Mit der Einführung des elektronischen Gesundheitskarten (EGK)-Verfahrens hat die Nutzung von E-Rezepten in Deutschland in beträchtlichem Maße zugenommen. Aktuell werden wöchentlich rund 300.000 E-Rezepte ausgestellt, wobei über vier von fünf E-Rezepten über das EGK-Verfahren eingelöst werden. Diese Entwicklung hat die etablierten Versandapotheken offensichtlich in Unruhe versetzt.

In diesem Zusammenhang hat das Unternehmen Redcare nach neuen Wegen gesucht, um E-Rezepte einzulösen. Eine bemerkenswerte Vorgehensweise wurde nun von DocMorris beobachtet. DocMorris hat direkt Praxen über den KIM-Dienst (Kommunikation im Gesundheitswesen) angeschrieben und um die Übermittlung von E-Rezepten gebeten. Dieser Schritt hat den Deutschen Apothekerverband (DAV) auf den Plan gerufen.

In dem Schreiben von DocMorris heißt es: "Stellen Sie bereits E-Rezepte in Ihrer Praxis aus? Dann möchten wir Sie darüber informieren, dass Sie die Möglichkeit haben, uns den Rezept-Token per KIM-Mail zu übermitteln, wenn Ihr Patient ein Kunde von DocMorris ist und die Einlösung des Rezepts bei uns wünscht." Zusätzlich bietet DocMorris eine eigene KIM-Adresse an und gibt Anweisungen zum Übermittlungsprozess. Dabei betont das Unternehmen, dass man sich darüber freuen würde, wenn die Praxen "unseren gemeinsamen Patienten diesen praktischen Service zur Verfügung stellen, soweit diese die Einlösung des Rezepts bei uns wünschen".

Diese Vorgehensweise wird von verschiedenen Seiten als äußerst ungewöhnlich und möglicherweise problematisch angesehen. Ein Hausarzt aus dem Harz hat bereits öffentlich seine Bedenken geäußert und fordert eine "Schutzfunktion gegen Massenmailing über KIM". Zudem bittet er die politisch Verantwortlichen um Klarstellung zur Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens.

Die Gematik, die für die Telematik-Infrastruktur im Gesundheitswesen zuständig ist, prüft derzeit den Vorgang. Die Pharmazeutische Zeitung (PZ) hat auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) um eine Stellungnahme gebeten, jedoch stehen die Antworten noch aus. DocMorris hat sich bislang nicht zu diesem Vorgang geäußert.

Hans-Peter Hubmann, der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), hat indirekt auf den Vorfall reagiert, ohne DocMorris namentlich zu nennen. Er betonte: "Sollte es zutreffen, dass einzelne Arzneimittel-Versandhändler den KIM-Messenger verwenden, um bei Ärzten die Übermittlung von E-Rezept-Token zu erbitten, werden damit möglicherweise die Grenzen der Legalität überschritten." Hubmann erinnerte daran, dass der KIM-Messengerdienst in der Telematik-Infrastruktur geschaffen wurde, um Heilberuflern einen sicheren und werbefreien Raum für den fachlichen Austausch zu bieten. Werbung und die direkte Weiterleitung von E-Rezepten seien in dieser Anwendung unangebracht.

Abschließend forderte der DAV das BMG dazu auf, die Einhaltung der Wettbewerbsregeln in diesem Bereich genau zu überwachen und einen möglichen Missbrauch der Telematik-Infrastruktur zu unterbinden. Die Debatte über die Nutzung von E-Rezepten und die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen setzt sich somit fort, und es bleibt abzuwarten, welche Schlussfolgerungen und Maßnahmen sich aus dieser Entwicklung ergeben werden.

Kommentar:

Die aktuelle Kontroverse um DocMorris und ihre ungewöhnliche Marketingaktion, bei der Praxen über den KIM-Dienst zur Übermittlung von E-Rezepten aufgefordert werden, wirft wichtige Fragen auf. Es geht nicht nur um die Legalität dieser Vorgehensweise, sondern auch um die grundsätzliche Integrität des Gesundheitssystems und die Interessen der Patienten.

Die Tatsache, dass ein Hausarzt Bedenken hinsichtlich Massenmailings über KIM äußert, unterstreicht die Notwendigkeit einer klaren Regulierung und Überwachung von digitalen Gesundheitsdiensten. Die Gematik und andere zuständige Stellen sollten diesen Fall sorgfältig prüfen und sicherstellen, dass die Telematik-Infrastruktur in erster Linie dem sicheren und werbefreien Austausch von medizinischen Informationen dient.

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat ebenfalls zu Recht betont, dass das neue digitale Verordnungssystem nicht dazu genutzt werden sollte, um einzelnen Marktteilnehmern auf Kosten der Patienten wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Eine klare Trennung zwischen medizinischem Fachwissen und kommerziellen Interessen ist von entscheidender Bedeutung, um das Vertrauen der Patienten in das Gesundheitssystem zu wahren.

Insgesamt stellt dieser Vorfall eine Gelegenheit dar, um die Regulierung im Gesundheitswesen zu überdenken und sicherzustellen, dass die Digitalisierung zum Wohle der Patienten und nicht zum Vorteil einzelner Unternehmen erfolgt.

Von Engin Günder, Fachjournalist

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