Wenn die Ziele der Bundesregierung beim Glasfaser- und 5G-Ausbau auch nur ansatzweise erreicht werden sollen, muss die Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) die ausbauenden Unternehmen deutlich klarer unterstützen. So lautet das erste Fazit des VATM nach der heutigen Veröffentlichung eines an zentralen Stellen noch unabgestimmten Gesetzentwurfes. „Die Umsetzung des europäischen Rechtsrahmens droht sonst, den Glasfaserausbau eher zu verzögern, statt ihn – wie vorgesehen – zu beschleunigen. Denn neben einigen Verbesserungen zeichnen sich leider auch deutliche Verschlechterungen zu Lasten der Unternehmen und letztlich der gesamten deutschen Wirtschaft ab“, sagt VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Neuregelungen begünstigten eher die Telekom als die seit langem schon viel stärker ausbauenden Wettbewerber.

Ein zukünftig noch weitergehender Verzicht auf Regulierung gegen bloße Zugangszusagen der Telekom zu ihrem Netz sei so nicht im europäischen Rechtsrahmen vorgesehen. Gleichzeitig werde der ausdrücklich geforderte Zugang zur passiven Infrastruktur der Telekom nicht vollständig umgesetzt, so Grützner. Brüssel habe die Nutzung der vielen tausend Kilometer Kabelkanäle aus Monopolzeiten der Telekom als wichtigen Hebel für einen schnelleren Gigabit- und 5G-Ausbau klar im Auge gehabt. Im neuen TKG sei unbedingt ebenso klar zu regeln, dass auch Wettbewerber die Bundesnetzagentur anrufen können, um neue Märkte zu definieren und zu untersuchen. So wäre die effiziente Nutzung bestehender Infrastrukturen gesichert und zudem die Möglichkeit eröffnet, zügig auf neue Marktentwicklungen und Anforderungen der Wirtschaft zu reagieren.

Die in erster Linie durch Wettbewerber der Deutschen Telekom getriebene Glasfaser-Offensive in Deutschland würde aus Sicht des VATM durch Unsicherheiten im Regulierungsrahmen ausgebremst werden. Bis heute sind 70 Prozent der in Deutschland von den Bürgern gebuchten FTTB/H-Anschlüsse (Glasfaser bis zum Gebäude/zur Wohnung) von den Wettbewerbern gebaut worden. (Lesen Sie dazu mehr in der TK-Marktstudie 2020 von DIALOG CONSULT und VATM.).

„Auch das Thema einer zielgerichteten und auch für Wettbewerber planbaren Migration von alten Kupfernetzen auf moderne Glasfaser kommt viel zu kurz, insbesondere im Vergleich zu anderen EU-Staaten, die auch hier deutlich weiter und klarer sind als Deutschland“, moniert VATM-Geschäftsführer Grützner. Das sehe etwa in Frankreich ganz anders aus, wo wesentliche Eckpunkte des Migrationspfads bereits festgelegt seien. „Dazu gehört auch die Stabilisierung eines investitions- und wettbewerbskonformen Preisniveaus für die Kupfer- und Glasfaserleitungen, womit die sinnvolle, schrittweise Abschaltung des Kupfernetzes für den Weg in die Gigabit-Gesellschaft nicht von disruptiven Endkundenpreisentwicklungen für Breitbandanschlüsse begleitet wird. Auch andere führende Gigabit-Nationen wie Schweden sind da wesentlich fortgeschrittener. Hier muss der Gesetzgeber tätig werden und die entsprechenden Leitplanken für die Bundesnetzagentur setzen. Nur so erhalten alle eine möglichst hohe Planungssicherheit für die anstehenden Milliardeninvestitionen“, mahnt Grützner. Auch die Politik habe die Erfahrung gemacht, dass nicht der stetige Regulierungsabbau den Glasfaserausbau der Telekom beschleunige, sondern ein starker Wettbewerb, der gerade jetzt nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfe.

Weitere Vorschriften im Entwurf, die vorgeblich dem Verbraucherschutz dienen sollen, würden statt Nutzen mehr neue Bürokratie bringen, neue innovative Geschäftsmodelle erschweren und bestehende gefährden. Zudem sind viele Regelungen nicht mit der aus Brüssel vorgegebenen Vollharmonisierung vereinbar.

Von enormer Bedeutung insbesondere für den weiteren Glasfaserausbau ist, dass die maximale anfängliche Mindestvertragslaufzeit nicht, wie vom BMJV gefordert, auf ein Jahr verkürzt wird, sondern auch künftig – wie auch in der EU-Richtlinie und vom BMWi vorgesehen – 24-Monate umfassen darf. Für Verbraucher wird es durch die Novelle insofern zu deutlichen Veränderungen kommen, als sie Verträge nach Ablauf der anfänglichen Vertragslaufzeit jederzeit mit einer Kündigungsfrist von nur einem Monat kündigen können. „Keinesfalls darf es im Rahmen der weiteren Beratungen zu zusätzlichen Belastungen für die Glasfaser oder 5G ausbauenden Unternehmen kommen“, unterstreicht VATM-Geschäftsführer Grützner.

Positiv zu bewerten ist aus Sicht des Verbandes, dass zumindest einige wichtige Vorschläge aus dem Digital-Gipfelprozess 2019 – an denen der VATM in Leitungsfunktion beteiligt gewesen ist – im Entwurf aufgegriffen wurden. Dazu zählen insbesondere Erleichterungen bei Wegerechten und Bürokratieabbau bei Genehmigungsverfahren.

Für eine detaillierte und sachorientierte Bewertung der rund 400 Seiten umfassenden Novelle braucht die Branche ausreichend Zeit – dies gilt ausdrücklich auch für die Punkte, über die die Bundesregierung noch intern verhandelt. Gleichzeitig müssen alle Beteiligten sehr effizient und konsensorientiert arbeiten, damit der neue Rahmen für den Telekommunikationsmarkt überhaupt noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann. Grützner: „Unsere Forderung lautet: Um das Inkrafttreten des Gesetzes nichts aufs Spiel zu setzen, sollte sich die Bundesregierung bei nicht lösbaren Streitpunkten exakt an die EU-Vorgaben halten.“ Ursprünglich war der Entwurf der TKG-Novelle für Herbst 2019 angekündigt gewesen.

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