Der tiefe Wirtschaftseinbruch durch die Corona-Krise hat bislang nur relativ geringe Auswirkungen auf die Rentenansprüche älterer Beschäftigter. Auch im Falle von Kurzarbeit oder bei kürzerer Arbeitslosigkeit sind für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte jenseits der 50 die Einbußen bei der zu erwartenden gesetzlichen Rente zunächst moderat, weil ein großer Teil der Beiträge von der Arbeitsagentur übernommen wird. Das zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte neue Studie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).* Dagegen gerät die Altersversorgung von Selbstständigen oder Langzeitarbeitslosen, die in Hartz IV rutschen, durch Wirtschaftskrisen wie die Corona-Pandemie schnell in Gefahr. Sollte die Krise längerfristig auf den Arbeitsmarkt durchschlagen, wären die Konsequenzen für die Rentenansprüche also deutlich gravierender.

Um fast fünf Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt 2020 zurückgegangen. Trotz weitgehend erfolgreicher Stabilisierungspolitik für den Arbeitsmarkt haben Hunderttausende Menschen ihre Jobs verloren, Millionen mussten sich zumindest zeitweise mit Kurzarbeit und reduziertem Entgelt begnügen. Das hat Auswirkungen auf die Rentenansprüche. Dr. Johannes Geyer vom DIW Berlin analysiert, wie stark die künftigen Renten unter der aktuellen Krise leiden werden. Dabei hat der Forscher den Blick auf die älteren Erwerbstätigen gerichtet, denen weniger Zeit bleibt als Jüngeren, mögliche Rückschläge auszugleichen.

Der Forscher kommt zu dem Ergebnis: Die Gruppe der 50- bis 64-Jährigen muss – verglichen mit einem Szenario ohne Coronakrise – einen „leichten Rückgang von etwa einem Prozent der Rentenanwartschaften“ hinnehmen. Diese „günstige Entwicklung“ erklärt sich Geyer zufolge „vor allem daraus, dass ein großer Teil der Beschäftigungseffekte durch den Einsatz von Kurzarbeit aufgefangen wurde und die Langzeitarbeitslosigkeit zwar zunimmt, aber nicht in einem Maße, dass davon breite Gruppen der Beschäftigten bedroht wären“.

Im April 2020 waren fast sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit. Im Jahresdurchschnitt waren es 2,8 Millionen, etwa 8,7 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Im Schnitt kamen diese Beschäftigten nur auf 60 Prozent ihrer üblichen Arbeitszeit. Besonders stark betroffen war und ist das Gastgewerbe, wo die Kurzarbeiterquote zeitweilig auf 60 Prozent stieg. Allerdings schlägt sich der Arbeitsausfall nicht in gleichem Umfang in den Rentenansprüchen nieder. Denn die Arbeitsagentur zahlt Rentenbeiträge für 80 Prozent des ausgefallenen Verdienstes. Das heißt: Selbst Kurzarbeit null reduziert die Rentenanwartschaft im entsprechenden Zeitraum lediglich um 20 Prozent.

Die Arbeitslosenzahl stieg infolge der Krise um rund eine halbe Million. Zuerst verloren viele Beschäftigte ihren Job, bald wurde es für die Arbeitslosen immer schwerer, eine neue Beschäftigung zu finden. Entsprechend nimmt die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit zu. Die meisten der neu hinzugekommenen Arbeitslosen haben allerdings nach wie vor Anspruch auf Arbeitslosengeld I, dessen maximale Bezugsdauer in der Krise verlängert wurde. Auch für diese Gruppe gilt: Rentenbeiträge werden weitergezahlt, und zwar auf der Basis von 80 Prozent des letzten Bruttolohns. Die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf die Rentenanwartschaften fallen damit „moderat“ aus, so Geyer. Ernste Einbußen drohten erst, wenn sich die Wirtschaftskrise länger hinzieht und die Betroffenen in Hartz IV abrutschen.

Die Simulationsrechnung des Forschers stützt sich auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels, der größten jährlich wiederholten Haushaltsbefragung in Deutschland. Die Rechnung geht von der Annahme aus, dass 2020 rund 16 Prozent der älteren Beschäftigten zeitweise von Kurzarbeit betroffenen waren und die Quote für das laufende Jahr auf zehn Prozent sinkt. Zudem fließen Annahmen über die Zunahme und längere Dauer der Arbeitslosigkeit in die Kalkulation ein, wobei diese einen geringeren Effekt haben als die Kurzarbeit. Geyer setzt in seinem Szenario eine nach eigener Einschätzung „relativ schnelle Erholung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes“ an. Danach verläuft die Konjunktur bereits 2021 wieder günstiger, und die Beschäftigung kehrt bis 2025 auf einen ähnlichen Pfad wie vor der Krise zurück. Dem wird ein fiktives Szenario ohne Coronakrise gegenübergestellt.

Es zeigt sich: Die 50- bis 64-Jährigen kommen bis zu ihrem Renteneintritt im Schnitt auf 38,22 Entgeltpunkte – die Währung, in der Rentenansprüche gezählt werden –, würden ohne Coronakrise aber 38,62 erreichen. Die Differenz beträgt rund ein Prozent. „Insgesamt zeigen sich also relativ moderate Folgen des Wirtschaftseinbruchs für die hier betrachteten Gruppen“, urteilt Geyer. Vor allem dank des massiven Ausbaus der Kurzarbeit komme es „nur zu einem sehr kleinen Rückgang der Rentenanwartschaften“. Wobei allerdings zu beachten sei, dass die Krise nicht nur über die individuellen Anwartschaften auf die Rente wirkt, sondern die nächsten Rentenanpassungen bremsen dürfte. Der Rentenwert, der in Euro ausgedrückte Wert eines Entgeltpunktes, wird 2034 voraussichtlich 2,3 Prozent niedriger liegen als noch im Jahr 2019, also vor der Krise, prognostiziert.

Generell unterstrichen die Ergebnisse die wichtige Funktion von Kurzarbeitsgeld und Arbeitslosengeld, schreibt der Wissenschaftler. Allerdings sei zu bedenken, dass diese Instrumente lediglich den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zugutekommen und für die Arbeitslosen nur für einen begrenzten Zeitraum wirken. Die Altersversorgung von Selbstständigen oder Langzeitarbeitslosen, die in Hartz IV rutschen, gerate durch Wirtschaftskrisen schnell in Gefahr.

*Johannes Geyer: Die Folgen der Corona-Krise für die Anwartschaften an die gesetzliche Rentenversicherung. Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 216, Juni 2020. Download: https://www.boeckler.de/…

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