Das gestern verabschiedete Energie- und Klimaprogramm Sachsens (EKP 2021) ist mit dem rechtsverbindlichen internationalen 1,5-Grad-Ziel aus dem Paris-Abkommen unvereinbar. Und mit der Klima-Entscheidung des Verfassungsgerichts auch. In Sachsen bleibt noch viel zu tun.

Schon für den Sommer 2020 von der sächsischen Regierungskoalition angekündigt, ist das Energie- und Klimaprogramm (EKP) heute nun endlich beschlossen worden. Das Ergebnis ist jedoch enttäuschend. Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen und Rechtsvertreter der erfolgreichen Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), erklärt:

„Das neue EKP verletzt das Pariser Klima-Abkommen. Denn es strebt ausdrücklich die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze beim Klimawandel nicht einmal an. Dabei ist diese international rechtsverbindlich nach dem Pariser Klima-Abkommen. Auch das BVerfG hat deutlich gemacht, dass dies die verbindliche Zielvorgabe ist, und nicht 2 Grad oder „deutlich unter 2 Grad“, wie das EKP nun suggeriert.“

Dass Sachsen sich bei Zielen und Treibhausgas-Budgets am Bund orientieren will, ist aus Sicht des BUND Sachsen unzureichend. Denn, so Ekardt,

„Auch das neue Klimaschutzgesetz des Bundes ist unvereinbar mit der BVerfG-Klima-Entscheidung vom Frühjahr. Die Entscheidung hatte verlangt, dass zur Wahrung der Freiheit aller eine faire Balance zwischen den Generationen beim Klimabudget hergestellt werden muss. Dem wird jedoch auch das neue Bundes-Klimaschutzgesetz nicht gerecht. Deshalb ist es auch völkerrechtswidrig und verfassungswidrig, wenn sich Sachsen weiter zum Kohlekompromiss bekennt.“

Für die 1,5-Grad-Grenze muss der Kohleausstieg weit vor 2038 erfolgen, lässt sich doch kein Sektor so leicht wie der Stromsektor dekarbonisieren, so Ekardt. Folglich hätte das EKP nicht einfach auf die – unzureichenden – Bundesziele und Sektorenziele verweisen dürfen.

Dass auf vorrangiges Handeln auf EU- und Bundesebene hingewiesen wird, ist durchaus plausibel, denn die Kernaufgaben, die fossilen Brennstoffe bei Strom, Wärme, Verkehr, Zement, Kunststoffen und in der Landwirtschaft auf null bis 2030 oder 2035 zu bringen, kann nur EU-weit gelöst werden. Gleiches gilt für die nötige starke Reduktion der Nutztierhaltung. Die Chance dafür ist 2021 auch da, weil die EU-Kommission in Kürze neue Klimapolitik-Vorschläge präsentieren wird. Dazu fehlt im EKP jedoch die wichtigste Aussage.

Ekardt: „Wir erwarten, dass Sachsen in EU und Bund den Antreiber macht und auf ambitioniertere Klimamaßnahmen drängt. Bisher spielen Sachsens Ministerpräsidenten stets den Bremser, etwa um die heimische Kohle zu schützen. Wenn die EU-Kommission ihre Verschärfungs-Vorschläge für den Emissionshandel im Sommer präsentieren wird, wollen wir von Sachsens Staatsregierung nicht mehr hören: EU, mach langsamer, sondern: EU, mach schneller. Bitte integriere alle fossilen Brennstoffe in den Emissionshandel und nimm sie europaweit bis spätestens 2035 aus dem Markt“.

Das EKP plant nichts dergleichen und kündigt gar implizit Widerstand an, indem für günstige Energiepreise geworben wird. Dies ist angesichts der Folgekosten des Klimawandels schon volkswirtschaftlich irrational. Dass Klimaschutz eine riesige wirtschaftliche Chance ist, wie es US-Präsident Biden propagiert, ist in Sachsen offenbar zumindest bei einigen Parteien noch nicht angekommen.

Ferner fehlt im EKP eine genaue Betrachtung, was man jenseits von Bundes- und EU-Maßnahmen auf Landesebene tatsächlich rechtlich regeln darf und welche ökologischen Wirkungen man damit erzielen könnte. Wesentlich sind beispielsweise planungsrechtliche Maßnahmen, um den öffentlichen Personennahverkehr voranzubringen, um den Windenergieausbau nicht zu behindern und die Nutzung der Flughäfen zu begrenzen. Ferner müsste Sachsen umgehend alle direkten und indirekten Subventionen für klimaschädliche Industrien streichen, etwa Vergünstigungen bei Abgaben für die Kohleunternehmen. All das findet sich im EKP 2021 nicht wieder. So hat der BUND Sachsen in Bezug auf den Koalitionsvertrag hingewiesen, dass die Ausbauziele der erneuerbaren Energien von 4 TWh bis 2024 und 10 TWh bis 2030 nicht ausreichen, um die Energiewende in Sachsen zu schaffen. Auch warnt der BUND Sachsen davor, dass selbst diese Ziele mit der im EKP 2021 vereinbarten 1.000-Meter-Abstandsregel von Windkraftanlagen zu scheitern drohen. Und auch im Bereich Verkehr und Wärme bleiben die Aussagen vage, hier werden Widersprüche nicht aufgelöst, und jegliche konkreten Zielsetzungen fehlen.

Eine Stärke des neuen EKPs 2021 ist demgegenüber, dass die lokalen Folgen der voranschreitenden Klimakrise an vielen Stellen sehr detailliert, anschaulich und bereichsspezifisch dargelegt sind, sowie die steigende Herausforderung der Klimaanpassung deutlich gemacht wird. Primär verlangt der Klimawandel jedoch wirksamen Klimaschutz und nicht Anpassung.

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