Zum ersten Mal seit der Neuformulierung seiner Strategie hat der EZB-Rat über die weitere Ausrichtung der Geldpolitik beraten. Mit der heutigen Entscheidung verändert die EZB ihren geldpolitischen Ausblick. Die Zinsen sollen nun solange niedrig bleiben bis die EZB erwartet, dass die Inflation zwei Prozent erreicht und dort auf absehbare Zeit verbleibt. Ausdrücklich nimmt sie dabei Übergangsphasen in Kauf, in denen die Inflationsrate über der Zwei-Prozent-Marke liegt. Zuvor war als Vorbedingung für eine Zinserhöhung von Inflationsaussichten von „nahe, aber unter zwei Prozent“ die Rede. Prof.  Dr.  Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW Mannheim, erklärt dazu:

„In der heutigen Entscheidung des EZB-Rats zeigt sich, dass die veränderte geldpolitische Strategie nicht nur eine neue Rhetorik, sondern auch eine Veränderung in der Sache bringt. Mit dem überarbeiteten zinspolitischen Ausblick immunisiert die EZB ihre Negativzinsen und die Anleihekäufe auf lange Zeit gegen einen überraschend starken Inflationsanstieg. Es ist auffällig, wie selektiv die EZB aktuelle Entwicklungen wahrnimmt. Während die Risiken neuer Infektionswellen offenbar stark beachtet werden, ist das Interesse für die unverkennbaren Signale einer beginnenden Überhitzung von Teilen der Wirtschaft gering. Geldpolitisch sollte eigentlich der fast schon dramatische Anstieg der Produzentenpreise genauso sorgfältig beachtet werden wie die Pandemieentwicklung. All das sind Anzeichen dafür, dass die Inflation in der Zielfunktion der EZB mit der neuen Strategie an Gewicht verloren hat. In der praktischen Konsequenz bedeutet all dies die Fortdauer der Null- und Negativzinsen bis mindestens 2023.“

Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

Forschungsfelder des ZEW

Arbeitsmärkte und Personalmanagement; Digitale Ökonomie; Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik; Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement; Marktdesign; Soziale Sicherung und Verteilung; Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement; Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft, Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik.

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