Getreideernte in Deutschland sichert regionale Versorgung, die Rohstoffbeschaffung wird aber immer aufwendiger
Die Getreideernte fällt in diesem Jahr – vor allem aufgrund der nassen Witterung im Juli und August – unterdurchschnittlich aus. Es wurden mit 21,0 beziehungsweise 3,3 Millionen Tonnen sowohl weniger Winterweizen als auch Roggen geerntet als noch im Frühjahr erwartet. Unterm Strich wird die Erntemenge aber auch in diesem Jahr ausreichen, um die heimischen Mühlen zu über 95 Prozent mit Getreide aus Deutschland zu versorgen.
Während die Backqualität des Weizens, gemessen am Rohproteingehalt in Ordnung ist, deutet das Hektolitergewicht aber bereits an, dass die Mehlausbeute geringer ausfallen wird. Auch der Anteil an Schmachtkörnern ist höher als sonst. Dies gilt sehr ähnlich für den Roggen. Wenn ein größerer Anteil von für die Verarbeitung nicht geeigneter Körner aussortiert werden muss und dadurch mehr Getreide vermahlen wird, um dieselbe Menge Mahlerzeugnisse herzustellen, trägt auch das zum erhöhten Aufwand in den Mühlenbetrieben bei.
Hartweizen – weltweite Ernteprognose wirbeln Markt auf
Der in Deutschland noch recht junge Hartweizenanbau ist zur Ernte 2021 um fast zehn Prozent auf eine Ackerfläche von rund 37.400 Hektar ausgeweitet worden, die Erntemenge bei guten Hektarerträgen auf fast 215.000 Tonnen angestiegen. Für die Deckung des Inlandsbedarfs von rund 400.000 Tonnen reicht die heimische Ernte jedoch trotz der Steigerung bei weitem nicht aus. Global gesehen ist das Angebot wegen deutlicher Ernteausfälle in Nordamerika allerdings sehr knapp. Der Preis für Hartweizen ist im August 2021 zwischenzeitlich auf über 600 Euro gestiegen. Im Vorjahr hat er noch bei 280 Euro und im Jahr 2019 bei 220 Euro pro Tonne gelegen.
Für die Hartweizen-Müllerei und die Hersteller von Teigwaren sind das schwierige Zeiten, machen die Rohstoffkosten für die Herstellung von Hartweizengrieß doch rund 80 Prozent der Gesamtkosten aus.
Quo vadis Standort Deutschland – energie- und umweltpolitische Maßnahmen weitere Preistreiber für hiesige Produzenten
Neben gestiegenen Rohstoffpreisen machen die weltweit höchsten Strompreise der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft weiter zu schaffen. Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln aus der Region verliert damit im hart umkämpften europäischen Lebensmittelmarkt immer mehr an Wettbewerbskraft.
Nun kommen weitere Kostensteigerungen mit der Einführung des nationalen Emissionshandelssystems hinzu. Die CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe verteuert nicht nur die Transporte. So wird die Prozesswärme, die etwa zum Dämpfen oder zum Trocknen von Haferflocken, Cerealien oder Teigwaren benötigt wird, sehr effizient aus Erdgas gewonnen, das seit Januar 2021 mit der nationalen CO2-Abgabe belastet ist. Die CO2-Abgabe hat somit empfindliche Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt.
Um die deutschen Unternehmen weiter im Wettbewerb zu halten und Abwanderungen ins benachbarte Ausland zu verhindern, sollen energieintensive Branchen über die Carbon-Leakage-Verordnung der Bundesregierung entlastet werden. Grundversorger wie Teigwaren- und Cerealienhersteller wurden dabei jedoch nicht berücksichtigt. Hintergrund ist, dass da die vom Gesetzgeber herangezogene EU-Liste der betroffenen Sektoren die einschlägigen Daten für die deutschen Unternehmen und Sektoren nicht ausreichend berücksichtigt.
Um dennoch die dringend gebotene Kompensation zu, müssen die nicht berücksichtigten Branchen nun in einem bürokratischen Antragsverfahren versuchen, auf die Liste der beihilfeberechtigten Sektoren zu gelangen. Nur so können sie gravierende Wettbewerbsnachteile gegenüber den europäischen Konkurrenten ausgleichen.
Derzeit überarbeitet die EU-Kommission ihre Beihilfeleitlinien für den Bereich Umwelt, Energie und Klima. Sie legen unter anderem fest, welche energieintensiven Branchen in Europa weiter Unterstützung bei der Kompensation staatlich verteuerter Strompreise erhalten können. Sollten die Leitlinien der EU-Kommission wie vorgelegt umgesetzt werden, würden 150 oder drei Viertel aller bisher beihilfeberechtigten Branchen von der Liste gestrichen – so auch die komplette Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft.
De facto würde dies zum jetzigen Zeitpunkt Mehrkosten für Industriestrom von 6,5 Cent pro Kilowattstunde bedeuten, eine Steigerung von gut 35 Prozent. Grund dafür ist, dass die bisherige besondere Ausgleichsregelung im deutschen Erneuerbare Energien Gesetz EEG von der EU-Kommission nach den geplanten Leitlinien als nicht mehr genehmigungsfähige Beihilfe angesehen werden würde. Auch wenn die Änderung der Leitlinien so gravierende Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft haben wird, muss sie, anders als EU-Verordnungen oder EU-Richtlinien, nicht im sogenannten Trilog von EU-Kommission, Rat und Parlament gemeinsam beschlossen werden.
Sollten die Leitlinien der EU-Kommission wie vorgesehen verabschiedet werden, muss die deutsche Politik reagieren und die EEG-Umlage vollständig abschaffen, will sie nicht riskieren, dass die Herstellung von Grundnahrungsmitteln in die europäischen Nachbarländer oder Drittsaaten ausgelagert wird.
Wie wertvoll ist regionale Versorgung?
Die deutsche Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft ist zentraler Pfeiler der Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln aus regionalen Rohstoffe. Wie wichtig eine solche starke Versorgungsbasis ist, hat gerade erst die Corona-Pandemie wieder vor Augen geführt. Die sehr hohen und weiter steigenden Energiekosten sowie die hohen Rohstoffkosten werden in die Kalkulationen der Unternehmen einfließen. Weiterverarbeiter, Handel und Verbraucher, Politik und Gesellschaft werden dann zeigen müssen, wie viel ihnen die vielgepriesene Regionalität wert ist.
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