Die Veröffentlichung der deutschen Corona-Warn-App steht kurz bevor. Die Anwendung für Smartphones soll helfen, Begegnungen mit Personen nachvollziehbar zu machen, die sich mit dem Corona-Virus infiziert haben und setzt dazu das Bluetooth-Signal des Smartphones ein. Die Bundesregierung, insbesondere Gesundheitsminister Jens Spahn, haben stets betont, dass die Nutzung der Anwendung freiwillig sein soll. Grundlage der durch die Corona-Warn-App ausgelösten Datenverarbeitung soll eine datenschutzrechtliche Einwilligung sein. Gleichzeitig reißen aber Forderungen nach Anreizen und Privilegien für die Nutzung der App nicht ab. So forderte Axel Voss, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament, im Interview mit der FAZ: „Wer eine solche App hat, sollte auch zuerst wieder ins Restaurant, ins Kino, ins Theater und ins Freibad dürfen.“
Die Neue Richtervereinigung e.V. (NRV) sieht in den anhaltenden und widersprüchlichen politischen Aussagen zur Freiwilligkeit einerseits und der zu erwartenden Kopplung gesellschaftlicher Teilhabe an die Nutzung der App andererseits erhebliches Potential, die Akzeptanz der Corona-Warn-App und damit ihren ohnehin umstrittenen Wert für die Bewältigung der Pandemie weiter zu gefährden. Die NRV unterstützt deshalb die Forderungen aus Opposition und Zivilgesellschaft nach einer Begleitgesetzgebung zur Corona-Warn-App, in der Umfang, Zweck und Grenzen der Datenverarbeitung geregelt und auf eine klare gesetzliche Grundlage gestützt werden.

Bereits jetzt ist fraglich, ob angesichts der latenten Drohkulisse, die ohnehin hinter der Corona-Warn-App steht, überhaupt von einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung ausgegangen werden kann – schließlich wird die Nutzung der Anwendung als wichtiger Beitrag zur weiteren Lockerung der pandemiebedingten Freiheitsbeschränkungen bezeichnet. Die App zusätzlich auch zur Bedingung für Zugang zu Bildung, Arbeit oder Kultur zu machen, würde die versprochene Freiwilligkeit weiter aushöhlen. Soll die Nutzung der Corona-Warn-App tatsächlich ansatzweise freiwillig bleiben, dann braucht es eine gesetzliche Klarstellung, die jede Form von direkter oder mittelbarer Beeinflussung der Nutzenden ausschließt. Gleichzeitig muss jede Form von Weiterverarbeitung oder Zweckentfremdung der Anwendung ausgeschlossen werden. Wenn Nutzende befürchten müssen, dass Versicherungen, Arbeitgeber oder auch Strafverfolgungsbehörden Zugang zu den Daten bekommen, droht die Anwendung von einem Werkzeug zur Bewältigung der Krise zu einem Baustein einer Überwachungsinfrastruktur zu werden.

Die Corona-Pandemie ist eine historisch einmalige Herausforderung. Sie ist aber kein Grund, rechtsstaatliche Grundsätze schleifen zu lassen. Die Schaffung einer technischen Infrastruktur zur Nachverfolgung alltäglicher Begegnungen potentiell aller Menschen in Deutschland verlangt nach strengsten rechtlichen Schranken. Der derzeitige Schlingerkurs rund um die Freiwilligkeit und die Einwilligung wird dem nicht gerecht.

Ohne eine gesetzliche Regelung bleibt die versprochene Freiwilligkeit eine bloße Floskel. Für die Verarbeitung der Daten von Millionen Nutzenden fehlte die gesetzliche Rechtfertigung. Die NRV appelliert daher an die zuständigen Ministerien und Ressorts und fordert: Keine Corona-Warn-App ohne gesetzliche Absicherung!

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