Die Nudging-Methode
Der Begriff Nudging kommt aus dem Englischen und bedeutet „anstupsen“ oder „anregen“. Er beschreibt eine Methode, die das Verhalten von Menschen in eine gewünschte Richtung lenken soll, ohne dabei die Wahlfreiheit einzuschränken oder Gebote, Verbote und Sanktionen einzusetzen. Der Begriff stammt aus der Verhaltensökonomik und basiert auf der Idee, dass Menschen durch gezielte Maßnahmen zwanglos zu bestimmten Verhaltensweisen oder Entscheidungen motiviert werden können, welche für sie selbst oder für die Gesellschaft vorteilhaft oder wünschenswert sind. Durch Änderungen von Entscheidungsumgebungen lassen sich so bestimmte Ziele erreichen.
Per Stups zu einem besseren Lebensstil?
Doch was steckt dahinter? In allen Lebensbereichen treffen wir täglich unzählige Entscheidungen – und das oftmals blitzschnell und intuitiv. In vielen Fällen fällt die Wahl auf die „ungesunde“ Variante, die häufig auch die bequemste ist. Allein mit Blick auf die Folgekosten einer fehlerhaften Ernährung wäre es aus gesellschaftspolitischer Sicht wünschenswert, das (Ess-)verhalten der Bevölkerung positiv zu beeinflussen. Der Einsatz der Nudging-Methode scheint hier naheliegend – aber inwieweit kann sie unsere Essenswahl beeinflussen und uns zu mehr Bewegung animieren? Dieser Frage ging das Kompetenzzentrum für Ernährung nach und startete im Jahr 2016 mit der Erprobung von Nudging-Maßnahmen in der Praxis. Die Modellprojekte fanden im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung und an Hochschulen statt. Dabei bearbeitete das KErn die Themen Ernährung und Bewegung/sitzender Lebensstil und erprobte verschiedene Maßnahmen, die auf dem Nudging-Gedanken beruhen. Hier konnte das KErn zeigen, der „Stups“ in Richtung eines gesünderen und nachhaltigeren Verhaltens funktioniert.
Repräsentative Ergebnisse durch Online-Umfrage
Darauf aufbauend weitete das KErn im Dezember 2019 seine Forschung zum Thema Nudging aus und setzte einen weiteren neuen Schwerpunkt: die Akzeptanz von verschiedenen Nudging-Maßnahmen in der Bevölkerung. Mit Hilfe einer Online-Befragung durch das Regionalinstitut für Mittelstandsmarktforschung (RIM) wollten die Initiatoren heraus-finden, wie offen die Menschen für die Umsetzung von Nudging-Maßnahmen sind. Das RIM hat dabei deutschlandweit 1.046 Personen ab 16 Jahren in Privathaushalten befragt. Die Studie liefert Ergebnisse über die Einstellung der Befragten zu Nudging und darauf basieren den Interventions-Maßnahmen, die der Förderung gesünderer Verhaltensweisen in den Bereichen Ernährung, Bewegung, Nachhaltigkeit, allgemeine Gesundheit und Bildung dienen. Ziel war es, herauszufinden, welche Akzeptanz diese sogenannten „Gesundheitsnudges“ in der Bevölkerung haben. Als besonderer Vorteil dieser sanften Verhaltenslenkung werteten 75% der Befragten, dass es keine Verbote gibt, sondern sie frei entscheiden können, ob sie das Angebotene nutzen möchten oder nicht. Auch dass Nudging gerade die Menschen erreicht, die sich sonst weniger oder kaum Gedanken um ihre Gesundheit machen, spricht viele der Befragten an. Hier kommt es zu einer ähnlich hohen Zustimmung. Vergleichsweise schwächer, jedoch immer noch mehrheitlich begrüßen sie, dass man sich nicht großartig anstrengen muss, um sich gesünder oder nachhaltiger zu verhalten. Das RIM fragte nach ganz konkreten Maßnahmen, die die Befragten als sehr wirksam einschätzen. Das sind beispielsweise Nudges wie die Ausgabe wiederverwertbarer Einkaufstüten in Supermärkten (positive Bewertung von 88 %), die Verfügbarkeit von Trinkwasserspendern im öffentlichen Raum (positive Bewertung von 85%) oder die Verfügbarkeit von freien Bewegungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum (positive Bewertung von 74 %). Weitere konkrete Ergebnisse sind in der Broschüre zur Studie dokumentiert.
Nudging als probates Mittel im Instrumenten-Mix
Die repräsentative Untersuchung des KErn über die allgemeine Akzeptanz von sogenannten „Gesundheits-Nudges“ untermauert die positiven Ergebnisse der Praxistests. Diese beweisen, dass Nudging durchaus gesundes Verhalten fördert – vor allem im Bereich Bewegung, Ernährung und Umweltbewusstsein Die Studie zeigt auch, dass die Methode sehr positiv angenommen wird, da die Menschen das Nudging nicht als Anordnung, sondern als einen Anstoß sehen. Die Ergebnisse ermuntern also dazu, Nudging als ernährungspolitisches Instrument in weitaus stärkerem Maße als bisher in den Methodenmix einzubeziehen. „In Kombination mit anderen Instrumenten stellen die „Stupser“ ein sehr wirksames und vergleichsweise günstiges Werkzeug dar, um neben Labelling, Steuern, Subventionen und Infokampagnen einen gesunden und nachhaltigen Lebensstil zu fördern.“ sagt Christine Röger, Bereichsleiterin Wissenschaft am KErn und Leiterin der Nudging-Projekte am KErn. „Nudging ist damit die sanfte Variante und weitaus besser in der Bevölkerung akzeptiert als mögliche Steuern oder gar Verbote.“
Die nun vorliegende repräsentative Studie richtet sich an Fachleute aus unterschiedlichen Disziplinen, die an der Gestaltung von Fördermaßnahmen und -programmen für eine gesunde und nachhaltige Ernährung und einen solchen Lebensstil arbeiten. Das KErn möchte in einer leicht verständlichen und eingängigen Form mit fundierten Fakten informieren, um eine gute Entscheidungsgrundlage im Hinblick auf Nudging zu geben.
Die ausführlichen Ergebnisse der Studie und weitere Informationen zu Nudging stehen als Download auf unserer KErn-Homepage kostenlos zur Verfügung.
Das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) bündelt das Wissen rund um Ernährung in Bayern. Das KErn konzipiert Fachveranstaltungen und unterstützt die bayerische Ernährungswirtschaft. Für verschiedene Zielgruppen werden Informationsmaterialien und Modellprojekte entwickelt. Das KErn gehört zum Ressort des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF).
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