Noch bis zum 19. November 2023 ist im Stadtlabor des Focke-Museums die Ausstellung „Verschleppt. Versklavt. Vergessen? Zwangsarbeit in Bremen 1939 – 1945“ zu sehen. Nun wird die Sonderschau um ein gewichtiges Zeitdokument ergänzt, ein Gemälde eines Kriegsgefangenen, der das Schiff Admiral Brommy  malte. Die Besitzer des Bildes, Marie und Christian Leroux aus dem französischen Orléans, haben es dem Focke-Museum geschenkt und heute (18. Oktober 2023) offiziell überreicht.

Signiert hat das Bild David Alloi, der auch Entstehungsort und -zeit festhielt: Brême, 6.4.42. Die Admiral Brommy diente als Unterkunft für französische Kriegsgefangene, die im Hafen arbeiten mussten. Erst nach Intervention des Internationalen Roten Kreuzes wurde das Arbeitskommando 1942 wegen der unsäglichen hygienischen Zustände in den sogenannten Ulrich-Schuppen verlegt. Dort durften die französischen Kriegsgefangen ihre Unterkunft oberhalb der Doppelstockbetten mit großflächigen Wandmalereien versehen, an denen auch David Alloi mitarbeitete. Erst in den 1990er-Jahren wurden diese Wandbilder wiederentdeckt, vom Bremer Landesamt für Denkmalpflege geborgen und teilweise restauriert.

Viele Jahre später tauchte das kleinformatige Bild der Admiral Brommy auf einem Flohmarkt in Frankreich auf, wo es Christian Leroux und seine Frau Marie kauften. Christian Leroux‘ Schwester, die Historikerin Françoise Passera, konnte das Bild sofort geschichtlich einordnen. Denn sie arbeitet im Mémorial de Caen, einem Museum, das die Landung der Alliierten in der Normandie dokumentiert. 2005 richtete sie zusammen mit ihrer Bremer Kollegin Prof. Dr. Helga Bories-Sawala, die zu den französischen Kriegsgefangenen und zivilen Zwangsarbeitern forscht, ein binationales Projekt anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung aus, in dessen Rahmen eine Bremer Bürgerdelegation eines der restaurierten Wandbilder aus dem Ulrich-Schuppen als Dauerleihgabe ins Mémorial de Caen überbrachte. Als das Projekt in Bremen u.a. mit einem Studientag und der Einweihung eines weiteren Wandbildes aus dem Ulrich-Schuppen fortgesetzt wurde, brachte Françoise Passera das Bild kurzerhand mit nach Bremen.

Im Zusammenhang mit der Ausstellung „Verschleppt. Versklavt. Vergessen? Zwangsarbeit in Bremen 1939 – 1945“ haben sich Marie und Christian Leroux nun entschieden, das Gemälde der Admiral Brommy dem Focke-Museum zu schenken. „20 Jahre hing das Bild in unserem Wohnzimmer. Wir sind froh und stolz, es jetzt dem Focke-Museum zu übergeben. Es soll nicht wieder auf einem Flohmarkt landen,“ sagt das Ehepaar Leroux.  

„Mit diesem Bild ergänzen wir der Ausstellung über Zwangsarbeit in Bremen um ein wichtiges Zeitzeugnis aus der Perspektive eines Opfers. Es ist eine großartige Sache, dass das Gemälde nun an den Ort seiner Entstehung zurückkehrt“, erläutert Dr. Jan Werquet, Stadthistoriker am Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte und einer der Kuratoren der Sonderschau im Stadtlabor des Focke-Museums. „Die partizipative Arbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und Akteurinnen und ihren Netzwerken, wie wir sie im Stadtlabor ausüben, hat uns dieses Objekt beschert.“ Denn den Kontakt zu Christian Leroux stellte Prof. em. Dr. Helga Bories-Sawala her, die an der Ausstellung mitarbeitete. Wer der Maler David Alloi war, wie er nach dem Krieg lebte, das konnte bislang nicht geklärt werden.

Das Bild wird Eingang in die künftige, ab 2026 zu sehende Sammlungsausstellung finden, in der die Zeit des Nationalsozialismus einen Schwerpunkt bilden wird.     

Zur Sonderausstellung „Verschleppt. Versklavt. Vergessen? Zwangsarbeit in Bremen 1939–1945“ im Stadtlabor des Focke-Museums  

Zwangsarbeit war eines der alltäglichsten und sichtbarsten Verbrechen im Nationalsozialismus. Bremen und Bremerhaven zählten zu den bedeutendsten Rüstungsstandorten des „Dritten Reiches“. Bereits vor dem Krieg herrschte Arbeitskräftemangel. Rüstungskommando und Handelskammer bemühten sich deshalb von Beginn an intensiv um Zuweisungen von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern und -arbeiterinnen. Ein dichtes Netz von Lagern entstand.

Die ersten Jahrzehnte nach Kriegsende waren dennoch geprägt vom Vergessen: Die Deportation, Ausbeutung und rassistische Behandlung der ausländischen Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen galten in der deutschen Bevölkerung nicht als Verbrechen, auch deshalb, weil die Sklavenarbeit nicht entschädigt wurde und die Verantwortlichen nicht juristisch belangt.

Erst seit den späten 1970er-Jahren begannen zivilgesellschaftlich Engagierte zur Geschichte der NS-Zwangsarbeit in Bremen zu recherchieren und Kontakt zu Überlebenden und Angehörigen von früheren Lagerinsassen aufzunehmen.

Diese Ausstellung vermittelt am Beispiel einiger Orte und von Biografien einzelner Betroffener Einblicke in die Realität von Zwangsarbeit in Bremen und Bremerhaven während des Zweiten Weltkriegs. Zugleich will sie das umfassende Wissen von zahlreichen engagierten Aktivisten und Aktivistinnen und Forschenden aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft sichern und würdigen, die sich bereits seit Jahrzehnten für die Aufarbeitung einsetzen.

Bis 19. November 2023n im Stadtlabor des Focke-Museums

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