Der am 6. März 2021 im Zoo Berlin geschlüpfte Bartgeier mit dem Namen Quercus konnte – trotz der coronabedingten Einschränkungen – am vergangenen Wochenende seine Reise nach Südspanien antreten. Gestern wurde der Jungvogel aus Berlin gemeinsam mit einem Artgenossen im rund 2.600 km entfernten Sierra de Castril Natural Park in Andalusien in sein neues Zuhause entlassen. Für die Wiederansiedelungsaktion steht nur ein äußerst kleines Zeitfenster zu Verfügung: Mit einem Alter von 90 bis 100 Tagen müssen die Tiere an ihrem zukünftigen Horst ankommen. Ausschließlich in diesem Zeitraum sind sie weit genug entwickelt, um nicht mehr auf die Versorgung durch die Elterntiere angewiesen zu sein, aber noch nicht zu alt, um die neue Umgebung als ihr Zuhause anzuerkennen. In der ersten Zeit werden sie vom Forscher*innen-Team der Vulture Conservation Foundation (VCF) gefüttert, bevor sie schließlich ihre ersten Flüge ins Gebirge wagen werden. In ihrer neuen Umgebung finden sich die in Zoos und Tierparks geschlüpften Bartgeier erfahrungsgemäß gut zurecht. Als Aasfresser ernähren sie sich von toten Tieren und müssen das Jagen nicht erlernen. „Die Wiederansiedelung der Bartgeier zeigt wie wichtig solche Partnerschaften im Artenschutz sind“, erklärt Zoo- und Tierpark-Direktor Dr. Andreas Knieriem. „Mit den dortigen Wissenschaftler*innen eint uns ein gemeinsames Ziel: Faszination für Tier und Natur schaffen und gleichzeitig Lebensräume erhalten und bedrohten Tierarten eine Zukunft sichern“.
Vor seiner großen Reise wurden dem jungen Bartgeier vor ein paar Wochen zwecks Geschlechtsbestimmung Feder- und Blutproben entnommen, zudem wurde der Jungvogel beringt. „Wir freuen uns, dass es trotz der momentanen Einschränkungen geklappt hat. Wir sind sehr gespannt, unser Tier auf seinem neuen Weg aus der Ferne zu begleiten“, erklärt der Zoologische Leiter des Zoo Berlin Dr. Ragnar Kühne. Alle Bartgeier des Projekts werden mit einem GPS-Sender versehen. So kann der Lebensweg jedes einzelne Vogels vom Team der VCF dokumentiert werden. Im vergangenen Jahr musste das Artenschutz-Projekt jedoch einen traurigen Rückschlag erleben: Der im Tierpark Berlin geschlüpfte Bartgeier Dolomie konnte zwar erfolgreich ausgewildert werden, wurde jedoch wenige Monate später tot aufgefunden. Ein Röntgenbild zeigte 15 Schrotkugeln im Körper, polizeiliche Untersuchungen zum illegalen Abschuss brachten kein Ergebnis.
Mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,85 m gehört der Bartgeier zu den größten Greifvogelarten Europas. Er lebt vorwiegend in Gebirgsregionen oberhalb der Waldgrenze und legt Horste in Felsnischen an. Bartgeier haben eine wichtige Funktion für das Ökosystem. Sie werden auch als die Hygienepolizei der Natur bezeichnet, da die Geier bei der Beseitigung von Aas eine zentrale Rolle spielen. Durch ihren sehr säurehaltigen Magen können Bartgeier sogar Knochen verdauen.
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