Bundesjugendministerien Dr. Franziska Giffey erklärt dazu: „Selbstgefährdungswettbewerbe, Mobbing oder sexuelle Anmache sind kein Spaß. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Kinder im Netz immer öfter mit Inhalten konfrontiert werden, die ihnen Angst machen oder sie verstören. Sie haben das Recht, gut aufzuwachsen und sich ohne Angst zu bewegen – offline wie online. Dafür müssen wir den Schutz und die Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen im Netz stärker in den Fokus rücken und die Anbieter verpflichten, sie besser zu schützen. Die notwendige Technik ist da, aber unser Jugendschutz ist noch nicht so weit. Er braucht ein Update für das 21. Jahrhundert. Genau das will ich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für einen modernen Jugendmedienschutz liefern. Wir verpflichten damit Anbieter zu altersgerechten Angeboten, wirksamen Schutzkonzepten, effektiven Melde- und Beschwerdeverfahren und Alterskennzeichnungen, die Eltern und Fachkräften mehr Orientierung bieten.“ Das Gesetz soll voraussichtlich im Herbst nach dem Notifizierungsverfahren der EU-Kommission im Kabinett beschlossen werden.
Stefan Glaser, Leiter von jugendschutz.net, stellt fest: „Gefährliche Online-Challenges verbreiten sich in Social Media rasend schnell und finden durch den Mitmachdruck schnell Nachahmer. Wir beobachten, dass bei den Mutproben immer höhere Risiken eingegangen werden. Aus Spaß kann dann ganz schnell eine lebensbedrohliche Situation entstehen.“ Auch die indirekten Folgen der Teilnahme an riskanten Challenges seien nicht zu unterschätzen. „Es zeigt sich, dass Videos von missglückten Versuchen besonders viele Klicks bekommen und hämisch kommentiert werden. Die User werden mit Spott und Schadenfreude überzogen, bis zum Cybermobbing sind es dann nur noch wenige Schritte“, so Glaser weiter.
„Eltern müssen sich bei der Auswahl von Angeboten für ihre Kinder vorbehaltlos auf die Einstufungen in den App-Stores verlassen können”, fordert die rheinland-pfälzische Jugendministerin Anne Spiegel. Es dürfe nicht sein, dass Apps, die sich an die Jüngsten richten, Gefahren wie Belästigungen, Mobbing und Selbstgefährdungsinhalte bergen. „Um Kinder und Jugendliche hinreichend schützen zu können, müssen alle Risiken berücksichtigt werden. Die gesetzlichen Regelungen im Jugendschutz greifen hier zu kurz“, so Spiegel weiter.
„Viele Diensteanbieter bleiben hinter dem zurück, was notwendig wäre und möglich ist. Dabei belegen Tests von jugendschutz.net, dass moderne Techniken existieren, die gefährdende Inhalte in Social Media schnell identifizieren und Kinder vor der Konfrontation schützen könnten”, erklärt Dr. Marc Jan Eumann, der Vorsitzende der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). „Um die Sicherheit von Kindern in Social Media zu gewährleisten und Risiken für Jugendliche zu reduzieren, muss Vorsorge bereits bei der Entwicklung neuer Dienste und Geräte mitgedacht werden. Die KJM steht daher im intensiven Austausch mit Verbänden, Selbstkontrolleinrichtungen und Politik, um auf vermehrte Anstrengungen im Bereich des technischen Jugendmedienschutzes hinzuwirken.”
Nach 2019 registrierte jugendschutz.net insgesamt 6.950 Verstoßfälle (2018: 6.575). 4.164 beziehen sich auf beliebte und hoch frequentierte Social-Media-Dienste, davon 20 % auf Instagram, 19 % auf YouTube, 18 % auf Facebook und 13 % auf Twitter. Zwei Dienste haben erheblich an Relevanz gewonnen: Beim Bildernetzwerk Pinterest wurden neunmal so viele Verstöße registriert wie im Vorjahr (Anstieg von 46 auf 413), beim Videodienst TikTok fünfmal so viele (Anstieg von 38 auf 192).
Den größten Zuwachs an Fällen gegenüber dem Vorjahr verzeichnete jugendschutz.net im Bereich der Selbstgefährdung (plus 77 %, von 478 auf 846 Fälle) und im Bereich der Gewaltdarstellungen (plus 72 %, von 364 auf 627 Fälle). Den größten Anteil der Verstoßfälle nahmen auch 2019 Darstellungen sexualisierter Gewalt mit 37 % (2.553 Fälle) ein. Knapp ein Viertel (1.606 Fälle) bezog sich thematisch auf politischen Extremismus.
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