„Wir müssen die Innovationskultur neu erfinden!“ Mit diesen Worten sprach sich Dr. Thomas Ramge für eine lebendige Kultur des Austauschs zwischen Unternehmen, Wissenschaft und staatlichen Stellen aus, die Sprunginnovationen gezielt fördert. Der gebürtige Gießener warb auf dem Innovationsforum Mittelhessen dafür, auf diese Weise radikal neue Ideen zum Nutzen aller Menschen zu forcieren. Wie das gelingen kann, stellte der Experte der Bundesagentur für Sprunginnovationen in einem kurzen Abriss über die Geschichte der Innovationen dar.

150 Teilnehmende und Vortragende präsentierten und diskutierten beim 4. Innovationsforum Mittelhessen das diesjährige Motto „Innovationsfähigkeit als Weg aus der Krise“. Die interaktive Veranstaltung fand in Panels, Diskussionsrunden und Workshops statt und band die Teilnehmenden in der der Atmosphäre des Kinopolis intensiv ein – engagiertes Netzwerken inklusive.

Krisen, Kriege, Katastrophen

Nicht nur in Mittelhessen steht die Wirtschaft vor großen Herausforderungen. Nach der Pandemie kamen der Krieg und die Energiekrise. Gleichzeitig drängen Themen wie Digitalisierung, Lieferketten und Nachhaltigkeit nach schnellen und sicheren Lösungen. Das Innovationsforum platzierte sich in diesem Themenfeld, suchte nach Möglichkeiten und präsentierte erfolgreiche Ansätze, wie diese Aufgaben mit guten Ideen, innovativen Lösungen und gelungenen Kooperationen zu bewältigen sind. Die Relevanz des Themas zeigte sich auch im diversen Teilnehmerfeld, das von Industrie zu Einzelhandel über Startups bis Hochschulangehörigen ein breites Spektrum bediente.  Mit dem Wunsch, die gesamte Region durch Vernetzen zukunftssicher aufzustellen, eröffnete Wetzlars Oberbürgermeister Manfred Wagner, aktuell Aufsichtsratsvorsitzender des Regionalmanagements Mittelhessen, das Innovationsforum.

Großes Potenzial in Mittelhessen

Den Gedanken der Innovationskultur griff Prof. Dr. Jochen Frey, Vizepräsident der THM in der ersten Talkrunde auf und erläuterte, wie wichtig es sei, ein Umfeld für Innovationen zu schaffen, um in mittelständischen Unternehmen beispielsweise die Themen KI (Künstliche Intelligenz), AR (Augmented Reality), Additive Fertigung und Digitalisierung in der Produktion voranzutreiben. Das setzt natürlich auch die Bereitschaft der Unternehmen voraus, sich zu vernetzen und neue Wege zu gehen. Er forderte: „Mehr Open Innovation statt Closed Shop.“ Gleichzeitig müssten Innovationen einfacher, schneller und besser aus den Hochschulen in die Wirtschaft kommen können. Dem stimmte Dr. Detlef Terzenbach, Spezialist für Start-ups und Innovation bei Hessen Trade & Invest zu und betonte, dass sich der Wirtschafts- und Technologiestandort Hessen weiterentwickeln müsse, um nachhaltig wettbewerbsfähig, resilient und zukunftssicher zu bleiben.

Sprungkraft entwickeln, Standfestigkeit erhalten

Den zweiten Teil eröffnete die Unternehmerin Manuela Engel-Dahan, Geschäftsführende Gesellschafterin bei Lock your World aus Bad Orb. Als Multi-Gründerin beschäftigt sie sich seit vielen Jahren auch mit Innovationen und gab persönliche Einblicke – in ihre Erfolge und Misserfolge. Ihr Credo: „Schafft die Angst ab und entwickelt aus Fehlern und Krisen neue Sprungkraft.". Dr. Eike Julia Muhr, Geschäftsführerin des international erfolgreichen Immobilien-Spezialisten THE FLAG, betrachtete das Thema Innovation aus einem anderen Blickwinkel und folgerte: „Gerade wir Familienunternehmen müssen lernen, in Krisen innovativ zu sein und neue Ideen schnell und agil umzusetzen.“ Christian Maassen, vom Beratungsunternehmen EcoVadis, hob in seiner Keynote auf das Thema sichere Lieferketten durch Nachhaltigkeit ab. Er erklärte, warum Unternehmen aus seiner Sicht zukünftig immer mehr auf ganzheitlich nachhaltige Lieferketten achten würden und welche Herausforderungen das insbesondere auch für Zulieferbetriebe bedeutet.

Nachhaltigkeit ist wichtiger Resilienzfaktor

In der zweiten, von Daniel Silberhorn (SLR) moderierten Diskussionsrunde, bestätigte Maximilian Peters vom Kosmetikhersteller cosnova die Bedeutung der Nachhaltigkeit und betonte: „Nachhaltigkeit alleine verkauft nicht. Aber es zahlt sich definitiv aus, auf nachhaltige Lieferketten zu setzen, weil sie das Unternehmen resilienter machen.“ Rüdiger Senft, ebenfalls SLR, blickt auf mehr als 20 Jahre Nachhaltigkeit zurück und sieht mit dem neuen Lieferkettensorgfaltspflichtsgesetz sowie nationalen und internationalen Maßnahmen große Herausforderungen auf den Mittelstand zukommen: „Nachhaltigkeit ist viel mehr als Klimaschutz und eine große Chance für Unternehmen, wenn sie diese erkennen und sich frühzeitig engagieren.“

Energiewende braucht Sicherheit

Das dritte Panel beleuchtete, wie die Energiepreispolitik das Tagesgeschäft beeinflusst. Geleitet von Rechtsanwalt Christian Koch, KKP Wetzlar, berichtete Dr. Felix Heusler, Isabellenhütte Heusler und Präsident der IHK Lahn-Dill aus der Perspektive seines Unternehmens: „Die Explosion der Energiepreise im vergangenen Jahr war nicht vorherzusehen, wir mussten schnell und flexibel reagieren. Jetzt muss die Politik helfen, eine Perspektive zu schaffen.“ Dem pflichtete Oliver Wintzer, Geschäftsführer des Großhandels Eisen-Fischer bei und betonte „Unternehmen wie Endkunden brauchen Sicherheit, damit sie in die Energiewende investieren.“ Mario Simon, Geschäftsführer des Handwerkbetriebs Team Simon plädierte dafür, dass Bauen wieder subventioniert werden solle, damit sich die Menschen das auch wieder leisten könnten.

Drei Workshops für Teilnehmende

Nach Netzwerk- und Mittagspause beteiligten sich die Teilnehmenden in drei Workshops. Der erste, geleitet von Arndt Schieb, GAL Digital, und Dr.-Ing. Philipp Rabenau, IHK Hessen innovativ, stellten sich der Frage, ob ein Digitalisierungsnetzwerk als Resilienzfaktor funktionieren kann. Dr. Detlef Terzenbach, Hessen Trade and Invest und Sascha Gutzeit, Politik und Verwaltungswissenschaftler beim RKW Hessen bearbeiteten die Frage: „Nachhaltigkeit in meinem Unternehmen – was kommt da auf mich zu?“. Der dritte Workshop wurde von Wolfram Sauer, New Work SE (vormals Xing) geleitet und von Evelyn Korn, Vizepräsidentin für Universitätskultur an der Philipps-Universität Marburg sowie Johan Hacklin, Beratungsunternehmen Accenture begleitet. Dieser Workshop stellte sich der These: „Innovation braucht Aktion.“ Das Feedback des Publikums zu den Workshops war gut: So lobte beispielsweise ein Einzelhandelsvertreter die Kombination aus Fördermittelüberblick und die vermittelten Ansätze zu nachhaltigen Lieferketten, die er mit seinem Team angehen wolle.

Ausgebuchte Veranstaltung, Fortsetzung folgt

Jens Ihle, Geschäftsführer des Regionalmanagements Mittelhessen, zeigte sich dankbar und äußerst zuversichtlich, als er den offiziellen Teil der Veranstaltung beendete: „Wir sind stolz auf die engagierten, motivierten und innovativen Unternehmen in Mittelhessen und freuen uns, dass wir auch dieses Mal wieder ausgebucht waren.“ Die Zusammenkunft vieler Disziplinen, die laut Dr. Thomas Ramge ein Startpunkt für Innovationen sei, ist tief in der DNA des Regionalmanagement verankert, so Ihle. „VertreterInnen von Unternehmen, Startups, aus der Hochschule – ob Studierende oder Lehrende oder andere interessierte Menschen führen wir im Innovationsforum führen. Es braucht mehr Formate wie heute – wir stehen gerne dafür zur Verfügung.“ Darüber hinaus dankte Bianca von der Au vom Medienpartner hr info, die gewohnt souverän moderierte und sowie dem Kinopolis Gießen und den regionalen Unterstützern, die einen großen Anteil am Erfolg dieser auch überregional einzigartigen Veranstaltung hatten.

Das Innovationsforum Mittelhessen ist Teil des Förderprojekts „Digitalisierung, Gründung, Innovation in Mittelhessen“ und wird von der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung kofinanziert.
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