Die Zahlen sind alarmierend: Laut dem von der Bundesregierung eingesetzten Sachverständigenrat zur Begutachtung des Gesundheitswesens (SVR) ist bei Rückenschmerzen die Quote der Falschbehandlungen enorm hoch. Dies gilt vor allem für Rückenoperationen. Bis zu 80 Prozent der Patienten würden sich nach Einholen einer Zweitmeinung mittlerweile gegen eine Operation entscheiden, so der SVR. Die Experten fordern für bessere Diagnosen eine intensivere Zusammenarbeit von Hausärzten, Orthopäden, Physiotherapeuten und Psychologen. In der Orthopädischen Universitätsklinik Bad Abbach ist dies seit einem Jahr der Therapie-Standard: in dem im Oktober 2017 eröffneten Wirbelsäulenzentrum. Ein Kompetenzzentrum wie dieses gibt es in der Form in Deutschland bisher kein zweites Mal.

Ärzte und Therapeuten unterschiedlicher Fachrichtungen behandeln dort zusammen mit Partnern interdisziplinär alle Arten von Wirbelsäulenerkrankungen. Vorteil für die Patienten: viel genauere Diagnosen, noch individuellere Behandlungen und vor allem die Vermeidung von überflüssigen Operationen. „Im ersten Jahr seit Eröffnung kamen mehr als 4.800 Patienten, 1.600 wurden stationär behandelt. In der Zweitmeinungssprechstunde wurden die Ursprungsdiagnosen von mehr als 1.200 Patienten überprüft. In 60 Prozent aller Fälle wich unsere Beurteilung der Erkrankung deutlich von der Ursprungsdiagnose ab“, sagt Klinikdirektor Professor Dr. Joachim Grifka. In den meisten Fällen hätten dadurch überflüssige Operationen vermieden werden können.

Beschwerdefrei ohne Operation
Dem Wirbelsäulenpatienten erspart die Konzentration der unterschiedlichsten Fachgebiete in der Orthopädischen Universitätsklinik Bad Abbach Wege und Zeit. Und dem Betroffenen gibt es die Sicherheit für eine lückenlose Behandlung seiner Wirbelsäulenbeschwerden auf höchstem Niveau. Das Ergebnis: „Ein großer Teil der Patienten, die anderswo bereits einen Operationstermin hatten, war nach der Behandlung in Bad Abbach auch ohne chirurgischen Eingriff wieder beschwerdefrei“, sagt Oberarzt Dr. Florian Faber.

Geleitet wird das Kompetenzteam in Bad Abbach von Professor Dr. Joachim Grifka, dem Direktor der Klinik und der Sektion Wirbelsäule, Privatdozent Dr. Achim Benditz, Dr. Daniel Boluki und Dr. Florian Faber. Die vier Spezialisten decken durch die Vernetzung ihrer Fachgebiete im Bereich Orthopädie, Unfallchirurgie, Neurochirurgie, Allgemeinchirurgie, Physikalischer Therapie und Rehabilitation, Schmerztherapie, Chirotherapie, Kinderorthopädie und Sportmedizin das Behandlungsspektrum für Wirbelsäulenerkrankungen in der gesamten Breite ab.

„Diese vernetzte Kompetenz garantiert, dass bei der Behandlung stets höchster Qualitätsstandard gewährleistet ist“, so Oberarzt Dr. Daniel Boluki. Oberstes Ziel sei dabei die Vermeidung von chirurgischen Eingriffen. Die Praxis hat im vergangenen Jahr auch tatsächlich gezeigt: In 80 Prozent der Fälle, in denen normalerweise operiert worden wäre, ist auch eine konservative stationäre Behandlung erfolgreich. „Auch Bandscheibenfälle können so ohne Operation und deren Risiken erfolgreich behandelt werden“, sagt Oberarzt Dr. Achim Benditz.

Vernetzten Wirbelsäulen-Kompetenzzentren nach dem Bad Abbacher Modell gehört nach Überzeugung von Prof. Grifka die Zukunft. „Zur ambulanten Erstdiagnose in der Hochschulambulanz der Klinik in Bad Abbach braucht der Patient keine Facharzt-Überweisung. In Notfällen kann jeder Patient mit akuten Schmerzen unmittelbar und auch außerhalb der Sprechstundenzeiten, ebenso am Wochenende oder an Feiertagen in die Klinik kommen“, so Professor Grifka.

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