Eine durch die Tarifparteien vereinbarte Vier-Tage-Woche kann, auch mit einem gewissen Lohnausgleich, ein gutes Instrument sein, um mit mittelfristigen Nachfrageschwächen umzugehen. Darauf weist Prof. Dr. Sebastian Dullien hin, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. „Die zusätzlichen Kosten für die Unternehmen sind verkraftbar und müssen im Zusammenhang mit dem Vorteil gesehen werden, dass Unternehmen ihre Fachkräfte halten können, die sie in Zukunft höchst wahrscheinlich noch dringend brauchen“, sagt der Ökonom. Zudem eröffne eine Vier-Tage-Woche Potenziale für Effizienzgewinne. Aussagen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zu Arbeitskosten in der Industrie berücksichtigten das nicht ausreichend, ebenso wenig wie die intensiven Verflechtungen zwischen Industrie- und Dienstleistungsbereich sowie die langfristige Entwicklung der Lohnstückkosten.

„Die Analyse des IW ist aus einer Reihe von Gründen verkürzt“, konstatiert Dullien. Zum einen betrachte das Institut nur die Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe. Das lässt außer Acht, dass die Industrie in großem Stil Vorleistungen aus dem Rest der Wirtschaft bezieht. Deshalb, so Dullien, ist für die Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit wichtig, die Arbeitskosten der gesamten privaten Wirtschaft zu betrachten, wie es das IMK in seinem regelmäßigen Arbeitskostenreport tut (Link zur aktuellen Studie unten). „Bei dieser Betrachtung liegt Deutschland europäisch im guten oberen Mittelfeld, in etwa auf Höhe von Frankreich oder Österreich“, betont der Wirtschaftswissenschaftler.

Für die tatsächliche Bewertung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit ist es zudem notwendig, nicht allein die Arbeitskosten pro Stunde, sondern auch die Produktivität in den Unternehmen zu betrachten. Ein besserer Indikator als die Arbeitskosten pro Stunde sind deshalb die Lohnstückkosten, also die Arbeitskosten pro hergestellter Einheit. Diese Lohnstückkosten sind in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren weniger stark gestiegen als im Rest der Euro-Zone (siehe auch Abbildung 9 im IMK-Report).

Diese beiden Punkte sind nach Dulliens Analyse auch wichtig für die Betrachtung der Wettbewerbsfolgen einer möglichen Arbeitszeitreduzierung etwa durch eine Vier-Tage-Woche. „Wenn derzeit eine solche Arbeitszeitreduzierung zur Beschäftigungssicherung etwa bei den Automobilzulieferern diskutiert wird, so geht es um die Einführung in Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes, während die Produzenten von Vorleistungen aus dem Rest der Wirtschaft – vor allem Dienstleister – ja nicht unbedingt ebenfalls eine Vier-Tage-Woche einführen würden“, sagt der Wissenschaftler. „Die Gesamtarbeitskosten über die ganze Wertschöpfungskette würden deshalb viel langsamer steigen als vom IW angenommen.“

Hinzu komme, dass die Einführung einer Vier-Tage-Woche auch das Potenzial habe, die Produktivität zu steigern. „Bei der Einführung der Vier-Tage-Woche bei Volkswagen in den 1990er Jahren ging die Arbeitszeitverkürzung mit einer Reorganisation des Schichtsystems einher, die die Produktivität erhöhte“, berichtet Dullien. „Bei einer Vier-Tage-Woche ist zudem mit weniger Ausfallzeiten etwa wegen Arbeitsunfällen und Krankheit zu rechnen, weil die Beschäftigten ausgeruhter sind. Zudem haben die Unternehmen üblicherweise bei der Vier-Tage-Woche ein höheres Maß an Flexibilität, die Produktion bei Auftragsspitzen wieder hoch zu fahren. Es sei wesentlich einfacher (und wegen Wochenend- und Feiertagszuschlägen auch billiger), eine Extra-Schicht zwischen Montag und Freitag einzuschieben als am Wochenende.

Fazit des Ökonomen: „All dies wirkt dämpfend auf die Lohnstückkosten. Da Deutschland bei den Lohnstückkosten im internationalen Vergleich weiterhin sehr wettbewerbsfähig ist, dürfte ein leichter Anstieg dieser Kosten unproblematisch sein.“

Der aktuelle IMK-Report zu Arbeits- und Lohnstückkosten: https://www.boeckler.de/…

Zusammenfassung: https://www.boeckler.de/…

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