„Kindergartenkinder mit Übergewicht haben ein hohes Risiko, auch als Jugendliche und Erwachsene übergewichtig oder adipös zu sein“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Stephanie Stock, Leiterin des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) an der Uniklinik Köln und Konsortialleiterin des Projekts. „Damit tragen sie ein hohes Risiko, später im Leben Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Bewegungsapparates oder eine Zuckerkrankheit zu entwickeln.“ So zeigte eine Studie aus dem Jahr 2018, dass rund jedes vierte 2- bis 6-jährige Kind mit Übergewicht nach 11 Jahren weiterhin übergewichtig ist; knapp ein Drittel hat in der Zeit sogar eine Adipositas, das heißt extremes Übergewicht, entwickelt. Normalgewichtige 2- bis 6-Jährige bleiben dagegen überwiegend im Normbereich. „Das macht deutlich, wie wichtig wirksame Strategien gegen Übergewicht bereits im Kindergartenalter sind“, sagt Univ.-Prof. Dr. Christine Joisten von der Deutschen Sporthochschule, Köln. frühstArt bindet mehrere ineinandergreifende Versorgungskomponenten ein. Individuelle Beratung und eine persönliche Begleitung der ganzen Familie soll dazu beitragen, dass die Kinder sich bei Spiel und Sport im Freien mehr bewegen, weniger Zeit mit Bildschirmmedien verbringen und ein gesünderes Schlafverhalten entwickeln. Die Familien werden außerdem unterstützt, eine gesündere Ernährungsweise und einen gesunden alltäglichen Lebensstil umzusetzen.
„Wenn Familien einen besonders hohen Unterstützungsbedarf haben, können Reha-Angebote vermittelt werden. Unter anderem wird dazu im Rahmen von frühstArt eine ambulante Schulung zur Frührehabilitation übergewichtiger Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren und ihrer Eltern gemeinsam mit der Rentenversicherung Rheinland neu entwickelt.“, berichtet Univ.-Prof. Dr. Eckhard Schönau, Ärztlicher Leiter der UniReha.
Das Besondere an der neuen Versorgungsform frühstArt ist die individuelle Begleitung der betroffenen Familien in ihrem häuslichen Umfeld durch einen Coach. Die Coaches besuchen die Kinder regelmäßig, entwickeln gezielte Unterstützungspläne und vereinbaren persönliche Ziele mit den Familien. Außerdem informieren sie die Familien über lokale Präventions- und Unterstützungsangebote, z. B. von Städten, Kommunen oder Adipositas-Zentren. Sie halten auch Kontakt mit den kinderärztlichen Praxen und helfen, das soziale Umfeld, zum Beispiel die Kindertagesstätten, mit einzubeziehen.
Eine weitere Besonderheit ist eine unterstützende e-Health-Anwendung, die für das Projekt in deutscher und türkischer Sprache entwickelt wird. Sie soll die Kommunikation von Coaches, Eltern und betreuenden kinderärztlichen Praxen erleichtern, den Datentransfer bündeln und die Studiendurchführung unterstützen. So können beispielsweise die Eltern die Fragebögen zum Projekt in der e-Health Anwendung in Form einer App ausfüllen.
Für die Wirksamkeitsstudie sollen mindestens 812 Kinder in kinderärztlichen Praxen rekrutiert werden. Dafür wird Eltern die Teilnahme an der Studie angeboten, wenn bei einem Kind im Rahmen einer U-Untersuchung Übergewicht (Body Mass Index, kurz: BMI > 90. Perzentile) festgestellt wird. Alle teilnehmenden Familien erhalten dann eine motivierende Beratung durch ihre/n behandelnde/behandelnden Kinder- und Jugendarzt/-ärztin. Kinder und ihre Familien, die sich in der Interventionsgruppe befinden, erhalten zusätzlich ein Jahr lang regelmäßige Beratung und Unterstützung durch den geschulten Coach. Ziel ist die Förderung der gesundheitlichen Ressourcen in der Familie, die Etablierung von gesunden Verhaltensweisen und darüber vermittelt die Gewichtsabnahme der Kinder in der Interventionsgruppe im Vergleich zu den Kindern in der Kontrollgruppe. Als sekundäre Zielparameter wird daher der Einfluss des Projektes auf Bewegung, Ernährung und den Lebensstil in den Familien untersucht. Evaluiert wird weiterhin, ob die Familien weitere Unterstützungsangebote nutzen. Der BMI und die Fragebogendaten werden zu Studienbeginn erhoben, der BMI-Verlauf alle drei Monate, die weiteren Fragebogendaten nach sechs und zwölf Monaten.
„Das Projekt könnte einen Meilenstein für die pädiatrische Versorgung setzen“, ist sich Univ.-Prof. Dr. Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Köln, sicher. „Wenn die frühstArt-Maßnahme unsere Erwartungen erfüllt und das Gewicht der Kinder deutlich besser reguliert, könnte ein langfristiges Ziel sein, das Angebot bundesweit in die Regelversorgung zu überführen.“
Hintergrund: frühstArt ist ein sektoren- und trägerübergreifendes Projekt, an dem sich 22 Konsortialpartner beteiligen, darunter universitäre und Uniklinik-Einrichtungen, Versorgungskliniken, Krankenkassen und ein Kompetenzzentrum. Zusätzlich wirken zehn Kooperationspartner mit, darunter Städte und Kommunen, die Deutsche Rentenversicherung (DRV), das Landeszentrum Gesundheit (LZG.NRW) und die KV Nordrhein.
Konsortialpartner: IMSB; IMVR; DSHS; ISA; UniReha Köln; Akademie – OeGW; Hochschule Fulda; Fraunhofer-Institut FIT, RWTH Aachen; BARMER; Techniker Krankenkasse; AOK Rheinland/Hamburg – Die Gesundheitskasse; IKK classic; HEK-Hanseatische Krankenkasse, Marienhospital Düren; Uniklinik Bonn; Städtische Kliniken Mönchengladbach; Kompetenzzentrum für Ernährung, Adipositas und Psychologie Oberhausen; Lukas-Krankenhaus Neuss; Asklepios Kinderklinik Sankt Augustin.
Kooperationspartner: Rentenversicherung Rheinland (DRV); KV Nordrhein; MAGS NRW; NZFH; BVKJ; Stadt Köln; Rhein-Sieg-Kreis; Rheinisch-Bergischer Kreis; Stadt Mönchengladbach; LZG NRW
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