Gini-Koeffizient, der die relative Einkommensungleichheit misst, veränderte sich während dieses Zeitraums deshalb kaum – denn viele Migranten, gerade Flüchtlinge mit wenig Hab und Gut konnten zumindest am Anfang nur ein sehr geringes Einkommen erzielen. „Der hitzigen Debatte um eine sich öffnende Einkommensschere zwischen Arm und Reich fehlt die wissenschaftliche Basis“, sagt IW-Studienautor Maximilian Stockhausen.  

Teilzeitbeschäftigung als wesentlicher Einflussfaktor 

Für viele Haushalte stellen die Arbeitseinkommen die wichtigste Einkommensquelle dar. Zwischen 1991 und 2018 stiegen die durchschnittlichen Arbeitseinkommen nominal um 76 Prozent, real blieben zwölf Prozent. Vor allem Branchen, in denen die Menschen häufig in Teilzeit arbeiten und einen unterdurchschnittlichen Lohn erhalten, wie beispielweise die Gastronomie, verzeichneten deutliche Zuwächse. 

Vergleich zu den 1990er Jahren 

Auch die sogenannte relative Einkommensreichtumsquote kann das Bild der sich öffnenden Einkommensschere nicht stützen. Die Quote bezieht sich auf diejenigen, die mehr als 200 Prozent des Medianeinkommens verdienen. Ihr Anteil ist seit 2005 nahezu unverändert und verharrt auf einem Niveau von rund acht Prozent. Die Studienautoren weisen aber auch darauf hin, dass hier im Vergleich zu den 1990er Jahren ein leicht höheres Niveau zu verzeichnen ist. Dennoch lässt sich in der Gesamtschau nicht feststellen, dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden. 

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