„Da in den Sommermonaten genügend Impfstoff zur Verfügung steht, müssen jetzt alle Bevölkerungsschichten einen niederschwelligen Zugang zu einer Impfung erhalten“, sagt Dr. Aline Zucco, Expertin für Verteilungsfragen am WSI. „Ein Impfangebot am Arbeitsplatz ist dafür ein wichtiger Baustein.“ Der weitere Fortschritt der Impfkampagne hänge dabei letztendlich auch davon ab, dass keine Gruppe abgehängt wird. Unter den Ungeimpften mit geringen Löhnen sind auch viele Beschäftigte, die am Anfang der Pandemie als Heldinnen und Helden der Corona-Krise gefeiert wurden. Dazu zählen die besonders exponierten Verkaufsberufe: Nur gut die Hälfte der dort beschäftigten Befragten (52 Prozent) gab an, bereits mindestens einmal geimpft zu sein. Nach der Coronavirus-Impfverordnung sollten Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel eigentlich bevorzugt geimpft werden. „Wegen der Aufhebung der Impfpriorisierung sind viele Beschäftigte aus der Prioritätsgruppe 3, in die eine Tätigkeit im Lebensmitteleinzelhandel fiel, aber nicht mehr zum Zuge gekommen. Jetzt finden sich etliche davon offenbar im Dschungel um die Terminvergabe nicht zurecht“, erläutert Zucco. Deutliche höhere Impfquoten gibt es unter den Befragten aus den medizinischen Gesundheitsberufen (81 Prozent) und dem Bereich Erziehung und Soziales (74 Prozent), die überwiegend zu den Prioritätsgruppen 1 und 2 zählten.
„Gerade im Hinblick auf die sich ausbreitende Delta-Variante sollte es im Eigeninteresse der Arbeitgeber sein, hier möglichst schnell zu handeln, sodass bis zum Herbst möglichst viele Beschäftigte einen vollständigen Impfschutz haben“, so Zucco. Dies gelte im besonderen Maße für Branchen wie den Einzelhandel, das Gastgewerbe und den Bereich Verkehr und Logistik. Hier sind Kontakte am Arbeitsplatz zahlreich und vielen Beschäftigten fehlen die Ressourcen, bei Hausärzten oder Impfzentren schnell erfolgreich einen Impftermin zu bekommen. Bleibt ein betriebliches Impfangebot aus, ist der Betriebsrat für die Beschäftigten eine gute Anlaufstelle, um sich beim Arbeitgeber dafür einzusetzen. Allerdings arbeiteten nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Jahr 2020 nur noch 40 Prozent der Beschäftigten in der Privatwirtschaft in einem Betrieb mit Betriebsrat.
Auch aus epidemiologischer Sicht sei ein Fortschritt bei Beschäftigten mit geringem Einkommen unverzichtbar. Zwar ist unter Geringverdienenden der Anteil der Befragten, die noch ungeimpft sind und sich auch nicht impfen lassen wollen, mit 9 Prozent deutlich höher als unter Besserverdienenden (4 Prozent). Gleichzeitig berge diese Gruppe bei einer zunehmenden Durchimpfung der erwachsenen Bevölkerung aber auch das größte Potenzial: unter den Beschäftigten mit niedrigen Löhnen gaben 11 Prozent an, bereits einen Impftermin vereinbart zu haben; weitere 19 Prozent sind ungeimpft, wollten sich aber prinzipiell impfen lassen. Ungeimpft und noch unentschlossen waren 13 Prozent der Befragten im 1. Quintil (Abbildung 1 in der pdf-Version dieser PM; Link unten). „Wenn der Betriebsarzt während der Arbeitszeit unkompliziert eine Impfung anbietet, lassen sich dadurch viele Menschen zusätzlich erreichen“, so Zucco. „Und wenn die eigenen Kolleginnen und Kollegen zur Impfung gehen, überzeugt das vielleicht auch manche, die im Moment noch zögern.“
– Informationen zur Methode –
Für die Auswertung wurden 4.513 Datensätze von Beschäftigten ausgewertet, die vom 1. bis 30. Juni 2021 im Rahmen einer kontinuierlichen Online-Erhebung vom WSI-Portal Lohnspiegel.de erhoben wurden. Anders als die Zahlen des Robert Koch-Instituts sind die Daten also nicht stichtagsbezogen, sondern beziehen sich auf den gesamten Befragungszeitraum. Die Umfrage ist nicht-repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die Arbeitsbedingungen in Deutschland. Lohnspiegel.de ist ein nicht-kommerzielles Angebot der Hans-Böckler-Stiftung.
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