Zwischen Januar und Dezember 2022 wurden in Deutschland etwas mehr als 470.000 vollelektrische Autos (BEV) neu zugelassen. Gleichzeitig stieg der Fahrzeugbestand nur um knapp 400.000 Einheiten auf 1.013.009 BEVs an. Damit ergibt sich eine erhebliche Differenz von rund 76.000 E-Autos bzw. 16,2% der Neuzulassungen, die nicht in den deutschen Fahrzeugbestand übergehen (vgl. Abbildung 1). Zum Vergleich: Zwischen Januar und Dezember 2021 wurden rund 356.000 BEVs neu zugelassen, während der Bestand um etwa 309.000 Autos anstieg. Die Differenz betrug zum damaligen Zeitpunkt knapp 47.000 E-Autos bzw. 13,1 % der Neuzulassungen. Es ist davon auszugehen, dass der Großteil dieser Fahrzeuge nach Einzug der Förderprämie von bis zu 9.000 Euro und einer Haltedauer von sechs Monaten ins Ausland weiterverkauft wurde.
Stichproben ausgewählter Automobilmarken offenbaren mitunter noch gravierendere Unterschiede zwischen den Neuzulassungen und den Zuwächsen im Fahrzeugbestand (vgl. Abbildung 2). Beim US-Hersteller Tesla fehlt nahezu jede dritte Neuzulassung in der Elektroflotte. Wurden zwischen Oktober 2021 und September 2022 etwa 52.000 Tesla-Modelle beim KBA angemeldet, so erhöhte sich der Bestand im gleichen Zeitraum um lediglich rund 36.000 Fahrzeuge. In den ersten neun Monaten des Jahres 2021 lag die Quote noch bei rund 18,5 %. Aber auch deutsche Premiummarken weisen stark überdurchschnittliche Differenzen auf: Bei BMW (21,2 %), Audi (23,5 %) und Mercedes-Benz (19,4 %) fehlt rund jedes fünfte BEV im deutschen Fahrzeugbestand.
Günstigere Elektrofahrzeuge sind weniger betroffen. Die Differenz von Neuzulassungen und Fahrzeugbestand liegt bei Renault (Zoe) nur bei 9,1 %. Auch die weiteren ausgewählten Volumenhersteller VW (13,9 %) und Hyundai (14,9 %) liegen unter dem Durchschnitt. Allerdings scheidet auch hier eine hohe Zahl von Elektrofahrzeugen im Jahr 2022 aus dem deutschen Fahrzeugbestand aus: Bei VW gehen etwa 7.000 E-Autos verloren, bei Hyundai sind es 4.300 und bei Renault 2.800.
Diese Praktik dürfte seit 2023 deutlich unattraktiver sein. Durch die Reduzierung der Förderprämie von bis zu 9.000 Euro auf nunmehr maximal 6.750 Euro (beides inkl. Herstelleranteil) sowie die Verlängerung der Mindesthaltedauer von sechs auf zwölf Monate sinken die Margen der auf den Export spezialisierten Händlerbetriebe. Für das Gesamtjahr 2022 geht das CAM nach konservativen Schätzungen davon aus, dass für die 76.000 im Bestand fehlenden BEVs in etwa 380 Millionen Euro an staatlichen Fördergeldern aufgewendet wurden. Im Vorjahreszeitraum könnte die Summe circa 230 Millionen Euro betragen haben. Damit finanziert die Bundesrepublik den Markthochlauf der Elektromobilität in anderen Ländern in beträchtlichem Maße quer.
Studienleiter Stefan Bratzel: „Bei der Auslobung von Förderprämien und Steuervorteilen der Elektromobilität entstehen häufig unerwünschte Nebeneffekte bzw. nicht unerhebliche Marktverzerrungen. Das ist nicht immer vollständig zu verhindern. Aber wenn sich der legale Missbrauch jährlich auf höhere 3-stellige Millionenbeträge summiert, muss der Gesetzgeber schnell nachjustieren. Die politische Reaktionsgeschwindigkeit war in diesem Falle recht langsam. Mit der Verminderung der Elektroprämie und der Erhöhung der Mindesthaltedauer auf ein Jahr zu Beginn des Jahres dürfte die Attraktivität des prämienbegünstigten Exports von batterieelektrischen Fahrzeugen jetzt jedoch deutlich sinken.“
Über die Studie:
Der CAM Electromobility Report 2023 analysiert regelmäßig die aktuellen Markt-, Absatz- und Innovationstrends der Elektromobilität in wichtigen Kernmärkten (z.B. China, USA, Europa und Deutschland). Gleichzeitig werden die wesentlichen Einflussfaktoren auf den Markthochlauf der Elektromobilität empirisch beleuchtet. Die daraus abgeleiteten Annahmen werden schließlich in Markthochlauf-Szenarien für das Jahr 2030 überführt. Die Untersuchung konzentriert sich auf reine Batteriefahrzeuge (BEV) und Plug-In-Hybride (PHEV). Mehr Informationen: https://auto-institut.de/…
Das Center of Automotive Management (CAM) ist ein unabhängiges, wissenschaftliches Institut für empirische Automobil- und Mobilitätsforschung sowie für strategische Beratung an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach. Seine Kunden unterstützt das Auto-Institut auf Basis umfangreicher Datenbanken, insbesondere zu fahrzeugtechnischen Innovationen der globalen Automobilindustrie sowie zur Markt- und Finanz-Performance von Automobilherstellern und Automobilzulieferunternehmen. Mittels eines fundierten Branchen-Know-hows und intimer Marktkenntnisse erarbeitet das Auto-Institut individuelle Marktforschungskonzepte und praxisorientierte Lösungen für seine Kunden aus der Automobil- und Mobilitätswirtschaft.
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