Die niedrigen Milchpreise bedrohen die Existenz vieler Höfe und sind ein Symptom dafür, dass gute Lebensmittel und deren nachhaltige Produktion nicht ausreichend honoriert werden. Um dies zu ändern, braucht es ein Umdenken in der gesamten Wertschöpfungskette und klare Vorgaben aus der Politik.

„Ist der Milchmarkt noch zu retten?“ war das Thema einer Podiumsdiskussion, die der Demeter e.V. am 14. Januar 2021 online veranstaltete (volles Video und Kurzfassung). In den Blick genommen wurde die Situation der Bäuerinnen und Bauern, aber auch die Rolle des Handels sowie der Politik.

Moderator Max Moor kennt das Ringen um landwirtschaftliche Erzeugerpreise aus eigener Erfahrung – gemeinsam mit seiner Frau hat er vor Jahren einen Demeter-Hof mit Direktvermarktung aufgebaut. Geprägt von seinen Einblicken stellte er Fragen: Welchen Milchmarkt wollen wir? Welche Preise müssen gezahlt werden, damit sich Tierwohl, Weidehaltung und ein faires Einkommen für die Landwirtschaft umsetzen lassen? Was können Verbraucher*innen dafür tun? Sind Bio-Kunden nicht eigentlich die „Gelackmeierten“, weil sie dreifach zahlen: an der Ladenkasse den höheren Preis für das nachhaltigere Produkt, als Steuerzahler für die Agrarsubventionen und dann auch noch für die Folgekosten der verfehlten Agrarpolitik? Wie ist die Politik nun gefragt?

Demeter-Milchbauer Moritz Morgenstern führt einen Betrieb in Norddeutschland, auf dem die Kühe ihre Hörner behalten dürfen. Um den norddeutschen Demeter-Bäuerinnen und -Bauern eine Vermarktungsperspektive für ihre Milch zu geben, hat er die Norddeutsche Demeter-Milchbauern GmbH & Co. KG mitgegründet. Denn selbst wer nach den strengen Demeter-Richtlinien produziert, hat je nach Region nicht automatisch Erlöse, die die Kosten decken: „Gemeinsam mit unseren Partnern im Handel haben wir dafür gesorgt, dass die beteiligten Demeter-Landwirte in unserer Region einen festen, auskömmlichen Milchpreis erhalten – und alle weiteren Kosten, die entstehen, bis die Milch im Laden steht, obendrauf geschlagen werden. Die Verbraucher bezahlen dann am Ende einen Preis, der für alle Beteiligten fair ist,“ so Morgenstern. Er sieht die oft nicht-kostendeckenden Milchpreise in größerem Zusammenhang: „Werden keine fairen Erzeugerpreise gezahlt, wird das Höfesterben in der Fläche  weitergehen. Um dies zu stoppen ist eine kluge Agrarpolitik gefragt. Wir brauchen eine Agrarwende, die die Landwirte dabei unterstützt, nachhaltiger und damit zukunftsfähiger zu werden!“

Kirsten Wosnitza ist Milchbäuerin, sie betreibt einen konventionellen Betrieb und engagiert sich seit Jahren in Sachen fairer Milchpreis und Tierwohl (mehr dazu auf ihrem Blog DisKUHsion). Sie fordert: „Zur Rettung des Milchmarktes muss die Politik endlich die Möglichkeiten der europäischen Marktordnung umsetzen, damit die Verschwendung von knappen Ressourcen durch wiederkehrende Überproduktion endlich aufhört. Solange die Agrarpolitik das Prinzip von „immer mehr und immer billiger“ befördert, wird nachhaltige Milchviehhaltung in der Fläche nicht möglich sein. Wir kommen nicht darum herum: Wir brauchen einen Systemwechsel! Aber wir müssen das gegenseitige Bashing von Bauern und Verbrauchern stoppen – denn wir schaffen die Agrarwende nur gemeinsam mit gegenseitiger Wertschätzung und können auch nur gemeinsam politisch Druck ausüben!“

Tina Andres, Geschäftsführerin der Landwege Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft, legt Wert darauf, dass die Preise nicht zu Lasten einzelner Mitglieder der Wertschöpfungskette gemacht werden. „In der Nische gelingt es uns bereits gut: Verbraucher lassen sich davon überzeugen, für regionale, hochwertige Produkte einen kostendeckenden Preis zu zahlen, wenn wir die Werte und die Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern kommunizieren. Das Bewusstsein für Umweltthemen und Klimawandel wächst. Dies müssen wir nutzen, um den Systemwechsel einzuleiten und einem breiteren Publikum nachhaltige Lebensmittel zu auskömmlichen Preisen nahe zu bringen – aber auch um politisch einen Wandel einzuleiten. Denn wir haben nicht mehr viel Zeit, wir brauchen eine Ernährungswende!“

Schimon Porcher, Abteilungsleiter Markt bei Demeter und Biobauer, erklärt, dass das Kartellrecht verbietet, Mindestpreise festzusetzen. „Wir bieten unseren Mitgliedern Studien über Milcherzeugungskosten und das Zertifikat für die hohen Demeter-Standards, die ihnen ermöglichen, selbstbewusst in die Verhandlungen zugehen, um auskömmliche Milchpreise zu erzielen. Nachhaltiges Wirtschaften und Tierwohl führen zu Mehrkosten. Beispielsweise dürfen die Kühe bei Demeter ihre Hörner tragen, daher brauchen sie mehr Platz im Stall. Mehr als 90 Prozent der Kühe in Deutschland werden in engeren Ställen gehalten. Dort stehen ihnen keine tiergerechten Ausweichdistanzen zur Verfügung. Aus diesem Grund müssen sie enthornt werden, um sich nicht zu verletzen. Die Stallbaukosten sind also bei Demeter deutlich höher. Diese Werte kommunizieren wir an Handel und Kunden. Zudem setzen wir uns intensiv für die Agrarwende in der Politik ein – hier muss sich dringend etwas ändern, so dass die glückliche Kuh in nachhaltiger Haltung und ein angemessener Preis für ihre Erzeugnisse zum Normalfall wird!“

Weitere Impulse kamen von zwei Initiativen, die durch mehr Transparenz bessere Preise für eine nachhaltige Landwirtschaft erzielen wollen:

Was wollen die Verbraucher*innen, welchen Einfluss haben sie auf Nachhaltigkeit und Preise? Nicolas Barthelme hat die Verbraucherinitiative Du bist hier der Chef mitgegründet: „Wir drehen den Spieß um – wir fragen die Verbraucher, nach welchen Kriterien produziert werden soll, wie fair die Vergütung für die Landwirte sein soll. Wir schaffen Transparenz und Wertschätzung dafür welchen Mehrpreis beispielsweise die Förderung der Artenvielfalt oder das Tierwohl am Produktpreis ausmacht. Unsere unverbindliche Preisempfehlung drucken wir auf der Verpackung. Was wir wollen, ist ein Zeichen zu setzen für Qualität, für Fairness, für Transparenz – zu zeigen, dass es funktioniert. Wir wollen Handel und Verarbeiter  dazu inspirieren, diesen Weg mitzugehen. Denn es geht nicht um eine Nische, sondern um die Transformation zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft.“

Wie können Erzeuger*innen den Wert ihrer Arbeit transparent machen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Christian Hiss von der Regionalwert AG Freiburg. Er stellte das Projekt Regionalwert- Nachhaltigkeitsanalyse und -Leistungsrechnung vor: „Nachhaltigkeitsleistungen eines Hofes tauchen bisher in der betriebswirtschaftlichen Rechnung nur verdeckt auf der Kostenseite aber nicht auf der Ertragsseite auf. Das Ergebnis sehen wir derzeit in der Landwirtschaft – um überhaupt Gewinn zu erzielen, müssen viele auf Ressourcenausbeutung setzen und verursachen beträchtliche externe Kosten. Wenn wir aber Leistungen für nachhaltiges Wirtschaften bewerten und dann bepreisen können, dann hilft dies gegenüber den Kunden, einen guten Produktpreis zu argumentieren. Wir nutzen diese Zahlen auch in der politischen Diskussion. Denn wir haben festgestellt: Ein Systemwandel hin zu mehr Nachhaltigkeit käme die Gesellschaft letztlich günstiger als die derzeitigen Subventionen und Folgekosten.“

Eine Kurzfassung der Veranstaltung wird im Rahmen der Internationalen Grünen Woche gezeigt. Das Video der Veranstaltung sowie weitere Informationen finden Sie unter: www.demeter.de/milchpodium

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