• Parteien beantworten 10 Fragen zur Mobilitätspolitik
  • Das eigentliche Problem bleibt unberücksichtigt
  • Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz: Am 14. März wird gewählt

Das Jahr 2021 wird ein Super-Wahljahr werden, denn es stehen nicht weniger als sieben Landtagswahlen, zwei Kommunalwahlen und schließlich die Bundestagswahl auf dem Plan. Wie bereits bei den zurückliegenden Wahlen zum Europaparlament, den Landtagen von Thüringen, Brandenburg und Sachsen sowie der Bürgerschaftswahl in Hamburg wird der Automobilclub von Deutschland (AvD) auch im Vorfeld der kommenden Abstimmungen den Parteien auf den sprichwörtlichen Zahn fühlen und deren verkehrspolitische Positionen in Form der AvD Wahlprüfsteine abfragen.

Den Anfang machen die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. In beiden Bundesländern hat der AvD den im Landtag vertretenen Parteien 10 Fragen zur Mobilitätspolitik vorgelegt und um Beantwortung gebeten. Bis auf die CDU Baden-Württemberg und die FDP Rheinland-Pfalz haben die Angeschriebenen uns ihre Antworten zukommen lassen. Für jedes der beiden Bundesländer haben wir die Antworten gemeinsam mit den Fragen ungekürzt und unbearbeitet zusammengestellt.

Damit kann sich jeder Leser zu den einzelnen Fragen einen eigenen, unverfälschten Eindruck von den Standpunkten der einzelnen Parteien verschaffen. Es fehlen lediglich die CDU Baden-Württemberg sowie die FDP Rheinland-Pfalz, von denen bis zum Stichtag leider keine Rückmeldung vorlag.

Die einzelnen Antworten hat der Politikexperte Clarsen Ratz im Auftrag des AvD ausgewertet und daraus die verkehrspolitischen Positionen der Parteien abgeleitet. Er kommt zu folgender Einschätzung:

Die SPD Baden Württemberg möchte analog zur Kohlekommission die Umgestaltung der Automobilindustrie angehen und einen landeseigenen Fond dazu auflegen. In Rheinland Pfalz dagegen zielen die Sozialdemokraten auf eine noch stärkere Nutzung der bestehenden Gesetze, wie das „Gute Arbeit von Morgen“-Gesetz und mehr öffentliche Mittel in Forschung investieren.

Die CDU spricht sich in Rheinland-Pfalz ebenso wie die FDP Baden-Württemberg für mehr Investitionen in technologieoffene Forschung und Entwicklung aus. Gleichzeitig sollte die Mobilität der jeweiligen Landesverwaltungen umgerüstet werden und Wasserstoff eine stärkere Rolle spielen. Die Grünen legen in beiden Bundesländern einen Schwerpunkt auf die Entwicklung und Förderung alternativer Technologien für den Umweltbereich. Ähnlich konsistent zeigt sich auch die AfD, die in Rheinland-Pfalz wie auch in Baden-Württemberg der Autoindustrie durch längere Übergangsphasen den Umbruch erleichtern will. Eine Fixierung auf die Elektrifizierung der Mobilität hält die AfD für grundlegend falsch. Dass das Thema „Automatisiertes Fahren“ große Chancen für die Zukunft mit sich bringt, darüber herrscht parteiübergreifend weitgehend Einigkeit. Allein die AfD in Baden-Württemberg äußert sich kritisch.

Offenbar bestehen zwischen allen Parteien zahlreiche Schnittpunkte, die darauf abzielen, mit einem Mobilitätsplan oder einer Mobilitäts-App die individuelle Mobilität zu fördern und die verfügbaren Mobilmöglichkeiten dem Bürger aufzuzeigen. Allerdings fällt dabei auf, dass Grüne und SPD speziell dem Radfahrerverkehr in Zukunft den Vorrang geben wollen und dazu eine intensivierte Verkehrslenkung verbunden mit einem weiter ausgebauten ÖPNV umsetzen wollen. Am weitesten geht dabei die SPD in Baden-Württemberg, die auch im ländlichen Raum das Fahrrad zum alltäglichen Hauptverkehrsmittel machen will. Durch einen ausgeglichenen Fahrzeugmix und die Stärkung von Bahn und ÖPNV wollen alle die Emissionen senken. Das 365-Euro-Ticket für das Jahr hat offenbar echte Chancen auf politische Umsetzung. Das einst stark propagierte E-Carsharing scheint inzwischen nur noch für wenige Parteien wichtig und hat sich zum Randthema entwickelt.

In beiden Bundesländern ist für die Grünen die einseitige Ausrichtung der Verkehrspolitik auf den Straßenverkehr ein grundlegender Fehler, weshalb sie auch die bestehenden Fahrverbote für Kraftfahrzeuge beibehalten wollen. Eine derart eindeutige Position zur Ausrichtung der Verkehrspolitik lassen CDU und SPD zwar vermissen, die CDU macht aber ihre ablehnende Haltung gegenüber Fahrverboten deutlich, die auch AfD und FDP äußern.

Auch einem einseitigen Hinlenken zur Elektro-Mobilität erteilen AfD und Liberale eine Absage. Die Mobilitätswende müsse in jedem Fall technologieoffen angegangen werden. Nur aus dem Zusammenspiel von technischer Entwicklung und den Kräften der Marktwirtschaft könnten tatsächlich zukunftsfähige Lösungen entstehen. Überzogen strenge Grenzwerte, zum Beispiel für CO2-Emissionen, seien vor diesem Hintergrund kontraproduktiv und würden nur einseitig eine Technologie bevorteilen.

Grundsätzlich sprechen sich alle Parteien für eine freie, individuelle Mobilität aus, wobei den Grünen ein deutlicher Hang zum Kollektivismus nicht abzusprechen ist. Für die Gestaltung einer zukünftigen Mobilität könnten die Vorstellungen, die die SPD Rheinland-Pfalz in ihrer Antwort auf Frage 8 skizziert, eine tragfähige Diskussionsgrundlage sein. Denn während sich nahezu alle Parteien eine Zukunft des Verbrennungsmotors gut vorstellen können, wenn dieser mit synthetischen Kraftstoffen betrieben wird, scheinen die Grünen diesen erst abschaffen zu wollen, um ihn später dann wieder zu reanimieren.

Die Zukunft der Mobilität sehen die meisten der befragten Parteien in einem breiten Mobilitätsmix mit leistungsfähigem ÖPNV und starkem Schienensystem. Eine breite Übereinstimmung zeigen die Positionen der Parteien auch in der klaren Befürwortung, die Entwicklung des Wasserstoffantriebs bzw. der Brennstoffzelle weiter zu fördern. Allein die Grünen bekennen sich in beiden Bundesländern zu einer drastischen Reduzierung von Autoverkehr und Autoindustrie.

Unter dem Strich zeigen sich quer durch das politische Spektrum zahlreiche Schnittmengen zwischen den befragten Parteien, die einer modernen Mobilität durchaus förderlich sein können. Damit es dazu kommt, wird aber die Qualität der politischen Ausgestaltung und Umsetzung entscheidend sein. Eine geradezu ablehnende Haltung gegenüber dem motorisierten Individualverkehr lassen hingegen die Positionen der Grünen erkennen, die mit dem Auto oder besser dem Autofahrer auf „Kriegsfuß“ zu stehen scheinen.

Über AvD Automobilclub von Deutschland

Als traditionsreichste automobile Vereinigung in Deutschland bündelt und vertritt der AvD seit 1899 die Interessen der Autofahrer. Mit seiner breiten Palette an Services wie der weltweiten Pannenhilfe, einschließlich einer eigenen Notrufzentrale im Haus, weltweitem Auto- und Reiseschutz, Fahrertrainings und attraktiven Events unterstützt der AvD die Mobilität seiner Mitglieder und fördert die allgemeine Verkehrssicherheit. Das Gründungsmitglied des Automobilweltverbandes FIA betreut seine rund 1,4 Millionen Mitglieder und Kunden ebenso persönlich wie individuell in allen Bereichen der Mobilität und steht für Leidenschaft rund ums Auto.

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