Mit grosser Freude nimmt die Vereinigung Zürcher Kunstfreunde ein Hauptwerk von Gerhard Richter als Geschenk von Hans B. Wyss und Brigitte Wyss-Sponagel entgegen. Das mehrteilige Gemälde «Acht Lernschwestern» (1966) wird ab Oktober 2021 in die Erweiterung des Kunsthaus Zürich einziehen.

BEDEUTENDES FRÜHES WERK DER POP ART
Acht Frauengesichter, alle ungefähr gleich alt, ähnlich frisiert, lächelnd. Die Bildquelle der Gemälde verweist auf ein alles andere als erfreuliches Ereignis, den Zeitungsbericht über einen Serienkiller-Fall von 1966 in Chicago, der es bis in die deutschsprachige Presse schaffte. Einen Zeitungsausschnitt davon hat Gerhard Richter auf Blatt 8 seines Atlas (das von Richter selbst angelegte Werkverzeichnis) geklebt. Um schnell an die Porträts der aus einem Schwesternwohnheim entführten und ermordeten Opfer zu gelangen, hatten die Berichterstatter auf alte, in einem Jahrbuch veröffentlichte, stereotype Passfotos mit Namen der Auszubildenden zurückgegriffen. Der Fall des Sexualstraftäters Richard Speck schockierte die Öffentlichkeit und ihre Meinungsführer. Robert F. Kennedy und Pulitzer-Preisträgerin Lisel Mueller beschäftigten sich intensiv mit der Mordserie. Über die Motive des Täters gab es abenteuerliche Erklärungen wie die XYY-Chromosomen-These. Die Printmedien, die im wachsenden Konkurrenzkampf zu Sendeanstalten standen, berichteten nonstop. Im Fernsehen nahmen «True Crime»-Geschichten mit fotogenen Standbildern überhand. Von der krassen Realität und Sensationslust inspiriert, schuf die Pop Art ihre Werke. Wie Andy Warhol mit seinen «Car Crashes» (1963), interessierte sich auch Gerhard Richter für stark medialisierte Ereignisse. Das Gemälde ist Zeugnis und Kommentar zu einem Paradigmenwechsel in der Medienlandschaft der 1960er, wo auch ein Krieg (Vietnam) erstmals live im Wohnzimmer verfolgt werden konnte und Sensationsgeschichten rund um gewöhnliche Menschen mehr und mehr die Boulevardzeitungen füllten.

SCHWERPUNKT KUNST AB 1960 IN DER KUNSTHAUS-ERWEITERUNG
«Acht Lernschwestern» ist ein sehr bedeutendes frühes Werk von Gerhard Richter, eines der ganz wenigen, die überhaupt noch für ein Museum erreichbar sind. Umso dankbarer ist das Kunsthaus für die grosszügige Geste von Hans B. Wyss und Brigitte Wyss-Sponagel: Mit ihrer Schenkung erfüllt sich ein jahrzehntelanger Wunsch des Kunsthauses, ein grosses Werk von Gerhard Richter in die Sammlung aufnehmen zu können und damit endlich eine Lücke zu schliessen. Die Kunsthaus-Erweiterung, die ihren Schwerpunkt auf die Kunst ab 1960 legt, ist dafür wie geschaffen.

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