„Seit jeher prägt das Kuratorium den Sektor mit detaillierten Stellungnahmen, präzisen Kalkulationen und pragmatischen Entscheidungshilfen. Von der zukunftsfähigen Tierhaltung über den Ausbau des Ökolandbaus bis zum Schutz von Umwelt und Klima: mit seiner täglichen Arbeit schafft das KTBL innovative Grundlagen für den Wissenstransfer von Theorie zur Praxis“, betonte die Vertreterin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Sie gratulierte dem KTBL zu dieser Erfolgsgeschichte, die auch die nächsten 100 Jahre für den Umbau der Landwirtschaft gebraucht werde.
Was beeinflusst gute Entscheidungen? Welche Indikatoren sind belastbar und welche Methoden sind geeignet? Wie können Wissenschaft, Beratung und Wirtschaft die landwirtschaftlichen Betriebe und die Politik bei Entscheidungen unterstützen? Rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten auf den diesjährigen KTBL-Tagen die Herausforderungen rund um Wissenstransfer, Bewertungsfragen und komplexe Entscheidungsprozesse in Landwirtschaft und Politik.
„Es ist nicht nur wichtig, richtige Entscheidungen zu treffen, sondern auch gute“, betonte Prof. Dr. Dagmar Borchers von der Universität Bremen in ihrem Einführungsvortrag. Bei guten Entscheidungen seien Bauchgefühl und Verstand im Einklang und man sei auch nach längerer Zeit noch damit zufrieden. Zusammen mit Prof. Dr. Friedhelm Taube von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, dem Agrarpolitiker Dr. Hermann Onko Aeikens und Landwirt Torsten Reim vom Zweilindenhof in Hohenstein zeigte sie am Beispiel der Düngegesetzgebung, dass Zielkonflikte und mangelnder Handlungswille gute Entscheidungen verhinderten trotz vorhandener fachlicher Erkenntnisse.
Künstliche Intelligenz und Effizienzanalyse unterstützen
Nicht immer müssen Menschen entscheiden. Zunehmend unterstützt künstliche Intelligenz das menschliche Handeln, z.B. autonome Hackroboter auf dem Acker. Darüber berichtete Prof. Dr. Joachim Hertzberg von Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Osnabrück.
Prof. Dr. Sebastian Lakner von der Universität Rostock stellte die Effizienzanalyse als Bewertungsinstrument für Umweltgüter vor, die der Markt nicht abbildet. Sie kann mit Hilfe sogenannter Schattenpreise den monetären Wert dieser Güter sichtbar machen, der, z.B. durch die Übernutzung von Agrarökosystemen durch zu hohe Düngergaben, beeinträchtigt wird.
Der Deutsche Verband für Landschaftspflege hat bereits ein System zur Bewertung von Biodiversitätsleistungen entwickelt, das Dr. Helge Neumann den Zuhörern erläuterte: Die Gemeinwohlprämie schafft es, Landwirte für Biodiversitätsleistungen zu entlohnen. Auch die Molkereigenossenschaft Arla hat mit ihrem Klima-Check-Programm ein Anreizmodelle für Landwirte geschaffen, die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens mitzutragen. „Der Klima-Check ist für den Landwirt verpflichtend, aber er wird dafür auch entlohnt,“ erklärte Meike Packeiser von der Arla Foods Deutschland GmbH.
Erkenntnisse in die Praxis vermitteln
Die Herausforderungen und Perspektiven des Wissenstransfers in die Praxis skizzierte Prof. Dr. Anna Henkel von der Universität Passau. „Solange die Landwirtschaft auf die Optimierung wirtschaftlicher Effizienz ausgerichtet ist, bleibt es schwierig, auch erfolgreich transferierte Wissenselemente etwa zum Bodenschutz in der Praxis umzusetzen. Ausgerichtet auf optimierte Pflanzenwachstumserträge bleibt der Bodenschutz primär ein Kostenfaktor“, so die Soziologin.
Wissenschaft muss sich Gehör verschaffen
„Die Politik steht im Spannungsfeld zwischen gesamtgesellschaftlichen Interessen und den Interessen der eigenen Wählerschaft“, erklärte Prof. Dr. Harald Grethe von der Humboldt-Universität Berlin. Dies führe zu Zielkonflikten zwischen Wissenschaft und Politik. Die Wissenschaft müsse mehr Institutionen schaffen, die in der Politik besser Gehör fänden, wie zum Beispiel Thinktanks. Diese bearbeiteten an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Privatwirtschaft die zentralen Handlungsfelder der Transformation der Landwirtschaft, so der Mitbegründer des Thinktank Agora Agrar.
Podiumsdiskussion richtet Blick auf das große Ganze
Ambitionierte Klimaschutzziele, neue Tierwohlstandards, aber auch der Erhalt bäuerlicher Familienbetriebe und der Kulturlandschaft mit ihrer Biodiversität – in diesem Spannungsfeld soll der Transformationsprozess in der Landwirtschaft angestoßen werden, um die ausgehandelten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die Politik muss handeln und entscheiden. Das dafür ein gewisser Druck vonseiten der Wissenschaft, der Verbände und der Praxis notwendig ist, darüber waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion einig.
Dr. Burkhard Schmied vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung, Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft e.V., Dr. Holger Hennies, Vorstandsmitglied des Deutschen Bauernverbandes und Hubert Heigl, Vorstandsmitglied im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., kamen trotz unterschiedlicher Standpunkte zu dem Ergebnis: Die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit könne nur gelingen, wenn die gemeinsam vereinbarten Ziele der Zukunftskommission Landwirtschaft politisch konsequent umgesetzt würden. Es nütze nichts sich weiterhin gegenseitig die Schuld zuzuweisen. Der Blick müsse auf das große Ganze gerichtet werden und die von der Politik angestoßenen Maßnahmen müssten dies auch widerspiegeln.
Diese Forderung unterstützte auch Prof. Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und Mitglied des Weltbiodiversitätsrates in seinem abschließenden Vortrag: „Grundlegende Veränderungen erfordern, dass mehrere Maßnahmen gleichzeitig eingeleitet werden und klug aufeinander abgestimmt werden. Nur so können sie sich in ihren Wirkungen wechselseitig verstärken und Synergien nutzen.“
Der Tagungsband kann auf der Homepage des KTBL unter www.ktbl.de im Bereich „Themen – KTBL-Jahrestagung“ kostenfrei heruntergeladen werden. Die verfügbaren mitgefilmten Vorträge finden Sie im KTBL YouTube-Kanal.
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