Vor genau zehn Jahren übernahm Abdel Fattah al-Sisi in Ägypten die Macht. Heute hält der diktatorisch regierende Präsident die Medien eisern im Griff. Unter seiner Führung ist die Repression gegenüber Medienschaffenden allgegenwärtig. Mindestens 20 von ihnen sitzen unter oft unmenschlichen Bedingungen in Haft.

„Präsident Abdel Fattah al-Sisi lässt sich heute feiern, aber er ist ein Diktator, der die Medien brutal unterdrückt“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Nach zehn Jahren an der Macht haben seine Behörden und die Geheimdienste den unabhängigen Journalismus fast vollständig ausgelöscht. Wir kämpfen darum, dass die letzten noch verbliebenen medialen Inseln überleben.“

3. Juli 2013, 21 Uhr: Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi tritt vor die Fernsehkameras, ein militärisches Barett auf dem Kopf. Er erklärt die Verfassung für ausgesetzt und die Präsidentschaft von Mohammed Mursi für beendet. Noch während er spricht, bereiten Sicherheitskräfte Razzien in den Kairoer Büros der katarischen Fernsehsender Al-Dschasira und Al-Dschasira Mubascher vor, später verhaften sie mehrere Mitarbeitende. Am selben Abend schließen die Behörden drei weitere Redaktionen und nehmen leitende Angestellte fest. Der Vorwurf: Sie hätten Mursis Partei, die Muslimbruderschaft, unterstützt.

Der Abend des 3. Juli war nur ein Vorgeschmack auf das erklärte Ziel des neuen starken Mannes im Staat, die gesamte ägyptische Medienlandschaft von feindlichen Elementen zu säubern. In den vergangenen zehn Jahren wurden mindestens 170 Journalistinnen und Journalisten inhaftiert. Dutzende weitere wurden willkürlich verhaftet und verhört, der Zugang zu mehr als 500 Nachrichten-Webseiten wurde blockiert und sechs Journalisten wurden getötet. Der erste von ihnen war Ahmad Samir Assem el-Senussi, ein Fotograf der Muslimbruder-nahen Zeitung Al-Hurriya wal-Adalah („Freiheit und Gerechtigkeit“). Fünf Tage nach dem Staatsstreich durch das Militär um al-Sisi berichtete er über eine Pro-Mursi-Demonstration vor dem Hauptquartier der Republikanischen Garde in Kairo. Soldaten eröffneten das Feuer und töteten 51 Menschen, darunter al-Senussi.

Sisis Herrschaft begann mit einer regelrechten Hexenjagd gegen die Muslimbruderschaft, die sich auch auf internationale Medien erstreckte. Die Korrespondentinnen und Korrespondenten der Fernsehsender France 2 und Deutsche Welle sowie von The Guardian wurden offiziell beschuldigt, zu einer „westlichen Medienberichterstattung beizutragen, die parteiisch [zu Gunsten] der Muslimbruderschaft berichtet.“

Vor allem die Journalistinnen und Journalisten von Al-Dschasira standen im Visier. „In den Augen der ägyptischen Behörden unterstützte Katar die Muslimbruderschaft und finanzierte Al-Dschasira. Also war es für sie nur logisch, dass die Al-Dschasira-Journalisten schuldig waren“, sagte Peter Greste. Der australische Journalist hatte selbst als Korrespondent für Al-Dschasira aus Kairo berichtet. Im Januar 2014 wurde auch Greste, gemeinsam mit zwei weiteren Journalisten des Senders, Mohammed Fahmi und Mohammad Badr, verhaftet und mehr als ein Jahr lang festgehalten. „Es war politisch opportun, Al-Dschasira-Journalisten zu verhaften, aber die Behörden wollten auch deutlich machen, dass kein Journalist sicher ist, egal ob Einheimischer oder Ausländer“, sagte Greste.

Schon während der Präsidentschaft von Husni Mubarak waren Verhaftungen von Medienschaffenden üblich; unter Sisi jedoch wurde die Verfolgung systematisiert. Sämtliche Proteste und Demonstrationen, die die Legitimität seiner Herrschaft in Frage stellten oder die verbreitete Korruption in der Regierung kritisierten, zogen Verhaftungswellen nach sich. Die wenigen noch verbliebenen Räume freier Meinungsäußerung schwanden zusehends. Am 1. Mai 2016 führte die Polizei eine Razzia in der Kairoer Zentrale des Journalistensyndikats durch, zum ersten Mal seit der Gründung im Jahr 1941. Sie verhaftete zwei Journalisten, die einen Monat zuvor über die Proteste gegen Sisi berichtet hatten.

Einige Themen wurden vollständig tabuisiert, etwa die Korruption. Der Gründer des Blogs Egypt’s OxygenMohamed Ibrahim Radwan, genannt Mohamed Oxygen, sitzt seit 2019 im Gefängnis. Wenige Monate zuvor hatte er eine einjährige Haftstrafe wegen angeblicher Verbreitung falscher Informationen abgesessen. Heute sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis Tora ein, das für seine unmenschlichen Haftbedingungen berüchtigt ist. Er wurde gefoltert und in Einzelhaft gesteckt; laut seinem Anwalt hat er alle Hoffnung verloren und versucht, sich das Leben zu nehmen. Andere Medienschaffende müssen viele Monate in Isolationshaft verbringen, werden geschlagen oder ihnen wird der Zugang zu dringend notwendiger medizinischer Behandlung verwehrt. Eine bekannte Praxis der ägyptischen Behörden ist es, bestehende Anklagen immer wieder leicht zu verändern, sodass der oder die Inhaftierte ohne Gerichtsverhandlung in schier nie endender Präventionshaft verbringt. Auf diese Weise ist es möglich, die eigentlich gesetzlich festgeschriebene Höchstdauer von zwei Jahren Präventionshaft zu überschreiten.

Völlig unmöglich ist es mittlerweile, die Armee zu kritisieren oder militärische Operationen zu kommentieren. Der auf die Sinai-Region – in den Augen der Staatsmacht einer der Unruheherde – spezialisierte Journalist Ismail Alexandrani wurde deshalb wegen „Weitergabe von Staatsgeheimnissen“ und „Zugehörigkeit zu einer verbotenen Gruppe“ zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Der wohl bekannteste politische Häftling Ägyptens ist Alaa Abdel Fattah, eine führende Persönlichkeit der Revolution von 2011. Der Schriftsteller und Blogger ist wegen „Verbreitung falscher Nachrichten“ inhaftiert – er hat fast das gesamte vergangene Jahrzehnt im Gefängnis verbracht. Im April 2022 protestierte er mit einem Hungerstreik gegen seine Haftbedingungen. Abdel Fattah ist mittlerweile auch britischer Staatsbürger. Trotz des Drucks der internationalen Gemeinschaft ist er bis heute in Haft.

Die Sisi-Regierung hat nicht nur Journalistinnen und Journalisten inhaftieren und misshandeln lassen, sondern auch immer wieder drakonische Mediengesetze verabschiedet. Das 2018 in Kraft getretene „Cybercrime-Gesetz“ legalisierte die Zensur von Webseiten. Die Gesetzeslage ist so vage, dass Medienschaffende selbst dann riskieren, verhaftet zu werden, wenn sie sich an die Gesetze halten. Eines der letzten unabhängigen Medienunternehmen im Land, Mada Masr, muss sich derzeit in mehreren Gerichtsverfahren verantworten. Die Webseite ist schon seit 2017 gesperrt, Chefredakteurin Lina Atallah wurde in den vergangenen zehn Jahren dreimal verhaftet.

Die ägyptische Regierung hat schrittweise die Kontrolle über die Medien übernommen. Eine Anfang 2019 durchgeführte Umfrage zu den Eigentumsverhältnissen in ägyptischen Medien – der RSF Media Ownership Monitor – ergab, dass schon damals fast alle Medien der Regierung unterstanden. Sie werden bis heute entweder direkt vom Staat, den Geheimdiensten oder von einer kleinen Zahl reicher, der Regierung nahestehender Geschäftsleute kontrolliert. Landesweit bekannte Star-Fernsehmoderatorinnen und -Moderatoren führen für den Staat sogar Hetzkampagnen gegen die wenigen verbliebenen unabhängigen Journalistinnen und Journalisten durch, die es noch wagen, das Sisi-Regime zu kritisieren.

Husni Mubarak schränkte die Pressefreiheit ein, und die kurze Präsidentschaft Mohammed Mursis war kaum besser. Aber Sisis Jahre an der Macht waren, um einen anonym bleibenden ägyptischen Journalisten zu zitieren, eindeutig „die schlimmsten Jahre für die Pressefreiheit in Ägypten“.

Mehr zur Situation von Journalistinnen und Journalisten in Ägypten: www.reporter-ohne-grenzen.de/aegypten

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