„Der demografische Wandel verändert das Gesicht unseres Landes. Diesen Prozess wollen wir nicht einfach passiv hinnehmen, sondern soweit wie möglich aktiv gestalten“, erklärte Professor Michael Sommer in einem Expertenforum zur Finanzierung der gesetzlichen Rente. Heutige und nachfolgende Generationen würden die Auswirkungen wirtschaftlich spüren, so der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover. „Aber jungen Menschen Angst zu machen, dass die gesetzliche Rentenversicherung als größte und wichtigste Säule der Alterssicherung ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen könne, ist ein falscher und gefährlicher Weg, mit den anstehenden Problemen umzugehen“, ist er überzeugt. Zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft und Sozialversicherung verfolgten am Montag die Veranstaltung beim Rentenversicherer in Laatzen.

Aktuell sei die gesetzliche Rentenversicherung finanziell solide aufgestellt, sagte Professor Sommer: „Mehr als 34 Millionen Frauen und Männer sind derzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt – das ist die bisher größte Anzahl an Beitragszahlern.“ Zudem werde der Beitragssatz in der Rentenversicherung bis 2026 nach neuester Finanzschätzung auf dem heutigen Niveau bleiben.

Die Tragfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung hänge entscheidend von der Erwerbsbeteiligung ab, „aber nicht allein von der Anzahl der erwerbstätigen Menschen“, ist sich Professor Dr. Stephan Thomsen sicher. Der Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Leibnitz-Universität Hannover ist der Auffassung, dass Faktoren wie Arbeitsumfang, Art der Beschäftigungsverhältnisse und Produktivität ebenso wichtig seien. Deshalb wirkten sich Arbeits-, Bildungs- und Migrationspolitik auch direkt auf das Rentensystem aus. „Deren wirtschaftliche Folgen dürfen nicht emotional und isoliert betrachtet – oder gar ignoriert werden“, mahnt der Professor für Volkswirtschaftslehre. Insbesondere Bildung und Integration seien mittel- bis langfristige Investitionen.

„Die Erfahrungen der letzten 15 Jahre haben gezeigt, dass ein starker Arbeitsmarkt die demografische Entwicklung mehr als ausgleichen kann“, sagte Professor Dr. Hilmar Schneider, Lehrbeauftragter an den Universitäten Luxemburg und Potsdam, in der Veranstaltung. Für die Politik ergebe sich daraus die vordringliche Aufgabe, das Arbeitsplatzwachstum auch in Zukunft sicherzustellen, um die bevorstehenden demografischen Herausforderungen meistern zu können. „Statt der Vier-Tage-Woche“, meinte der Arbeitsökonom, „bedarf es eher einer Flexibilisierung der bestehenden Arbeitszeitbeschränkungen und einer aktiv gesteuerten Zuwanderungspolitik.“

Dr. Reinhold Thiede sieht die gesetzliche Rentenversicherung für die Aufgaben der nächsten Jahre gut vorbereitet. Der Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung der Deutschen Rentenversicherung Bund zeigte eindrucksvoll, wie sich das System Alterssicherung schon in der Vergangenheit immer neuen und scheinbar unüberwindbaren Herausforderungen gestellt hat und sagte: „Der demografische Wandel ist eine Herausforderung – wir haben ähnliche Belastungen aber in der Vergangenheit bereits bewältigt.“ Es gebe ein erprobtes Instrumentarium und verschiedene Ansatzpunkte, mit denen „zielgerichtet gehandelt sowie Rahmenbedingungen evidenzbasiert angepasst werden können.“

„Die gute Nachricht ist doch: Der demografische Wandel ist zu bewältigen“, zeigte sich auch Helga Schwitzer optimistisch. Schließlich gebe es dafür viele Stellschrauben. Schon jetzt werde die Arbeitswelt digitaler, flexibler und hybrider. Damit dürften die Menschen aber nicht allein gelassen werden: „Soziale Beziehungen, Teamstrukturen und gute Arbeitsbedingungen müssen für alle erhalten bleiben!“, forderte die alternierende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover. Auch Frauen, die Kinder oder ältere Angehörige betreuen, bräuchten Arbeits- und Lebensbedingungen, die ihnen die Chance auf eine volle Erwerbsbeteiligung ermöglichten. Dafür müssten Betreuungsmöglichkeiten ausgebaut und Beschäftigungsmodelle geschaffen werden, mit denen Beruf und Familie besser vereinbar seien.

Aber nicht jeder Mensch fühlt sich der Arbeitswelt gewachsen. „Mit den klassischen Leistungen zur Teilhabe unterstützen wir Versicherte bei der schnellen Rückkehr in die Beschäftigung“, berichtete Jan Miede. Viele Programme setzten sogar schon vorher an: etwa der Ü45-Check-up oder das Präventionsangebot RVFit. „Seit einigen Jahren stellen wir aber auch eine Komplexität der Bedarfe fest: psychische Erkrankungen, die häufig mit beruflichen und sozialen Problemlagen einhergehen“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover. Mit speziellen, betreuungsintensiven Angeboten könnten fast alle der Teilnehmenden wieder im Berufsleben integriert werden. „Unser Ziel ist immer die Sicherung der Teilhabe“, betonte Miede. So könnten gut ausgebildete Fachkräfte dem Arbeitsmarkt erhalten bleiben und der demografische Wandel letztlich auch bewältigt werden.

Durch die Veranstaltung führte der Politikwissenschaftler Dr. Winfried Kösters.

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