„Halbwissen ist gefährlich. Dem können wir nur mit Informationen begegnen.“ Mit diesen Worten läutet Theresa Schmidt den Junglandwirt:innen-Kongress ein. Der Berufsnachwuchs scheint das genauso zu sehen wie die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend e.V. (BDL). Etwa 200 junge Fachleute sind am ersten Messesamstag gekommen, um mehr über Laborfleisch zu erfahren und sich darüber auszutauschen, ob dieses als Konkurrenz, Chance oder Tod der Tierhaltung zu betrachten ist. Der BDL hatte gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband (DBV) zu der Veranstaltung auf der Internationalen Grünen Woche 2023 eingeladen.

Nach kurzem Grußwort von DBV-Präsident Joachim Rukwied übernimmt Moderatorin Kathrin Muus die Bühne. Die frühere BDL-Bundesvorsitzende kennt die Sorgen der Junglandwirte und Junglandwirtinnen und weiß als ehemaliges Mitglied der Zukunftskommission auch, wie emotional das Thema Tierhaltung diskutiert wird.

Sie stellt Prof. Dr. Nick Lin-Hi von der Universität Vechta vor. In seinem Fachvortrag weist der Ökonom und Laborfleisch-Experte nach, dass Konsument:innen im Massenmarkt nicht bereit sind, mehr für Produkte zu zahlen, wenn sie keinen direkten Nutzen davon haben. Eine nachhaltige Umwandlung landwirtschaftlicher Systeme mit verbundener Produktkostensteigerung sieht er daher kritisch und hält es für gut möglich, dass das letzte Jahrzehnt der Nutztierhaltung zur Erzeugung von Lebensmitteln angebrochen ist. Sein Appell: Darüber nachdenken, die Dinge grundlegend anders zu machen – gerade weil Gesellschaft und Landwirtschaft komplett unterschiedliche Vorstellungen von Tierwohl haben. Er schlägt die Produktion von Laborfleisch als Chance für die Landwirtschaft vor.

Mit Prof. Lin-Hi steht Prof. Dr. Wilhelm Windisch (TU München) auf dem Podium. Als Tierernährer betont er direkt zu Beginn, dass die Erzeugung von Laborfleisch erst dann disruptiv für die Tierhaltung wird, wenn für Menschen unverdauliche Biomasse wie Gras dafür verwertet werden kann. Laura Gertenbach (Innocent Meat), die Gründungserfahrung in der Laborfleischbranche und im Fleischhandel hat, tut sich schwer mit dem reißerischen Titel des Junglandwirt:innen-Kongresses. Aus ihrer Sicht ergänzen sich beide Systeme gut. Eine Integration der Laborfleischproduktion in Landwirtschaftsbetriebe sieht sie kritisch, da eine Umnutzung landwirtschaftlicher Gebäude rechtlich nicht möglich ist. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Oliver Vogt ergänzt, dass Regelungsrecht angepasst werden kann, verlangt jedoch als Physiker, dass zu Laborfleisch noch mehr geforscht und Beweise geführt werden müssen.

Ein Junglandwirt kommentiert das kritisch: Die Tierhaltung mache regional durchaus Sinn und brauche nicht pauschal abgeschafft werden. Prof. Lin-Hi reagiert mit dem Hinweis auf die emotionale Debatte, dass die Intensivtierhaltung langfristig nicht mehr nötig sei. Die Mehrfach-Gründerin Gertenbach stimmt dem zu. Zudem hätten jüngere Generationen ein anderes Verständnis von Ernährung. Das müsse auf Produktionsseite berücksichtigt werden.

Prof. Windisch ist es wichtig, die Dinge in die korrekte Reihenfolge zu rücken: Am Ende würden wir an unserer Ressourceneffizienz gemessen und nicht am Marketing. Prof. Lin-Hi hält fest, dass die ungeklärten Fragen diskutiert und proaktiv angegangen werden müssen. „Wir werden die Erde nicht mehr als Lebensgrundlage haben, wenn wir diese Hochtechnologie an uns vorbeiziehen lassen“, appelliert er an die Junglandwirtinnen und Junglandwirte.

Als politischer Vertreter sieht Dr. Vogt die Regierung in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen zu regeln. Dies wurde zu lange aufgeschoben. Die aktuelle Situation sei für Landwirt:innen kaum mehr tragbar und die Wirtschaftlichkeit von Betrieben wird häufig außer Acht gelassen, sagt der Abgeordnete.

Eine der vielen Fragen aus dem Publikum kommt von einer jungen Frau aus Niedersachsen: „Wie sinnvoll ist die Diskussion um Laborfleisch, wenn bereits die Debatte um Gentechnik im Keim erstickt wurde?!“ Auf dem Podium gibt es allgemeinen Zuspruch dafür, dass über Zukunftstechnologien ehrlich und kritisch diskutiert werden muss. Sie seien langfristig notwendig, um Wohlstand zu erhalten und sind ebenfalls eine Chance für die Landwirtschaft.

„Darüber werden wir nachdenken, das Thema weiter begleiten, aber durchaus kritisch diskutieren“, so der stellv. BDL-Bundesvorsitzende Stefan Schmidt in seinem Schlusswort. Ein Anfang ist mit dem Junglandwirt:innen-Kongress gemacht.

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